Ausgerechnet an jenem Tag, als in Österreich die ORF-GIS-Erhöhung um 8 Prozent durchgewunken wurde, hat die britische Regierung ein Ende der Rundfunkgebühren für die BBC angekündigt.
Das Timing könnte kaum schlechter sein: Ausgerechnet an jenem Tag, als in Österreich die ORF-GIS-Erhöhung um 8 Prozent durchgewunken wurde, hat die britische Regierung ein Ende der Rundfunkgebühren für die BBC angekündigt.
Kulturministerin Nadine Dorries kündigte am Wochenende an, die Axt am gebührenfinanzierten Geschäftsmodell anzusetzen. "Die Tage sind vorbei, an denen älteren Menschen mit Haftstrafen gedroht wird und Gerichtsvollzieher an Türen klopfen", twitterte sie mit Verweis auf ein häufig gehörtes, aber nicht zu belegendes Vorurteil. "Es ist vorbei für die BBC, wie wir sie kennen", zitierte die Zeitung "Mail on Sunday" einen "Verbündeten" von Dorries.
Beiträge sollen eingefroren werden
Die Beiträge von jährlich derzeit 159 Pfund (aktuell 190,40 Euro) sollen eingefroren werden - das würde den Sender mittelfristig Milliarden kosten. Und wenn das bisherige Gebührenmodell 2027 ausläuft, könnte es sogar ganz abgeschafft werden, legte Dorries nahe. Damit kratzt sie an Grundlagen: Die Beiträge in der Höhe von derzeit 3,2 Milliarden Pfund im Jahr sind mit Abstand der wichtigste Pfeiler für die Finanzierung. Begründet wird die Reform mit dem Aufstieg von Streamingdiensten wie Netflix oder Abo-Modellen wie YouTube. Die Folge: Tausende Jobs müssten gestrichen und mehrere Programme und Spartenkanäle dichtgemacht werden.
Doch Kritiker vermuten ganz andere Gründe für die jähe Attacke. Premierminister Boris Johnson wolle damit von seiner "Partygate"-Affäre um Lockdown-Feiern in seinem Amtssitz ablenken. Der Skandal sorgt seit Wochen für Schlagzeilen und hat Johnsons Beliebtheit massiv geschadet. Die Opposition und auch mehrere konservative Abgeordnete fordern seinen Rücktritt. Mit Spannung wird ein interner Ermittlungsbericht erwartet.
Die Opposition ist empört. Labour-Expertin Lucy Powell warf der Regierung "Kulturvandalismus" vor. "Dies ist Teil einer Ablenkungsstrategie, um allen außer sich selbst die Schuld zu geben", sagte Powell am Montag dem Sender Talk Radio. Diejenigen, die über Johnsons Regelbrüche berichten, sollten bestraft werden, während der Premierminister straffrei ausgehen wolle. Mehrere Tories hatten der BBC vorgeworfen, in der Affäre absichtlich negativ über Johnson zu berichten. Der Abgeordnete Michael Fabricant verglich die Berichterstattung sogar mit einem Umsturzversuch.
BBC musste sich für Skandal entschuldigen
Erst vergangenes Jahr musste sich die BBC für einen Skandal um das berühmte Interview mit Prinzessin Diana entschuldigen, in dem sie 1995 die Affäre ihres damaligen Mannes Prinz Charles mit Camilla Parker-Bowles offenlegte. BBC-Reporter Martin Bashir setzte gefälschte Dokumente ein, um Zugang zur Queen-Schwiegertochter zu erhalten. Später vertuschte die BBC das Fehlverhalten. Auch die Informationspolitik im Missbrauchsskandal des Starmoderators Jimmy Savile hatte für Schlagzeilen gesorgt. Nach seinem Tod 2011 kam heraus, dass Savile jahrelang Kinder und Jugendliche missbraucht hatte, unter anderem in den Räumen der BBC.
Trotz sinkender Einnahmen sah sich der Sender mit mehreren TV-Kanälen, Radiosendern und dem erfolgreichen Streamingdienst BBC iPlayer zuletzt wieder auf Kurs. Das liegt auch an einem umfassenden Sparprogramm. Tausende Jobs wurden nicht neu besetzt, die Gehälter berühmter Moderatoren wie Ex-Fußballer Gary Lineker deutlich gesenkt.
Die Regierung will sich offenbar eine Hintertür offen lassen. Kabinettsmitglied Nadhim Zahawi sagte dem Sender BBC Radio 4 am Montag, die Institution müsse unterstützt und beschützt werden. Klar sei aber auch, dass eine "erwachsene Unterhaltung" nötig sei, wie die BBC finanziert wird. Ein umfassender Umbau rückt näher.