Tat angekündigt

Mutter-Mord: Psycho-Akte der Angelika D.

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Für großes Aufsehen sorgte der ÖSTERREICH-Bericht, dass die 14-jährige Angelika D. ihre Bluttat an der eigenen Mutter angekündigt hat.

Die grausige Tat einer jungen Schülerin (für die die Unschuldsvermutung gilt) schockt noch immer das ganze Land. Die 14-jährige Angelika D. hat am Montag Mama Svetlana (37) mit dem Messer erstochen – weil sie nicht mehr ins Internet durfte.

Wie ÖSTERREICH ausführlich berichtete, hat die Poly-Schülerin mit tschechischen Wurzeln ihre Tat bereits im November in ihrem Internet-Tagebuch angekündigt. Fritzl-Gutachterin Dr. Adelheid Kastner sagt zu ÖSTERREICH: „Klar ist, dass sie die Tat in ihrer Fantasie gehabt hat.“

Daraufhin entzündete sich eine Expertendiskussion, ob das Mädchen – das sagt, im Affekt gehandelt zu haben – nicht doch vorsätzlich zugestochen hat. „Die Frage ist, welches Delikt das Gericht und die beauftragten Psychiater feststellen“, sagt Strafrechts­experte Dr. Helmut Fuchs aus Wien. „Zu klären ist, ob es Mord, Totschlag oder Körperverletzung mit Todesfolge war.“ Aber: Ihr drohen laut Jugendstrafrecht auf jeden Fall bis zu zehn Jahren Haft.

Seit Mittwoch ist das Mädchen, unter ständiger Beobachtung (wegen Suizidgefahr) bis zum Prozess, in U-Haft in der Justizanstalt Josefstadt. Andreas Zembaty vom Täter- und Opferhilfeverein Neustadt: „Egal, wie viele Jahre sie ausfasst, sie wird auf jeden Fall ein Leben lang das Trauma mit Psychologen aufarbeiten müssen.“

14-Jährige tötet Mama – ihr Online-Tagebuch

Bereits gestern brachte ÖSTERREICH erste Auszüge aus den Hunderten Internet-Blogs von Angelika D., 14. Es sind Zeilen, die erschüttern. Jahrelang muss sich der Hass zwischen Mutter und Tochter aufgestaut haben. Immer wieder kam es zu Entladungen der Gewalt.

Das Mädchen schrieb ausschließlich in ihrer Muttersprache Tschechisch. In den von uns übersetzten, neuen Tagebucheinträgen gewährt das Mädchen weitere Einblicke in sein Seelenleben.

2. November 2008
Die damals 13-jährige Angelika D. beschreibt sich selbst als „Pessimistin. Die Schule verfluche ich. Jeder Trottel sagt, ich stinke und ich weiß nicht was noch … Ich weine unauffällig. Wenn ich heimgehe, dann heule ich und schreie, dass das Leben scheiße ist. Dann schließe ich mich in der Toilette oder im Bad ein, nehme die Schere und fahre mit ihr so richtig über den Arm … Seit ich ein Kind war, habe ich mich selbst verletzt, es beruhigt mich einfach. Ich habe zwar vernarbte Arme, aber ich erzähle, dass ich es vom Kaninchen habe …“

4. November 2009
Erstmals veröffentlicht sie in ihrem Blog die Abgründe zwischen ihr und Svetlana D. (37). Es fing mit einem Streit um Mutters Make-up an: „Ich habe sie beschimpft und angeschrien, dass sie eine Hure, eine F*** *und eine Schlampe ist (nichts Neues bei mir). Danach ist sie noch mehr ausgerastet und sie hat mich verprügelt. Es tut einfach gar nicht mehr weh … ich spürte es nicht, weil ich es gewohnt bin … Ich bin dann raus aus dem Haus und mir wurde klar: Es ist wirklich besser, von zu Hause wegzulaufen als dort bei ihr zu sein … Ich bin dann in den Wald, ich wusste gar nicht, wohin. Es war total matschig und nass, meine Schuhe waren vergatscht, es hatte drei Grad und ich hatte nur eine Weste an, aber ich konnte ja nicht wissen, dass ich heute weglaufen werde …“ Angelika fährt anschließend zu ihrem Papa Miroslav in die Firma. „Ich habe permanent geweint … Er hat mir dann gesagt, dass wir zu Hause reden werden, sein Chef wird in einer halben Stunde da sein und er muss seine Arbeit fertig machen … und ich soll die Mutter nicht beachten.“ Kaum daheim, geht der Streit bis hin zu ärgsten Handgreiflichkeiten wieder los: „Ich habe ihr gesagt, dass sie sterben soll, sie ist dann auf mich los. Im Wohnzimmer bin ich auf den Boden gegangen und sie schlug auf mich ein.“ Am Abend kam der Vater und gab dem Mädchen Geld, damit sie sich eigenes Make-up kauft und die Sachen der Mutter in Ruhe lässt.

