AWD will 2010 wieder schwarze Zahlen schreiben

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Der wegen des Verkaufs von Immofinanz-Aktien heftig in Kritik geratene Finanzdienstleister will 2010 wieder "in positives Fahrwasser", sagte Ralph Müller, Chef von AWD Österreich und CEE. 2009 wird für AWD "sicherlich ein Verlustjahr". Künftig will sich das Unternehmen seine Finanzberater besser aussuchen und sie länger ausbilden. Eine Änderung des umstrittenen Provisionssystems ist nicht angedacht.

Für die gesamte Neuausrichtung ließ Müller einen zweistelligen Millionenbetrag springen. Bei der Sammelklage des VKI beharrt der AWD noch immer darauf, alle Fälle einzeln prüfen zu wollen. Im 1. Halbjahr 2009 ist der Umsatz von AWD Österreich und CEE um fast die Hälfte auf 35,6 Mio. Euro eingebrochen. Nach 9 Monaten betrug der Rückgang rund 40 % auf knapp über 50 Mio. Euro. Genaue Österreich/CEE-Zahlen werden ab diesem Quartal nicht mehr bekanntgegeben.

Bis Jahresende wird sich "nichts Epochales tun", so Müller. Von Monat zu Monat generiere das Unternehmen aber wieder mehr Umsatz. Das "mit Abstand stärkste Standbein" sei die Altersvorsorge, die etwa 60 % des Umsatzes ausmacht.

"Noch auf kleiner Flamme", aber wieder im Kommen, seien Investmentfonds. Nächstes Jahr will AWD im Wertpapierbereich auf die sogenannte Core-Satellite-Strategie (sicheres Kerninvestment und risikoreichere Einzelposten) setzen. Heuer würden etwa 100.000 der insgesamt rund 300.000 AWD-Kunden einen neuen Vertrag abschließen, freut sich Müller.

Im Zuge der Turbulenzen beim Vertrieb von Immofinanz-Papieren sind dem AWD zahlreiche Berater abhandengekommen, seit einigen Monaten halte man aber bei 750. Neue (selbstständige) Mitarbeiter müssen künftig 18 statt 12 Monate in die AWD-eigene "Akademie" und danach die Prüfung zum gewerblichen Vermögensberater ablegen. "Damit sind wir strenger als das Gesetz", so Müller.

Derzeit laufen Bemühungen, die Finanzdiensleistungsassistenten (FDLA) abzuschaffen. Bisher konnten die "Keiler" ohne Nachweis von Finanzkenntnissen Wertpapiere verkaufen. Künftig sollen sie nur mehr als gewerbliche Vermögensberater oder als Wertpapieragenten tätig sein dürfen, wobei wohl auch letztere einen Befähigungsnachweis erbringen werden müssen.

Bei AWD arbeiten laut Müller schon jetzt 85 bis 90 % gewerbliche Vermögensberater. Die Neuen dürfen während ihrer Ausbildungszeit nur gemeinsam mit einem erfahrenen Kollegen zu Kunden und bekommen im ersten Jahr eine finanzielle "Starthilfe". Müller will die Zahl der Berater um 150 bis 200 erhöhen. Alle 2 Monate sollen etwa 30 Personen, die alle bei einem von rund 15 Vertriebsdirektoren vorstellig werden und ein Assessment-Center ablegen müssen, mit der AWD-Schule beginnen. Die Ausbildung lässt AWD vom Wifi Wien bewerten.

Abgeschlankt hat das Unternehmen auch in den oberen Etagen. Jetzt gibt es nur mehr 2 statt 6 Hierarchieebenen. Die Zahl der Führungskräfte wurde von 270 auf knapp 100 reduziert. Müller, der seit dem Sommer im Amt ist, blickt jedenfalls "mit einer ordentlichen Portion Optimismus in die Zukunft". Nach der Krise wird es bei den Kunden einen "massiven" Beratungsbedarf geben, hofft er. In den letzten 12-18 Monaten musste freilich fast jeder 3. Finanzdienstleister sein Geschäft einstellen, räumte der ehemalige Bank-Austria-Vorstand ein. Im ersten Quartal 2010 will die AWD-Mutter Swiss Life in Österreich mit Versicherungsprodukten auf den Markt.

Keine Änderungen bei Provisionen

Bei den Provisionen plant AWD "keine großen Veränderungen". Eine Honorarberatung sei zwar "schon ein Thema", aber "überhaupt nicht massenfähig". Die vor allem im Zusammenhang mit den Immofinanz-Papieren kritisierten Bestandsprovisionen will Müller nicht abschaffen. Dieses System sei "am Markt üblich. Ganz allein gegen den Strom schwimmen können wir auch nicht."

In puncto VKI-Sammelklage sieht der AWD-Chef seine "Hände ein wenig gebunden". Er pocht nach wie vor darauf, sich alle Fälle, bei denen es zu einer Fehlberatung gekommen sein könnte, individuell ansehen zu wollen. Eine pauschale Schadensabgeltung, wie sie der VKI verlangt, "können wir so nicht vertreten", so Müller zum wiederholten Male. Eine systematische Fehlberatung durch den AWD "sehe ich überhaupt nicht".

Dass ein Ex-AWD-Mann bei einer Kundin über 500 Unterschriften gefälscht haben soll, erscheint Müller "ein bisschen unplausibel". Neben den rund 2.500 mutmaßlich AWD-Geschädigten, die sich der VKI-Aktion angeschlossen haben, gebe es noch "ein paar hundert Fälle, wo es Beschwerden gibt", so Müller. Bei der ersten VKI-Klage ist jetzt der Richter am Zug. Dieser befindet schriftlich, ob er die Sammelklage überhaupt zulässt.

Der finanzielle Einbruch bei AWD Österreich hinterlässt auch in der Bilanz der deutschen Konzernmutter tiefe Spuren. In den ersten neun Monaten 2009 sind die Umsätze der Gruppe um 19,7 % auf 381,5 (475,2) Mio. Euro zurückgegangen. Operativ ist der Konzern weit in die roten Zahlen gerutscht. Nach einem EBIT von 35,8 Mio. Euro im Vorjahreszeitraum musste AWD von Jänner bis September 2009 ein Minus von 19,4 Mio. Euro hinnehmen. Neben der Region Österreich/CEE hat es auch in Großbritannien "deutliche Rückgänge" gegeben.

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