In der Affäre um die Kärntner AvW fordert der Grazer Anlegeranwalt Harald Christandl die Republik auf, für mögliche Versäumnisse der Aufsicht geradezustehen. Die Bundeswertpapieraufsicht (BWA) bzw. deren Nachfolgebehörde, die Finanzmarktaufsicht (FMA), wären aus seiner Sicht dazu verpflichtet gewesen, den Handel mit den AvW-Papieren zu unterbinden.
Da dies nicht geschehen sei, habe die Aufsicht jetzt für die Schäden der Anleger zu bezahlen, heißt in einem Schreiben, das Christandl der FMA sowie der Finanzprokuratur ("Anwalt der Republik") übermittelt hat. Indes können sich mutmaßlich geschädigte Genussscheinbesitzer ab sofort auf der Homepage des Vereins für Konsumenteninformation (VKI) beschweren.
Mit dem Schreiben hat Christandl ein sogenanntes amtshaftungsrechtliches Aufforderungsverfahren eingeleitet. Die Republik hat nun drei Monate Zeit für eine Stellungnahme. Für den Fall, dass sie die Haftung nicht übernimmt, was als so gut wie sicher gilt, will der Advokat eine Amtshaftungsklage vorbereiten, bekräftigte er gegenüber der APA.
Christandl, der bereits im Fall Meinl wegen angeblicher Versäumnisse der FMA vor Gericht gezogen ist, beruft sich auf das Gutachten von Fritz Kleiner. Dieser übt massive Kritik an der BWA. Dass die Aufsicht fragwürdige Vorgänge bei der AvW "weder näher untersuchte noch zur Anzeige brachte", entbehre "jeder juridischen Grundlage", schreibt der Sachverständige.
Auf dem Kleiner-Gutachten ergebe sich, dass den Behörden das Anlagemodell der AvW "sowie dessen Hintergründe von Anbeginn an bekannt waren und auch anstandslos genehmigt und toleriert wurden", schreibt Christandl, der rund 80 AvW-Kunden vertritt. "De facto" gelte jedoch, dass das AvW-Papier "praktisch wertlos ist und sich gerade die beworbene Kapitalgarantie als unrichtig herausgestellt hat". Die Aufsicht hätte in seinen Augen unverzüglich eingreifen müssen, "zumal bei entsprechender Transparenz ob der (...) Wertpapiere die Anleger freilich vom (...) Investment Abstand genommen hätten".
Christandl ruft daher die Republik auf, "die Haftung für sämtliche Schäden meiner Mandanten zu übernehmen, da diese aufgrund einer mangelhaften, rechtswidrigen, schuldhaften und schadenskausalen Finanzmarktaufsicht erlitten haben".
"Ordnungsgemäß und sorgfältig gehandelt"
Bei der FMA hieß es dazu auf APA-Anfrage: "Wir haben im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten ordnungsgemäß und sorgfältig gehandelt." Zu konkreten Vorwürfen in Amtshaftungsverfahren "ist es uns gesetzlich nicht gestattet, Stellung zu nehmen", sagte Behördensprecher Klaus Grubelnik.
In einem weiteren Brief an Finanzminister Josef Pröll (V) fordert Christandl die Errichtung eines "runden Tischs", zu dem auch potenzielle Haftungsträger wie die Republik oder Depotbanken eingeladen werden sollen. "Der Staat soll die Leute nicht durch alle Instanzen hetzen lassen", sagte er. Im Sinne der Prozessökonomie und des Vertrauens in den heimischen Kapitalmarkt könnte man einen "Hilfsfonds" für die besonders hart getroffene Genussscheininhaber installieren, regte Christandl an. Für Griechenland gebe man schließlich auch Milliarden aus.
Darüber, ob in der Causa AvW Anleger überhaupt eine Amtshaftungsklage einbringen können, sind sich Juristen noch uneinig. Mit Inkrafttreten des Bankenhilfspakets (Finanzmarktstabilitätsgesetz FinStaG) im Oktober 2008 ist nämlich die Haftung der Republik gegenüber Dritten, also Kunden, ausgeschlossen worden. Im Fall der AvW dürfte der Schaden aber vor diesem Zeitpunkt eingetreten sein. Was das jetzt für Amtshaftungsverfahren bedeutet, muss erst ausjudiziert werden.
Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) sammelt ab sofortBeschwerden von mutmaßlich geschädigten AvW-Anlegern. Besitzer von Genussscheinen der Kärntner Gesellschaft können ihren Fall auf der VKI-Homepage (www.verbraucherrecht.at) melden, bekommen Informationen zugesandt und können sich dann - gegen eine Gebühr von 20 Euro - dem Strafverfahren gegen AvW-Chef Wolfgang Auer-Welsbach als Privatbeteiligte anschließen. Das Angebot des VKI richtet sich an Kleinanleger, die über keine Rechtsschutzversicherung verfügen bzw. noch nicht geklagt haben. Durch den Anschluss an das Strafverfahren wird die Verjährungsfrist für mögliche Schadenersatzansprüche unterbrochen.