Analysten zum EU-Schutzschirm

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Die EU-Finanzminister haben am Wochenende einen Schutzschirm für hoch verschuldete Länder beschlossen. Zudem zeigte sich die EZB erstmals bereit Staatsanleihen zu kaufen. Marktanalysten und Volkswirte äußerten sich dazu in ersten Reaktionen wie folgt:

JÖRG KRÄMER, CHEFVOLKSWIRT COMMERZBANK: "Die Märkte sollten positiv reagieren, auch wenn die Euro-Zone sich von einer durch den Maastricht-Vertrag charakterisierten Währungsunion zu einer Transferunion gewandelt hat."

MICHAEL HEISE, CHEFVOLKSWIRT DER ALLIANZ: "Die Entschiedenheit, mit der sich die europäische Wirtschaftspolitik mit dem beschlossenen Rettungsschirm der in hohem Maße spekulativen Entwicklung an den Finanzmärkten entgegenstellt, ist zu begrüßen. Zunehmend drohte die Schuldenkrise Griechenlands zu einer Krise des Euro zu werden mit unabsehbaren Folgen für die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Europa. Aus ordnungspolitischer Sicht sind mit dem Maßnahmenpaket eine Vielzahl von Risiken verbunden, angesichts der potenziellen Folgen eines Nichthandelns ist die Entscheidung unter dem Aspekt der Güterabwägung aber vertretbar. (...) Ist der Wille zu finanzpolitischer Disziplin in der EU klarer als bisher ersichtlich, wird auch in den Märkten das Vertrauen in den Euro dauerhaft wiederkehren."

JÜRGEN MICHELS, VOLKSWIRT BEI CITIGROUP: "Das Paket signalisiert, die europäischen Entscheidungsträger (die Deutschen eingeschlossen) haben realisiert, dass die Stabilität der Währungsunion gefährdet ist. Im Gegensatz zu den vorherigen Maßnahmen in der Staatsschuldenkrise sind diese Maßnahmen mutig und umfangreich. (...) Unsicherheiten über die Umsetzung bleiben jedoch bestehen. Die neue EU-Kommissions-Fazilität erfordert die Zustimmung aller 27 Regierungschefs und könnte eine parlamentarische Zustimmung erfordern."

ANALYSTEN DER ROYAL BANK OF SCOTLAND IN EINEM KOMMENTAR: "Durch die Eingriffe der EZB werden sicher das Mandat und die Unabhängigkeit der Notenbank infrage gestellt. Wir sind aber davon überzeugt, dass die Maßnahmen notwendig sind, um den Teufelskreis, der zunehmend die Weltwirtschaft bedroht, zu durchbrechen."

KLAUS WIENER, ANALYST BEI GENERALI INVESTMENTS: "Die EU hat eine maßgebliche Entscheidung getroffen, um die spekulative Attacke gegen den Euro auszumerzen. Das sollte hinreichend sein, etwas Ruhe in den Markt zu bringen. Was getan wurde, ist spürbar. Es ist eine sehr starke Botschaft an den Markt, dass man einen Fall des Euro nicht zulassen will."

RALF UMLAUF, MARKTANALYST DER HELABA: "Nach der panikartigen Zuspitzung der Euro-Peripherie-Krise bleibt nur zu hoffen, dass nach dem Beschluss des gigantischen Rettungsschirmes zur Unterstützung des Euro in der neuen Woche wieder etwas mehr Beruhigung und Besonnenheit an den Märkten einkehrt." (...) "Ist dies die Trendwende? Die Märkte scheinen sich zumindest auf kurze Sicht beruhigt zu haben."

LUTZ KARPOWITZ, DEVISENSTRATEGE DER COMMERZBANK: "Mit dem Kauf von Staatsanleihen (...) kann die EZB die Ansteckungsgefahren für weitere Länder (insbesondere Portugal) zunächst effektiv bekämpfen. Der mit dieser Maßnahme verbundene Reputationsverlust der EZB sollte dabei nicht außer Acht gelassen werden, dürfte den Euro aber erst in der Zukunft belasten."

HEINO RULAND, MARKTANALYST VON RULAND RESEARCH: "Dies ist der Beginn einer 'Umverteilung-von-Einkommen'-Gesellschaft, welche erfolgreiche Volkswirtschaften der Region schwächt und die Volkswirtschaften stützt, die nicht in einer Position sind, die Konsequenzen aus dem Beitritt zur Europäischen Währungsunion zu tragen. Das wird das Wachstum in der gesamten Region auf längere Sicht schwächen, insbesondere weil die Interessen von nüchtern handelnden Wirtschaften wie Österreich, Belgien, Finnland, den Niederlanden, Luxemburg und Deutschland bei der Auflegung des EU-Hilfspaketes ignoriert wurden. Auf sehr kurze Sicht wird es helfen, die Risikoaufschläge gegenüber Bundesanleihen zu senken bei den Volkswirtschaften, die in den vergangenen Wochen und Monaten schlimm gelitten hatten. Die kurzfristigen Wirkungen wurden bereits sichtbar im asiatischen Handel."

MASAFUMI YAMAMOTO, DEVISENSTRATEGE VON BARCLAYS CAPITAL: "Das sieht nach Notlösungen aus zur Behandlung von Symptomen. Das ist nicht die Art von Maßnahmen, mit denen die Probleme an der Wurzel gepackt werden."

JAMES NIXON, ANALYST VON SOCIETE GENERALE: "Die überraschendste Entwicklung ist die Ankündigung, dass die EZB in den privaten und öffentlichen Kreditmarkt eingreifen wird, aber jede Intervention sterilisieren will. Das stoppt kurz vor dem Quantitative Easing und sieht eher danach aus, als ziele es auf den Kauf von Anleihen aus Peripherie-Staaten, wenn die EZB entscheidet, dass die Rendite zu hoch ist."

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