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Marcel Hirscher geht seinen Weg

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Salzburger mag's gerne schnell und lässt sich nichts dreinreden.

Marcel Hirscher lässt es gerne krachen. Ob im Sommer auf seiner Motocross-Maschine oder beim Sprung aus einem Flugzeug in 4.000 Metern Höhe.

Ob im Winter auf den Skipisten dieser Welt zwischen roten und blauen Toren.

Und auch im großen Interview, das der Salzburger zum Anlass nimmt, erstmals ausführlich über sein Verhältnis zum neuen Herren-Chef Mathias Berthold, die Probleme eines Ferrari auf Diesel und seine Erwartungen zu sprechen.

Außerdem klärt der 21-Jährige über seine Angst vorm weißen Hai auf und darüber, was er sich für den Skisport wünscht.

Frage: Der Countdown für den Weltcup-Auftakt in Sölden läuft. Merkst du schon, dass es bald wieder losgeht?
Marcel Hirscher: Im Sommer ist eigentlich relativ wenig Medieninteresse da, auch weil andere Sportarten im Vordergrund stehen. Aber jetzt geht es schön langsam wieder ans Eing'machte – und das ist ein super Gefühl.

Frage: Würdest du dir manchmal wünschen, dass im Sommer auch mehr Interesse da ist oder genießt du die Ruhe auch?
Hirscher: Schwer zu sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass im Sommer jeden zweiten Tag ein Termin ist. Aber ganz ohne ist auch nichts. Die Mischung muss einfach passen!

Frage: Apropos Mischung. Deine Mutter ist Holländerin. Wie hast du die Fußball-WM und den Durchmarsch des Oranje-Teams bis ins Endspiel verfolgt?
Hirscher: Ganz ehrlich: Am Anfang war ich sehr enttäuscht. Das war nicht so, wie ich meine ersten Weltmeisterschaften als kleiner Bub miterlebt habe. Dann gab es ein paar super Spiele und das dramatische Finale.

Frage: Spanien aus deiner Sicht ein verdienter Weltmeister?
Hirscher: Ich war schwer enttäuscht von der holländischen Mannschaft. Der Klassenunterschied war riesig. Ohne die rüden Attacken wäre es wahrscheinlich 5:0 für Spanien ausgegangen. Deshalb ist diese WM für mich auch kein sportliches Highlight geworden, das ich noch in zwanzig Jahren im Hinterkopf haben werde.

Frage: Du warst aber auch selbst sehr aktiv, zum Beispiel auf der Motocross oder in einem PS-Monster von Audi. Gehört das für dich dazu?
Hirscher: Unbedingt. Ich möchte möglichst viele neue Sachen erleben, da war dieser Sommer total cool. Ich war mit Audi beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans, was ein extrem schönes Erlebnis war. Aber was die Fahrer leisten, merkt man erst, wenn man selbst hinterm Steuer sitzt. Respekt vor der Leistung, weil ich war nach einer Viertelstunde in einem Tourenwagen durch.

Frage: Du hast im Sommer auch deine Premiere als Fallschirmspringer gegeben?
Hirscher: Ich habe eigentlich gedacht, dass ich ein wilder Hund bin. Aber da habe ich mich nach langer Zeit wieder einmal so richtig ang'schissen. Auf 4.000 Metern aus dem Flugzeug springen, das ist noch einmal eine andere Geschichte.

Frage: Aber was im Winter gilt, wird auch im Sommer nicht verändert: Marcel Hirscher gibt Gas und hat Spaß!
Hirscher: Freude und Spaß stehen bei mir an erster Stelle. Aber ich versuche es auch zu verbinden. Motocross zum Beispiel habe ich auch als Trainingseinheit umsetzen können. Die Tests haben gezeigt, dass das eigentlich ganz gut reinpasst.

Frage: Und die ÖSV-Trainer geben ihren Segen dafür?
Hirscher: Bis jetzt habe ich mir noch nicht weh getan, bin noch nicht einmal g‘scheit geflogen. Man ist ja auch immer selbst dafür verantwortlich, außer es springt dir ein anderer ins Kreuz. Aber grundsätzlich muss jeder sein Risiko selbst kalkulieren und wissen, wann man zum Beispiel bremst. Und die Trainer kann ich beruhigen: Motocross fahre ich mit einer gewissen Reserve!

Frage: Gibt es etwas, das noch auf deiner To-Do-Liste steht?
Hirscher:
Surfen wäre cool, das würde ich gerne probieren. Vielleicht verabschiede ich mich einmal für drei Wochen und mache das. Auf dem Surfbrett kann man extrem viel im Bereich Motorik und Koordination machen. Ein kleines Problem gibt es aber: Ich habe Angst vor Haien!

Frage: Wie das?
Hirscher:
Ich habe zu früh „Weißer Hai“ geschaut, damals mit einem Freund. Diese Melodie, das Dum-Dum-Dum-Dum, das wird nicht so schnell weggehen.

