Jörg Haider ist seit 14 Monaten tot – jetzt gewann er vor Gericht einen Prozess über sein Sex-Leben: Er darf nicht mehr „schwul“ genannt werden.
Sollte es je Zweifel darüber gegeben haben, ob der in Kärnten wie ein Heiliger verehrte Jörg Haider nach seinem Tod weiterlebt –jetzt ist es amtlich. Von der Ö3-Comedy-„Wolke 7“ herab gewann der tote Haider jetzt gleich drei Prozesse vor heimischen Gerichten. Österreichs Justiz erkannte in den Urteilen eindeutig: Auch der tote Haider darf nicht in seiner Ehre gekränkt und auf gar keinen Fall als „homosexuell“ bezeichnet werden.
Witwe Claudia gewinnt gegen „Bild“
Für den
Götter-Gatten war Witwe Claudia vor Gericht gezogen. Anlass war die medial
heftig diskutierte Bild-Story „Haiders Geliebter packt aus“, in dem ein
angeblich letzter Lebensgefährte des Kärntner Polit-Stars sein Sex-Leben und
die letzten intimen Stunden vor Haiders Tod outete. Witwe Claudia war
empört, bekundete öffentlich, Haider sei „ganz sicher nicht homosexuell“
gewesen – und kündigte „Klagen“ an. Noch im September machte die Landesmutti
Ernst, brachte gegen Bild eine Klage beim Landesgericht Graz sowie gegen
News und ÖSTERREICH, die Bild nur zitiert hatten, Klagen am Handelsgericht
Wien ein.
Bereits im Oktober erging das – bisher geheime – erste Urteil in Graz, am Mittwoch stellten auch die Handelsgerichte in Wien ihre Urteile zu.
Haider darf nicht „homosexuell“ genannt werden
Für
Haider wurde die Klage ein (zu) später Triumph. In Graz gewann er –
vertreten von seiner Witwe – gegen Bild auf der ganzen Linie. In einer
„einstweiligen Verfügung“ legte Richter Herbert Painsi ein für alle Mal
fest: „Die Behauptung und oder Verbreitung der Äußerung, Dr. Jörg
Haider wäre homosexuell gewesen und/oder Dr. Jörg Haider wäre bisexuell
gewesen und/oder Dr. Jörg Haider hätte vor seinem Tod einen Geliebten gehabt
und/oder sinngleiche Äußerungen sind in Zukunft zu unterlassen.“
Das Urteil wurde Bild als „einstweilige Verfügung“ zugestellt und ist damit sofort gültig. Jeder einzelne Verstoß kann künftig mit einer Exekution von bis zu 100.000 Euro pro Tag und Verstoß geahndet werden.
In der Begründung erkannte Richter Painsi, die Bild-Enthüllungen seien „ehrenrührig“, würden Haider ein „unehrenhaftes und gegen die guten Sitten verstoßendes Verhalten“ vorwerfen und ihn in der „Öffentlichkeit verächtlich machen und herabsetzen“. Die Frage, ob Haider tot sei, sei dabei nicht relevant – es gebe einen „postmortalen Persönlichkeitsschutz“.
Witwe zahlte für Klagen 10.000 Euro
In Wien wurde Haider von
der Justiz ähnlich rigoros heilig gesprochen. Hier wurden News und
ÖSTERREICH vom Handelsgericht Wien mit einer fast gleichlautenden
„einstweiligen Verfügung“ belegt – weil sie Bild zitiert hatten.
Damit steht fest: Niemand darf in Österreich künftig dem toten Jörg Haider gleichgeschlechtliche Gelüste unterstellen – auch der Kellner, der sich als Haider-Lover outete, ist künftig eine „persona non grata“. Auch er darf seine Liebes-Memoiren nicht mehr ungestraft verbreiten. Ob das Urteil in den nächsten Instanzen hält, ist fraglich.
"Öffentliches Interesse"?
Sowohl Bild – als auch
News und ÖSTERREICH – werden gegen die „einstweilige Verfügung“ berufen.
Letztendlich werden das OLG Wien oder gar der Menschengerichtshof in
Straßburg entscheiden, ob die – von einem Lebensgefährten behauptete –
Homosexualität eines Politikers von „öffentlichem Interesse“ oder
„schützenswerte Intimsphäre“ ist.
Triumphiert hat vorerst die streitbare Witwe. Während Haider zu Lebzeiten erste Berichte über sein Sex-Leben nie geklagt hat, hat sie mit ihrem Antrag auf einstweilige Verfügung gesiegt. Freilich mit einem Wermutstropfen: Sie selbst hat alle Klagen auf den Schutz ihres eigenen Persönlichkeitsbereiches, die sie auch eingebracht hatte, verloren. Das Gericht kam zur Ansicht, der Vorwurf der Homosexualität würde nur Haider „beleidigen“ – nicht aber seine Ehefrau. So muss die Witwe nun alle Kosten der Verfahren tragen: Bisher mehr als 10.000 Euro, bis zur letzten Instanz wohl mehr als 50.000 Euro !