Brisanter Besuch

Merkel auf heikler Mission in der Türkei

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Zwischen Berlin und Ankara herrscht Streit: Erdogan fordert türkische Schulen. Merkel ist dagegen. Als Symbol für Entspannungspolitik überreichte die deutsche Kanzlerin eine Friedenstaube.

Zu einem politisch brisanten Besuch ist die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag in der Türkei eingetroffen. In den vergangenen Tagen hatte es neuen Streit zwischen Ankara und Berlin um die Integration von Türken in Deutschland und um Merkels Ablehnung der von der Türkei gewünschten Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union gegeben. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan forderte die Gründung türkischer Gymnasien, was die deutsche Regierung ablehnt.

Besuch am Grab von Atatürk
Vor ihren politischen Gesprächen suchte Merkel das Mausoleum des Republik-Gründers Mustafa Kemal Atatürk auf, bevor sie von Erdogan und Staatspräsident Abdullah Gül empfangen wird. Am Abend wollte Merkel nach Istanbul fliegen. In der "Europäischen Kulturhauptstadt" 2010 trifft sie auch mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. zusammen. Der höchste Würdenträger der orthodoxen Christenheit hat wiederholt sein starkes Engagement für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei manifestiert.

Die Kanzlerin werde deutlicher als bisher für eine Annäherung der Türkei an die EU eintreten, berichtete die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" (Montag) unter Berufung auf Quellen im Kanzleramt. Merkels Idee einer "privilegierten Partnerschaft" sei lange missgedeutet worden als Ausrede, um eine EU-Vollmitgliedschaft Ankaras zu bremsen. Tatsächlich aber gehe es darum, die Türkei ungeachtet langwieriger Verfahrensfragen schon jetzt näher an Europa zu binden.

"Hass gegen die Türkei"
Erdogan hat im Streit um die von ihm geforderten türkischen Schulen in Deutschland nachgelegt. Unmittelbar vor Merkels Besuch kritisierte er während einer Reise in Libyen, wo er als Ehrengast am Gipfel der Arabischen Liga teilgenommen hatte, die Ablehnung seines Vorschlags. "Warum dieser Hass gegen die Türkei? Ich verstehe es nicht", sagte Erdogan mitreisenden türkischen Journalisten. "Das hätte ich von der Bundeskanzlerin Merkel nicht erwartet. Ist die Türkei ein Prügelknabe?"

Die Integrationsbeauftragte der deutschen Regierung, Maria Böhmer, hat sich unterdessen gegen türkische Gymnasien in Deutschland ausgesprochen. "Wir sollten uns dem Kern des Problems widmen und das heißt: Wer auf Dauer hier in Deutschland lebt, muss wirklich gut die deutsche Sprache beherrschen, um erfolgreich zu sein", sagte Böhmer am Montag im ARD-Morgenmagazin. Deutsche Schulen in der Türkei seien keine Rechtfertigung für die Einrichtung türkischer Gymnasien in Deutschland. Es gebe zudem bereits Schulen in Berlin und anderen Städten, in denen Türkisch unterrichtet werde, sagte die Politikerin.

Im Konflikt um das iranische Nuklearprogramm hat sich Erdogan ausdrücklich gegen Sanktionen und für weitere Gespräche mit Teheran ausgesprochen. Die bisher verhängten Sanktionen gegen den Iran seien wirkungslos geblieben, unterstrich der Premier im Gespräch mit dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Merkel hatte zuletzt verschärfte Sanktionen gegen Teheran verlangt.

Oppostion boykottiert Merkel-Besuch
Der türkische Oppositionsführer Deniz Baykal hat ein Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin abgelehnt. Der Vorsitzende der kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP) sagte der Zeitung "Vatan" (Montag), er werde an einem Empfang in der deutschen Botschaft in Ankara nicht teilnehmen.

Friedenstaube
Merkel überreichte Erdogan ein Geschenk mit Symbolkraft überreicht: eine Friedenstaube. Merkel übergab dem lächelnden Erdogan das Modell der weißen Taube, wie türkische Fernsehsender meldeten.

Die Taube aus Ton stammt von einer neunjährigen Schülerin aus Unna in Nordrhein-Westfalen und ist Teil einer Friedensaktion. In einem Brief erläuterte die Schülerin, dass der Empfänger der Taube diese auf ihrem "Weg des Friedens" weiterleiten soll. Merkel gab Erdogan auch die Mailadresse der Schule in Unna, damit der Ministerpräsident den Empfang der Taube bestätigen kann.

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