10. November 2009
„Heute hab ich zu Hause wieder mit meiner Mutter gestritten. Sie wollte, dass ich meine Wäsche wasche, aber ich hatte keine Lust dazu. Ich wollte lieber im Internet surfen. Sie hat mich dauernd gefragt, wann ich endlich die Wäsche mache, und ich habe es immer um eine Stunde nach hinten verschoben. Später war sie schon so sauer, dass sie mir eine geschmiert hat und sie schrie mich wieder an … Dann habe auch ich angefangen, sie anzuschreien. Als ich sie angeschrien habe, riss sie mir mein Notebook aus den Händen, es fiel auf den Boden, sie machte es beinahe kaputt. Da wurde ich aggressiv und prügelte auf sie ein … lieber würde ich sie umbringen, wir haben uns dann „total“ gehauen, ich habe sogar auf sie gespuckt. Dafür hat sie mich total niedergeschlagen, während dessen habe ich sie „Hure“, „F**“ und so weiter geschimpft … Echt schade, dass ich kein Messer genommen habe, um ihren Hals aufzuschlitzen. Dann rief der Bruder beim Papa in der Arbeit an, dass wir uns hier umbringen und dass er schnell nach Hause kommen soll. Und jetzt ist er da … Als er gekommen ist, hat sich die Situation wieder halbwegs beruhigt. Ich verstehe es einfach nicht, ich ignoriere meine Mutter und sie lässt mich nicht in Ruhe. Sie soll mich in Ruhe lassen, oder? Ehrlich, ich verspreche, dass wenn das nochmals passiert, dann nehme ich das Messer und schneide ihren Hals durch, dann wird sie endlich krepieren und ich werde total megahappy sein … Dann werdet ihr mich hier niemals wiedersehen, oder besser gesagt, ich werde nie wieder hier herkommen, weil ich im Gefängnis sein werde, aber es ist 100-mal besser, als mit dieser Mutter zusammen zu sein, die am Leben ist …

Facebook
Hier hat die Schülerin, die in Wien den Polytechnischen Lehrgang besucht, einen Account. Sie ist Mitglied in Dutzenden Gruppen, z.B. bei „Ein echter Freund ist der, zu dem du sagen kannst: ‚Ich habe jemanden umgebracht!‘ Und der antwortet darauf: ‚Wo werden wir ihn vergraben?‘

Fritzl-Gutachterin Adelheid Kastner:
"Todes-Fantasie länge im Kopf"

ÖSTERREICH: Wie konnte es zu dieser Tat kommen?
Adelheid Kastner: Klar ist, die Pubertät ist eine schwierige Phase und die Konfrontation mit dem Elternhaus ein Teil davon. Es war sicherlich keine rational geplante Tat, sondern eine singuläre Situation, die eskaliert ist. Da war viel Eigendynamik im Spiel.
ÖSTERREICH: Was steckt hinter dieser schrecklichen Tat?
Kastner: Ich bin sicher, dass das Tatortbild schon länger in der Fantasie des Mädchens war. Früher gab es dafür das Tagebuch. Heute ist es das Internet. Die Fantasie war sicher nur ein Ventil, das dann wirklich explodiert ist. Sie hat in diesem Moment ihre kognitive Kontrolle verloren.
ÖSTERREICH: Was hätte die Mutter tun können?
Kastner: Die Frau hätte einfach einen Schritt zurückgehen sollen und deeskalieren.
ÖSTERREICH: Nach der Tat war sie angeblich völlig verstört …
Kastner: Da hat sie erkannt, dass Realität und Fantasie doch zwei verschiedene Paar Schuhe sind.

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