Ein 54-Jähriger kam mit fünf Messern zum Tatort im 3. Bezirk in Wien. Laut Gutachten ist der Mann aufgrund ausgeprägter paranoider Schizophrenie zurechnungsunfähig. Das Opfer schildert den blanken Horror. Der kommt in die Forensik.
Wien. Am Donnerstag wurde am Landesgericht gegen jenen Angreifer verhandelt, der im Februar die Mitarbeiterin einer Anwaltskanzlei niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hatte. Die 56-Jährige überlebte 16 Messerstiche, davon zehn in den Brust- und Bauchbereich und einen ins Gesicht nur knapp. Ursprünglich hatte der Mann, der mit insgesamt fünf Messern zum Tatort gefahren war, sogar vor, auf zwei Angestellte der Kanzlei loszugehen.
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Der 54-Jährige war zum Tatzeitpunkt einem psychiatrischen Gutachten zufolge zurechnungsunfähig und damit nicht schuldfähig. Der Expertise zufolge handelte der Mann, der seit Februar 2024 von der Kanzlei in Form einer Erwachsenenvertretung in finanziellen Belangen betreut wurde, unter dem Einfluss einer ausgeprägten paranoiden Schizophrenie. Die Erkrankung war vor fast 30 Jahren diagnostiziert worden. Er nahm dagegen zuletzt keine Medikamente ein und ließ sich auch anderweitig nicht behandeln.
"Er muss hinter Gittern therapiert werden!"
Aufgrund der festgestellten Zurechnungsunfähigkeit wurde der Angreifer nicht wegen versuchten Mordes angeklagt. Stattdessen beantragte die Anklagebehörde gemäß § 21 Absatz 1 StGB die - zeitlich unbefristete - Unterbringung des Mannes in einem forensisch-therapeutischen Zentrum. "Er ist hochgefährlich. Er muss hinter Gittern therapiert werden. Sorgen Sie dafür, dass so etwas nie wieder passiert", appellierte die Staatsanwältin an die Geschworenen. Und warnte eindringlich: Infolge der maßgeblichen, schwerwiegenden und nachhaltigen psychischen Störung des 54-Jährigen seien sonst in absehbarer Zukunft weitere mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen zu erwarten.
Das Schwurgericht hat noch am Donnerstag im Grauen Haus die zeitlich unbefristete Unterbringung des psychisch kranken, nicht schuldfähigen Mannes in einem forensisch-therapeutischen Zentrum angeordnet. Die Unterbringung im Maßnahmenvollzug sei "alternativlos", stellte der vorsitzende Richter fest. Die Entscheidung ist bereits rechtskräftig.
Die niedergestochene 56-Jährige "hat einfach Glück gehabt und überlebt", stellte die Staatsanwältin fest. Der Mann hätte ihr in die Lippe, zehn Mal in die Brust und den Bauch und fünf weitere Male in Arme und Beine gestochen. Sie hatte ihm bis zum Tag der Tat vier Mal Geld ausbezahlt, wobei das jeweils im Innenhof der Kanzlei abgewickelt wurde.
Der 54-Jährige sei da nie aggressiv gewesen, schilderte das Opfer im Zeugenstand. Am 3. Februar war das anders, als der Mann kurz vor 12.00 Uhr in der Kanzlei erschien und 200 Euro haben wollte. Die 56-Jährige schickte ihn unter Verweis auf die Mittagspause weg, "weil ich zwischen 12.00 und 14.00 Uhr nichts auszahlen kann. Er hat gesagt, er wartet schon seit einer Viertelstunde und war natürlich nicht sehr erfreut", erinnert sich die Frau. Um 15.00 Uhr erschien der Klient dann wieder und verlangte nunmehr 400 Euro. Als sie ihm diese Summe nicht geben wollte, "hat er so reagiert, als ob ihn das sehr wütend machen würde", gab die Zeugin zu Protokoll, die auf ihren Wunsch hin in Abwesenheit ihres Peinigers aussagte.
"Funkeln in den Augen und zum Angriff übergegangen"
Der Mann habe den Anwalt sprechen wollen, sie habe ihm erklärt, dafür brauche es einen Termin. "Da hat er ein Funkeln in den Augen gehabt und ist zum Angriff übergegangen", schilderte die Frau das weitere Geschehen, das teilweise von einer im Innenhof angebrachten Überwachungskamera aufgezeichnet wurde. Nach einem Faustschlag in ihr Gesicht fiel die 56-Jährige rücklings gegen eine Mauer, stürzte zu Boden und kam im Stiegenhaus zu liegen, das zur im Obergeschoß gelegenen Kanzlei führt.
"Das Nächste, was ich gesehen habe, war, dass er das Messer gezogen hat. Ich hab' mir in dem Moment gedacht, was mach ich jetzt. Ich war verhältnismäßig ruhig und habe versucht, den Stichen auszuweichen. Dann habe ich relativ laut um Hilfe gerufen", erinnerte sich die Kanzlei-Mitarbeiterin. Exakt 49 Sekunden vergingen vom Faustschlag bis zum Zeitpunkt, als der Angreifer von ihr abließ. "Er hat einfach aufgehört", berichtete die 56-Jährige. Der Mann habe "Das hast jetzt davon, du Hure" gesagt und sei gegangen.
Der lebensgefährlich Verletzten gelang es, sich ohne fremde Hilfe in die Kanzlei zu schleppen, wo dann die Rettungskette in Gang gesetzt wurde. Dank rascher ärztlicher Hilfe kam die Frau mit dem Leben davon, die eigenen Angaben zufolge bereits wieder im Berufsleben steht. "Ich war bis zum 18. März im Krankenstand", hielt sie fest.
Mann hatte "fünf Messer hergerichtet"
Die Einvernahme des 54-Jährigen war dadurch gekennzeichnet, dass er die an ihn gerichteten Fragen kurz und knapp beantwortete und infolge ausgeprägten Nuschelns mitunter kaum zu verstehen war. Er sei "schon a bissl verärgert" gewesen, als er zu Mittag heimgeschickt wurde. In der Kanzlei habe es immer wieder "Schwierigkeiten, das kann man so sagen" gegeben, daher habe er zu Hause "fünf Messer hergerichtet". Vier Messer habe er in eine Tasche gegeben, ein weiteres in die Brusttasche seiner Jacke.
Als er wieder an der Örtlichkeit an der Landstraßer Hauptstraße war, "hätt' ich gern klar mehr Geld g'habt". Auf das Verhalten der 56-Jährigen hin "fing' ich an voll auszuzucken". Er habe das Messer in der Brusttasche "ausgesucht", weil damit "Überlebenschancen für das Opfer" bestanden hätten, behauptete er.
"Was haben Sie geglaubt, was ihr passieren kann?", wollte der vorsitzende Richter wissen. "Gar nichts", erwiderte der Mann, "es hat keine Gedanken gegeben. Ich war in so einer Wut drinnen."