Djokovic: 'Fühlt sich unwirklich an, nachdem ich schon zwei Matchbälle hinten war'.
London. Das Finale Novak Djokovic gegen Roger Federer war groß gehypt worden, aber ein derart spannendes Endspiel hatte wohl keiner erwartet. Am Ende siegte am Sonntag nicht der sentimentale Favorit, sondern ein anderer Großer: Djokovic bezwang Federer nach 4:55 Stunden mit 7:6(5),1:6,7:6(4),4:6,13:12(3) und wehrte bei 7:8 zwei Matchbälle ab. Der Serbe jubelte über seinen fünften Wimbledon-Titel.
Nach seinem Final-Triumph hockt sich der Serbe auf das Spielfeld und reißt einige Grashalme des "heiligen" Wimbledon-Rasens vom Center Court und kaut genüsslich darauf herum. Ein Ritual, das er sich bei seinen mittlerweile fünf Triumphen beim wichtigsten Tennis-Turnier der Welt zu Eigen gemacht hat.
Tradition ???????????????? #Wimbledon pic.twitter.com/u3OLTHwre4
— Novak Djokovic (@DjokerNole) 14. Juli 2019
Djokovic verhinderte mit seinem Sieg auch den neunten Triumph von Federer im Tennis-"Mekka" und den 21. Grand-Slam-Titel des fast 38-jährigen Schweizers. Der 32-jährige Weltranglisten-Erste hält nun selbst schon bei 16 Major-Titeln und hat zudem seinen Triumph aus dem Vorjahr erfolgreich verteidigt. Sein Lohn ist ein Siegerscheck in Höhe von umgerechnet 2,62 Mio. Euro. Djokovic stellte im 48. Duell mit Federer auf 26:22-Siege.
Federer ist es damit auch weiterhin bei keinem Grand-Slam-Turnier gelungen, sowohl Rafael Nadal als auch Djokovic zu bezwingen. Das Match geht mit 4:55 Stunden als längstes Herren-Finale in die Wimbledon-Geschichte ein und dies trotz neuer Tiebreak-Regel im Schluss-Satz.
"Match gegen einen der größten aller Zeiten"
"Dieses Match ist sicher in den Top 2 oder 3 meiner Karriere gegen einen der Größten aller Zeiten", meinte ein überglücklicher Djokovic. "Unglücklicherweise muss einer verlieren, wir hatten beide unsere Chancen. Es fühlt sich unwirklich an, nachdem ich schon zwei Matchbälle hinten war", sagte der nunmehr 75-fache Turniersieger und ergänzte, "es war auch komisch bei 12:12 im fünften Satz ein Tiebreak zu spielen". Ein Umstand, von dem sich Djokovic mitten im fünften Satz beim Referee erkundigen musste. Erstaunlicherweise hatte er nicht gewusst, ob nun bei 10:10 oder 12:12 ein Tiebreak gespielt wird.
Für Federer war es möglicherweise die letzte Chance, sein Konto an Major-Siegen weiter aufzustocken. Allerdings präsentierte sich der in wenigen Wochen 38-Jährige wie in seinen besten Tagen. "Ich versuche, das schnell zu vergessen", scherzte Federer in Richtung Publikum und fügte ernst hinzu, "Novak, gratuliere Mann, das war verrückt". Auf sein Alter angesprochen, erklärte sich Federer fit. "Ich fühle mich gut, natürlich brauche ich jetzt einige Zeit, mich zu erholen. Ich konnte heute nicht mehr geben, ich stehe noch und das wünsche ich auch allen anderen 37-Jährigen." Er hoffe, er gebe ein paar Leuten den Glauben, dass es mit 37 noch nicht vorbei ist.
