Am Mittwochabend wird die neu gebaute Skisprungschanze am Osloer Holmenkollen eröffnet. Als erste wird sich eine Frau vom Schanzentisch in die Tiefe stürzen: Annette Sagen, Norwegens erfolgreichste Skispringerin, gewann souverän eine TV-Abstimmung über das Recht auf den historischen Wiedereröffnungssprung.
Unfreiwillig geholfen hat ihr dabei die männliche Skisprung-Legende Björn Wirkola mit einem säuerlichen Kommentar: "Lasst die kleinen Mädels lieber warten." Danach rollten erst so richtig die Stimmen für die 25-jährige Sagen ein.
2008 wurde die alte Schanze abgerissen, nachdem sie der Internationale Ski-Verband FIS als nicht mehr zeitgemäß für die 2011 in Oslo anstehende Nordische Ski-WM eingestuft hatte. Für viele Norweger eine traurige Entscheidung, denn die von Oslo her gut sichtbare Anlage an den Hängen des Holmenkollen war ihnen seit den Olympischen Spielen 1952 als Wahrzeichen ans Herz gewachsen.
Hier hatte ab 1892 die erste größere Schanze der Welt mit einem Schanzenrekord von 21,50 Meter gestanden. Hier auch nahm 1922 und 1923 der damalige Kronprinz und spätere König Olav V. als Springer an den jährlichen Holmenkollen-Wettbewerben teil, die jedes Jahr Zehntausende zu einer Art Familienfest bei klirrender Kälte anlockten. An Olavs Teilnahme erinnert bis heute eine Bronzestatue des 1991 gestorbenen Regenten.
Und hier auch stellte der heimische Springer Tommy Ingebrigtsen 2006 mit 136 Metern den letzten Schanzenrekord auf der alten Anlage auf. Der K-Punkt lag bei 115 Metern, jetzt auf der neuen Schanze liegt er bei 120 Meter, und der Schanzenrekord dürfte nicht sehr lange halten. "Ich schätze mal, dass man den alten Rekord um zehn Meter schlagen kann", meint Schanzenchef Clas Brede Brathen.
Schon alle Rekorde geschlagen haben die Baukosten. Ursprünglich sollte die Schanze 600 Millionen Kronen (75 Mio. Euro) kosten, in der Zwischenzeit hat sich die Summe verdreifacht. In der Stadt hat das seit dem Startschuss 2006 für viel böses Blut gesorgt. Die wintersportversessenen Norweger, die während der Olympischen Spiele in Vancouver etliche Rekorde im "Olympia-Schauen" vor ihren Fernsehern aufstellten, dürften das Hickhack mit den Baukosten schnell vergessen. Die neue Anlage ist technisch vom Feinsten, kann jederzeit vollautomatisch mit Schnee eingedeckt und selbstredend das ganze Jahr über genutzt werden - im Sommer auf einer Keramikspur.
Nach Annette Sagen steigen am Mittwochabend auch die besten männlichen Springer aus Norwegen auf die neue Holmenkollen-Anlage. Anders Jakobsen und seine Mitstreiter können dann etwas für ihre Popularität tun, nachdem sie aus Vancouver bis auf Bronze im Mannschaftsspringen mit leeren Händen heimgekommen sind.
Mitte März steht dann am Holmenkollen mit dem Weltcup-Finale der Skispringer, Langläufer und Nordischen Kombinierer ein erstes internationales Highlight auf dem Programm.