Interview

Berthold hat Druck "sehr gerne"

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ÖSV-Herrenboss spricht über Erwartungen für die neue Saison.

Nebel und Regen haben ein Training des österreichischen Ski-Alpin-Teams am Dienstag auf dem Mölltaler Gletscher unmöglich gemacht. Den Tatendrang des neuen Herren-Cheftrainers Mathias Berthold bremste das zweieinhalb Wochen vor dem Weltcup-Auftakt in Sölden keinesfalls. Im Interview sprach der 45-jährige Vorarlberger u.a. über seinen Maßnahmenkatalog, um die ÖSV-Asse wieder auf Vordermann zu bringen.

Frage: Nach der fallenden Tendenz im ÖSV-Herren-Team sind die Hoffnungen für die kommende Saison sehr stark mit Ihrer Person verbunden. Ist Ihnen das unangenehm?
Berthold: "Als Cheftrainer steht man in so einer Situation natürlich besonders im Fokus. Aber mir ist  Druck sowieso egal, ich habe Druck sehr gerne. Man muss die Erwartungshaltung relativieren und in den richtigen Kontext stellen."

Frage: Ist die Erwartungshaltung in Österreich einfach zu hoch?
Berthold: "Es wird erwartet, dass Österreich immer eine starke Mannschaft stellt und Siege einfährt.  Das ist auch unser Anspruch, das ist schon okay. Aber man muss sich vom Gedanken verabschieden, dass die Ausländer alle Nasenbohrer sind. Die haben dieselben Mittel zur Verfügung, trainieren genauso wie wir und auf unseren Gletschern. Die machen genauso einen guten Job wie wir. Wir müssen versuchen, dass wir durch Einsatz, bessere Strukturen und bessere
Nachwuchsförderungen wieder einen Schritt vor ihnen sind."

Frage: Was für eine Mannschaft haben Sie bei Ihrem Amtsantritt vorgefunden?
Berthold: "Eine Mannschaft mit guten Jungs und motivierten Athleten. Das sind Profis, die sehr hart arbeiten wollen. Ich habe vorher von verwöhnten Österreichern gelesen, das sind sie in keiner Art und Weise. Und das kann ich beurteilen, weil ich in den ausländischen Systemen sehr viele Athleten kennengelernt habe."

Frage: Haben Sie aufgrund der Altersstruktur im Team Sorgen?
Berthold: "Es besteht ein relativ großes Loch zwischen den arrivierten Läufern und der  Nachwuchsmannschaft. Das betrifft die Jahrgänge 1981 bis 1989, da ist sehr wenig da. Die Jungen sind sehr talentiert, aber relativ weit entfernt von dort, wo wir sie haben wollen. Unsere Priorität ist, im Weltcup vorne mitzufahren. Aber wir müssen die Jungen so rasch wie möglich an die Weltcup-Mannschaft heranführen."

Frage: Was kann man als neuer Cheftrainer tun, außer frischen Wind zu erzeugen?
Berthold: "Ob es frischen Wind gibt, kann ich nicht beurteilen, weil ich den Wind davor nicht kannte. Aber von den Rückmeldungen höre ich, dass Trainer und Läufer happy sind, dass es anders ist. Wir haben unsere Trainingsgebiete und Strukturen ein wenig verändert. Wir haben punkto Skitechnik mit den Trainern einen ganz klaren Weg festgelegt, da hat mir die eine oder andere Sache nicht gefallen. Auch die Einsatzpolitik ist ein sehr wichtiges Thema: Wer fährt Europacup, wer
fährt Weltcup?"

Frage: Die Zeiten, in denen ältere Athleten den Jüngeren die Europacup-Plätze weggenommen haben, sind also vorbei?
Berthold: "Es wird weiter den einen oder anderen Weltcup-Läufer geben, der aus Trainingszwecken im Europacup fährt. Aber es wird nicht mehr so sein, dass von der Europacup-Mannschaft nur noch drei Leute Europacup fahren können. So untergräbt man den eigenen Nachwuchs, und das wollen wir natürlich nicht. Der Europacup ist die Spielwiese der Europacup-Athleten. Diese Entwicklung brauchen sie, um im Weltcup erfolgreich zu sein."

Frage: In den vergangenen Jahren wollte man im ÖSV den Weg Richtung Allrounder gehen, ist jetzt wieder mehr Spezialisierung angesagt?
Berthold: "Spezialisierung hört sich zu extrem an. Aber wir wollen die Athleten in ihren Stärken forcieren. Und nicht zu viel Zeit mit Dingen verschwenden, die für die Entwicklung und den Erfolg nicht ganz so wichtig sind."

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