Melzer beförderte ÖTV im Davis Cup ins Weltgruppen-Play-off.
Rund dreieinhalb Stunden ist Jürgen Melzer am Samstag auf dem Tennisplatz in der Moskauer Luschniki-Halle gestanden - und das höchst erfolgreich. Mit einem gewonnenen Doppel und einem Einzelsieg war der 36-Jährige in der Davis-Cup-Partie gegen Russland hauptverantwortlich für das 3:1 der Österreicher. "Es ist wie ein Märchen, das wahr wird", sagte Melzer nach Erreichen des Weltgruppen-Play-offs.
Melzer holte den entscheidenden Punkt mit einem 6:3,3:6,6:3-Erfolg gegen Jewgenij Donskoj. "Es war ein sehr hartes Match. Ich habe fast neun Monate lang nicht wettkampfmäßig Tennis gespielt", meinte der Routinier, der nach einer Ellbogen-Operation Anfang Oktober lange pausiert hatte. Ohne Dominic Thiem, Andreas Haider-Mauer, Oliver Marach, Alexander Peya und Gerald Melzer, die aus unterschiedlichen Gründen fehlten, waren die Österreicher als krasse Außenseiter nach Moskau gereist.
"Ich habe mich gut gefühlt die ganze Woche. Es war am Schluss natürlich auch eine Fitnessfrage. Es so auszumachen, ist natürlich toll", sagte Melzer im ORF-Interview. "Wenn Leute draußen sitzen, die für einen sind, dann gibt es keine Müdigkeit. Hier noch einmal so etwas zu erleben, im Spätherbst der Karriere, ist natürlich wunderschön."
ÖTV-Kapitän Koubek sprachlos
Melzer/Oswald feierten davor einen 6:3,7:6-Erfolg gegen Karen Chatschanow/Andrej Rublew. Den ersten Punkt hatte am Freitag beim Auftakt der Zweitrunden-Begegnung der Europa/Afrika-Zone I Dennis Novak mit einem 6:4,7:6 gegen den Rublew besorgt. Den einzigen Sieg der hoch favorisierten Russen holte Daniil Medwedew, der Sebastian Ofner bei dessen Davis-Cup-Debüt 6:1,6:2 abschoss. Der Steirer kam am Samstag nicht mehr zum Einsatz.
Die ÖTV-Equipe spielt damit im September um den Einzug in das Weltgruppen-Turnier 2019. Mögliche Gegner sind unter anderem Großbritannien, Australien, Serbien, Kanada und die Schweiz. ÖTV-Kapitän Stefan Koubek wollte sich in seiner ersten Stellungnahme noch nicht damit befassen: "Ich bin noch ein bisschen sprachlos, ehrlich gesagt", meinte der Kärntner. "Ich wünsche mir ein Heimmatch und einen Sieg. Wenn wir zu Hause spielen könnten, wäre das super für uns."
Koubek hatte schon am Freitag beschlossen, Melzer die Gelegenheit zu geben, sich in seinem 74. Davis-Cup-Einzel zu beweisen - sofern es dessen körperliche Verfassung nach dem Doppel zulässt. Der 36-Jährige hatte nach einer Ellbogen-Operation im Oktober erst Ende Februar wieder das reguläre Training aufgenommen. Sein Comeback gab er Ende März bei einem Sand-Challenger in Marbella, schied dabei in der ersten Runde relativ glatt aus.
Melzer fightet sich zu Sieg
Von fehlender Matchpraxis oder gar mangelnder Fitness war anfänglich aber nichts zu merken. Der Niederösterreicher startete gut, nutzte seinen insgesamt fünften Breakball zum 4:2 und verwandelte nach 34 Minuten den ersten Satzball. Mitte des zweiten Durchgangs erlitt Melzer jedoch einen Einbruch. Der ehemalige Top-10-Spieler war nicht mehr so spritzig und leistete sich einige unerzwungene Fehler, die auch zum 3:6-Verlust des Satzes beitrugen.
Im dritten Satz und nach einer Toilettenpause lief es wieder besser. Melzer gelang es, Donskoj das Momentum zu entreißen, und breakte zum 3:1. Danach bot der Davis-Cup-Veteran, der seinen Körper während der Seitenwechsel mit mehreren Coolpacks behandelte ("Es war so heiß in der Halle"), kämpferisch eine Leistung der Extraklasse. Nach 1:48 Stunden verwertete Melzer seinen zweiten Matchball und schoss Österreich zum Sieg.
Im Doppel hatten Melzer/Oswald zuvor eine solide Vorstellung gezeigt. Nach einem Break zum 3:1 brachten die Österreicher den ersten Satz programmgemäß nach Hause. Im härter umkämpften zweiten Durchgang holten sich die beiden wieder ein Break, vergaben dann aber bei eigenem Aufschlag drei Matchbälle. Im Tiebreak gelang schließlich mit dem vierten Matchball die Entscheidung.
"Wir haben zwei Sätze relativ clean gespielt", befand der Vorarlberger Oswald. "Wir sind etwas nervös geworden nach den drei Matchbällen. Aber ich glaube, wir haben uns dann wieder eingekriegt und haben gut gespielt, als es wichtig war", betonte Melzer.
Die Russen waren mit drei Top-50-Spielern vor heimischem Publikum angetreten. Hinter Rublew (35.), Chatschanow (40.) und Medwedew (49.) ist Donskoj (85.) nominell nur die Nummer vier. Bester ÖTV-Profi ist im krassen Gegensatz dazu Ofner mit seinem Ranking von 141. Novak, dessen zweites Einzel am Samstag nicht mehr zur Austragung kam, rangiert in der ATP-Rangliste auf Platz 195.