Sein Tarnname war Lucky Luke. Er bekam Blutdoping auf Parkplätzen und Autobahnen.
Doping-Kronzeuge Johannes Dürr (31) erzählt bis ins kleinste Detail, wie der Sport-Schwindel abgelaufen ist. In einem großen ARD-Interview gibt er seine Lebensbeichte ab. Unter Tränen erzählt er, dass absolut niemand vom Doping wusste, selbst seine Freundin nicht. Er spricht von einem Kampf zwischen dem „Menschen Johannes und dem Leistungssportler“, von dem „Lügenkonstrukt“ und sogar von „Sucht“.
Auch auf Parkplätzen wurde das Blut gespritzt
Dürr gibt zu, bis zuletzt gedopt zu haben, obwohl er schon 2014 überführt wurde. Er hatte noch lange, nachdem er erwischt wurde, Kontakt mit Mark Schmidt (40), dem ominösen Sport-Arzt aus Deutschland, der eine „Doping-Zentrale“ betrieben haben soll (es gilt die Unschuldsvermutung).
Im Jahr 2015 übergab der österreichische Sportler sein angezapftes Blut an den Mediziner. Dieses wurde – für Blutdoping – in Erfurt gelagert. Dürrs Tarnname in der Kundenkartei war „Lucky Luke“.
Dürr hat den Tiroler Ermittlern gestanden, dass er noch im Vorjahr Treffen mit Schmidt und seinen Assistenten hatte. Ende Sommer 2018 meldete sich Schmidt bei ihm, bot ihm sein damals gelagertes Blut an. Dürr sei „schwach geworden“. Sie trafen sich auf einer bayerischen Autobahnraststätte, in einem Zimmer des Rasthofes an der A8 bei München ließ er sich Blut spritzen.
Assistentin
Nächstes Treffen war in Österreich. Ende Oktober 2018 bekam Dürr, erzählt er weiter, auf einem Hotelparkplatz in Pichl bei Schladming eine Dosis. Diesmal injizierte es Schmidts Assistentin Diana S. im Auto.
Tatort Schweiz
Das angeblich allerletzte Mal dopte der Langläufer im Dezember, in der Schweiz, bei einem Wettkampf in Campra.
Johannes Dürr galt eigentlich als Aufdecker des Skandals, löste mit seinen Aussagen in einer ARD-Doku im Vorjahr die Razzia aus. Am Dienstag wurde er dann selbst in Innsbruck verhaftet.
Geständnis im TV-Interview: "Ich war überzeugt, es geht nicht ohne Doping"
Johannes Dürr spricht im ARD-Interview unerwartet offen über seine Doping-Jahre.
Frage: Herr Dürr, Sie haben eine Aussage vor der Staatsanwaltschaft gemacht. Was war der Kern der Aussage?
Johannes Dürr: 2014 bin ich durch den positiven Dopingtest kurz vor meiner Blütezeit aus dem Leistungssport herausgerissen worden, damit konnte ich nicht umgehen. Nach meiner Sperre wollte ich noch mal zeigen, was in mir steckt, deshalb habe ich mir nach 2014 wieder Blut abnehmen lassen.
Frage: Haben Sie damals geglaubt, dass es ohne Doping nicht geht?
Dürr: Ich war überzeugt davon, dass es ohne Doping nicht gehen kann.
Frage: Was haben Sie damals konkret gemacht?
Dürr: Ich habe mir weiterhin von Mark Schmidt Blut abnehmen lassen, als Vorrat für die Zeit nach der Dopingsperre. Das Blut lagerte in einem Kühlschrank in Erfurt. Das ging so weit, dass Mark Schmidt sich zurückziehen wollte und ich mit ihm diskutiert habe, es selbst weiterzumachen, den Kühlschrank zu besorgen, der dann aber in Erfurt gelandet ist.
Frage: Sie haben überlegt, das Geschäft selbst zu übernehmen?
Dürr: Genau, weil ich davon überzeugt war, dass es ohne Doping nicht geht.
Frage: Haben Sie gewusst, dass Max Hauke (festgenommener Langläufer, Anm.) dopt?
Dürr: Ja, das habe ich gewusst.
Frage: Wenn Sie sagen, Sie haben ihm den Kontakt zu Schmidt nicht verschafft: Wie, denken Sie, ist er an Mark Schmidt geraten?
Dürr: Es hat ja noch andere gegeben, die im Team waren, die Kontakt zu ihm hatten.
Frage: 2018 gab es das Projekt „zurück in den Sport“, es gab das Buchprojekt mit Co-Autor Martin Prinz – hat er eigentlich gewusst, dass Sie später wieder gedopt haben?
Dürr: Niemand hat etwas gewusst. Nachdem die Vernehmung beendet war, war für mich der erste Weg nach Hause zu meiner Freundin, und ich habe ihr sagen müssen, was ich gemacht habe (jetzt hat Dürr Tränen in den Augen, Anm.).
Frage: Können Sie garantieren, dass das, was Sie jetzt gesagt haben, auch wirklich die vollständige Wahrheit ist?
Dürr: Das war jetzt wirklich alles. Und jetzt bin ich einfach nur noch froh, dass alles raus ist.
Frage: Glauben Sie, dass dieser Fall das Potenzial hat, den Sumpf trockenzulegen?
Dürr: Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Dazu ist der Bedarf viel zu hoch. Ich glaube nicht, dass wir die Einzigen waren, die das auf der Welt gemacht haben.