Match begann ausgeglichen
Das Match zwischen dem Weltranglisten-Ersten und dem Grand-Slam-Rekordsieger begann ausgeglichen wie erwartet. Mit zwei Assen gleich im Auftakt-Game zeigte Federer, dass er gegen den Serben in seinem zwölften Wimbledon-Finale reüssieren will. Im umstrittenen dritten Spiel vergab der Schweizer den einzigen Breakball im ersten Durchgang zum 3:1. Danach ging es aber ohne einen weiteren ins Tiebreak. In diesem geriet Djokovic nach einer 3:1-Führung mit 3:5 in Rückstand, machte dann aber vier Punkte en suite zum Satzgewinn. Satz eins dauerte mit 58 Minuten allein drei Minuten länger als das einseitige Damen-Finale zwischen Siegerin Simona Halep und Serena Williams am Vortag.
Federer blieb fokussiert, während der "Djoker" durchatmete. Der Eidgenosse nutzte seine nächsten Breakchancen im ersten Game zum ersten Break des Matches zum 1:0, schaffte unerwartet zum 3:0 das Doppelbreak. Nach nur 73 Minuten stand es schon 4:0, der 32-jährige Serbe hakte den zweiten Durchgang ab und gab sogar zum 1:6 erneut den Aufschlag ab. Das Match verlief bis dahin ähnlich wie Federers Halbfinale gegen Nadal, als der Schweizer nach gewonnenem Tiebreak Satz zwei 1:6 hatte abgeben müssen.
Der dritte Durchgang verlief dann wieder wie der erste, wobei Federer bei 5:4 und 30:40 den bis dahin einzigen Breakball, gleichzeitig Satzball zur 2:1-Führung, nicht verwerten konnte. Federer, der in diesem Satz leichte Vorteile hatte, stellte zu Null auf 6:5, musste aber neuerlich ins Tiebreak. Und wie schon im ersten Satz, als dem Eidgenossen fünf unerzwungene Vorhandfehler passiert waren, waren es Eigenfehler, die ihn das Tiebreak kosteten. Vier unerzwungene Fehler, diesmal von der Rückhand, brachten ihn mit dem Rücken zur Wand. Und dies nach vergebenem Satzball bei 5:4.
Mit 2:1-Satzführung war Djokovic nun Favorit
Mit zwei gewonnenen Tiebreaks samt 2:1-Satzführung im Rücken war der fast sechs Jahre jüngere Djokovic nun klarer Favorit. Doch Federer darf nie abgeschrieben werden. Plötzlich gelang dem Eidgenossen bei 2:2 ein Break und zum 5:2 ein weiteres. Dann fand Djokovic seinen ersten Breakball des gesamten Spiels vor, den zweiten nutzte er zum 3:5-Rebreak. Doch Federer ließ sich vom Herannahen seines Gegners auf 4:5 nicht beirren und servierte sich mit einem Zu-null-Game nach 2:55 Stunden in den fünften Durchgang. Wer hätte gedacht, dass dieser noch zwei Stunden dauern würde?
In der Entscheidung fand zunächst Djokovic bei 2:1 gleich drei Breakchancen vor, doch Federer wehrte alle ab. Die dritte mit seinem 16. Ass. Doch als der Weltranglisten-Erste im sechsten Game neuerlich bei 15:40 zwei Chancen hatte, nutzte er die zweite zur 4:2-Führung. Federer schaffte das sofortige Rebreak. Danach ging es mit dem Aufschlag dramatisch weiter. Diesmal ging es bei 6:6 nach fast vier Stunden aber nicht ins Tiebreak. Seit 2019 gibt es zwar auch in Wimbledon im fünften Satz eines, aber erst bei 12:12.
Nach 4:08 Stunden gelang Federer das Break zum 8:7. Federer hatte in der Folge bei 40:15 und nach 4:10 Stunden zwei Matchbälle zum 9:7, doch er vergab beide und musste das Rebreak hinnehmen. Auch bei 11:11 hatte Federer noch zwei Breakbälle, konnte sie aber nicht verwerten. Die neue Tiebreak-Regel kam tatsächlich zur Anwendung: nach 4:48 Stunden ging es bei 12:12. Und auch das dritte "jeu decisif" des Tages verlor Federer.