Eine brillante Seifenoper liefert T. C. Boyle in dem Roman „Die Terranauten“.
Acht Menschen verbringen zwei Jahre unter einer Glaskuppel. Das Essen im vermeintlichen Garten Eden wird knapper, die Luft dünner und die Spannung zwischen den Bewohnern größer. Darüber hat Amerikas Meistererzähler T. C. Boyle einen 600 Seiten dicken Roman geschrieben. Die Terranauten ist Seifenoper pur, brillant aus der Sicht von drei Personen erzählt, aber mit Fortdauer auch teilweise so zäh wie das Leben unter der Kuppel.
Spannungen im Team, sogar Sabotage
Die Vorlage für das neue Buch des US-Kultautors lieferte ein Experiment vor mehr als 20 Jahren in Arizona. Es sollte ein Test für das Leben auf dem Mars oder anderen Planeten werden. In dem futuristischen Projekt „Biosphere 2“, finanziert von einem Milliardär, wollten vier Männer und vier Frauen zwei Jahre lang völlig abgeschlossen von der Außenwelt überleben. Doch es scheiterte, zu häufig benötigten die Testpersonen Hilfe von außen; von Spannungen im Team, die schließlich sogar in Sabotage gipfelten, wurde berichtet.
Wie sie sich winden und drehen …
Boyle griff auf Fakten zurück, verfasste allerdings keinen Tatsachenbericht, sondern nutzte den Stoff unter Anwendung schriftstellerischer Freiheiten für eine amüsante Studie menschlichen Verhaltens. Die Geschichte wird von zwei Frauen – eine in der Kuppel, die andere wurde bei der Auswahl vorerst übergangen und gehört zum Außenteam – und einem Mann geschildert.
Motive. Alle drei schreiben ihre Erlebnisse und Handlungen sowie ihre Motive dafür nieder – wozu, das erfährt man nicht. Schnell wird klar, dass sich die Erzähler in erster Linie rechtfertigen wollen. Das hat schon seine Qualitäten, wie sie sich winden, drehen und das eigene Tun reinwaschen.
„Es ist witzig. Und very sexy“, meinte Boyle 2015 in einem APA-Interview über Die Terranauten. Und ja, Sex spielt eine beachtliche Rolle, wenn acht Menschen auf engstem Raum eine Art Leben im Paradies, hier „Ecosphere 2“ genannt, proben. In dem Buch hat das Folgen, die die Mission gefährden oder aber retten könnten und die Rivalität und Missgunst unter den Terranauten weiter befeuern. Zusätzlich schildert Boyle eine Art frühe Realityshow, inszeniert vom Sponsor des Projektes: Wie die Affen unter der Glaskuppel werden auch die Menschen begafft und beobachtet – allerdings folgen sie nicht ihrem Instinkt, sondern ihrem Geltungsdrang.
Die Luft wird oft dünn unterm Glas
Dirk van Gunsteren, der u. a. auch John Irving und Patricia Highsmith übersetzte, hat das Original makellos ins Deutsche übertragen. Dass den Leser mit Fortdauer der Geschichte das Geschehen zunehmend kalt lassen könnte, liegt nicht an ihm, sondern an der Handlung, die irgendwann so dünn wie die Luft unter dem Glas wird – im Gegensatz zum oft dick aufgetragenen Geschwafel der Protagonisten.