Frage: Was stimmt dich zuversichtlich, dass die ÖSV-Herren in diesem Winter wieder kraftvoll zubeißen wie der weiße Hai?
Hirscher:
Vielleicht weil sich die Schweizer schon zu sicher sind. Sie geben sich stark und selbstbewusst, was sie nach so einer Saison aber auch dürfen. Bei uns ist das Training gut verlaufen. Jetzt sind es noch zwei Wochen bis zum ersten Rennen, da wäre es gut, wenn wir gute Bedingungen haben und vielleicht noch ein, zwei Mal in Sölden trainieren könnten.

Frage: Wie ist deine Vorbereitung verlaufen, konntest du alle Kurse und Trainings mitmachen?
Hirscher:
Heuer zum ersten Mal. Ich habe wirklich keinen einzigen Tag gefehlt. Mal schauen, ob das viel Kraft gekostet hat oder ob das Skifahren besser geworden ist.

Frage: Wie groß war die Umstellung für dich von Herren-Chef Toni Giger auf Herren-Chef Mathias Berthold?
Hirscher: Man merkt schon einen Unterschied. Der Umgang ist lockerer geworden, nicht mehr so strikt. Das genaue Schema vom Toni (Giger, Anm.) war sehr erfolgreich, daran will ich auch gar nicht zweifeln. Aber mit dem Mathias ist es so, dass wir zum Beispiel auf Eishockey-Kurs waren und da spielt er mit. Und wenn du ihm eine mitgibst, sagt er nicht: Du Depp!, sondern lacht und teilt auch aus. Er war selbst Rennläufer und ist eher einer von uns!

Frage: Woran merkt man das, wie wirkt sich das für dich als Athlet aus?
Hirscher:
Unsere Interessen stehen wieder merklich im Vordergrund. Wenn einer sagt, dass er Bauchweh hat, dann ist das so. Es wird auf jeden individuell eingegangen, der Mathias hört sich alles an und setzt sich dann auch für einen ein.

Frage: Was hat sich sonst noch verändert?
Hirscher:
Die Quartier-Wahl zum Beispiel, aber auch das Essen. Es wird jetzt zum Beispiel auf die Schlaf-Qualität Rücksicht genommen. Ich habe zum Beispiel eine Hausstaub-Allergie. Wenn ich einen Teppichboden im Zimmer habe, schlafe ich einfach schlechter. Jetzt bekomme ich, wenn möglich, ein Zimmer ohne Teppich.

Frage: Und beim Essen?
Hirscher:
Wenn man einen Ferrari mit Diesel volltankt, wird er auch nicht funktionieren. Das sollte im Spitzensport auch nicht sein.

Frage: Also vieles neu und alles gut bei den ÖSV-Herren. Aber gab es am Anfang auch Skepsis?
Hirscher: Jein. Es war schon so, dass wir gesagt haben Damen-Trainer und hin und her. Aber es hat sich ganz im Gegenteil rausgestellt. Der Toni hat gewisse Vorstellungen gehabt und die vehement vertreten. Jetzt wird mehr auf die Bedürfnisse und Eigenheiten des Einzelnen eingegangen, was sehr, sehr positiv ist.

Frage: Lass uns ein bisschen in die Zukunft blicken: Wie hast du deinen Winter geplant, welche Disziplinen wirst du fahren?
Hirscher:
Ich mache mir da gar keine Gedanken. Sollten Slalom und Riesentorlauf einigermaßen gut funktionieren und ich mich gefestigt fühlen, dann mache ich, sofern die Zeit bleibt, auch Super-G-Training und fahre Super-G. Wenn ich mich nicht so wohlfühlen sollte oder Aufholbedarf habe, bleibe ich bei den technischen Disziplinen um dort meine Position halten zu können.

Frage: Vom Ski-Verband wurden in der jüngeren Vergangenheit die Allrounder forciert, um mehr potenzielle Gesamt-Weltcupsieger zu haben.
Hirscher: Ich lasse mir da nichts dreinreden! Was ich fahre, entscheide ich. Und ich bin der Meinung, dass du auch mit zwei starken Disziplinen um den Gesamt-Weltcup mitfahren kannst. Man muss es nicht unbedingt über die Masse machen.

Frage: Was ist im Bereich Material passiert, welche Erkenntnisse hast du an den Schneetagen gewonnen?
Hirscher: Im Slalom haben wir viel Zeit investiert und sind auch um einiges schlauer geworden. Mein Fahrstil hat sich wieder ein bisschen beruhigt, es schaut jetzt nicht mehr ganz so extrem aus. Jetzt sind wir gespannt, ob es das bringt, was wir uns erhoffen. Ob es wirklich funktioniert, kann man erst sagen, wenn man das Material auf Kunstschnee oder Eispisten testet.

Frage: Beim Material hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan, aber wie zufrieden bist du mit der Entwicklung des Skisports?
Hirscher: Der Skisport ist doch fad geworden, wenn ich das so sagen darf, aber er soll wieder dort hin, wo wir vor zehn Jahren schon waren. Und die Leistungen der Athleten sollen wieder mehr geschätzt werden. Weil wenn du in Schladming ausfällst, musst du dir noch anhören: Hej, du Arschloch! Das kann es nicht sein.

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