U-Bahn-Schubser

So rechtfertigt sich der Elektriker

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Frau vor U-Bahn gestoßen, weil er "leicht verärgert" war.

Ein 51 Jahre alter Elektriker, der am 5. Jänner 2013 knapp vor Mitternacht eine 36-jährige Kenianerin nach rassistischen Beschimpfungen in der U-Bahnstation Taborstraße in Wien-Leopoldstadt auf die U-Bahn-Geleise gestoßen hatte, ist am Donnerstag im Straflandesgericht wegen schwerer Körperverletzung zu einem Jahr bedingter Haft verurteilt worden. Die mitangeklagte Ehefrau des Mannes, der die Anklagebehörde Unterlassung der Hilfeleistung unterstellte hatte, wurde freigesprochen. Beide Entscheidungen sind nicht rechtskräftig.

Der 51-jährige Elektriker hatte in seiner Einvernahme erklärt, er sei "leicht verärgert" gewesen. Daher habe er die Frau auf die U-Bahn-Geleise gestoßen: "Das hab' ich falsch gemacht. Ich wollt', dass sie ein bissi weg ist, dass ich Luft holen kann."

Der Mann war am 5. Jänner mit seiner Ehefrau, einer gebürtigen Russin, zunächst Punschtrinken und dann längere Zeit in einem Gasthaus gewesen. Als sie um 23.40 Uhr mit der U2 nach Hause fahren wollten, trafen sie am Bahnsteig mit zwei Kenianerinnen zusammen, wovon eine telefonierte.

Zu lautes Telefonat
Nach dem Geschmack des Elektrikers und seiner Frau offenbar zu laut. Sie baten die beiden Frauen, leiser zu sein, wobei unbeteiligten Ohrenzeugen zufolge zwischen der Russin und den Kenianerinnen ein Wortgefecht entbrannte, in dessen Verlauf nicht mit Schimpfwörtern gegeizt wurde . Die Frau des Elektrikers wurde demnach "Schwein" und "Hure" genannt, während die Russin rassistische Kraftausdrücke gebrauchte. Ihr Mann soll in diesem Stadium noch versucht haben, mäßigend auf die 38-Jährige einzuwirken.

"Ich hab' nur gesagt, sie sollen schauen, dass sie weiterkommen und dass wir eine Ruhe haben wollen", gab der 51-Jährige nun vor Gericht zu Protokoll. "Irgendwann bin ich angespuckt worden. Und dann hab ich ihr einen Stoß versetzt. Es war ein Reflex", erzählte er. Vorher habe er der 36 Jahre alten Kenianerin noch "mit der flachen Hand gegen den Kopf geschlagen, dass ich eine Ruh' krieg". Er habe die Frau nicht verletzen wollen: "Ich wollt' nur Abstand gewinnen von ihr. Ich wollt nicht, dass sie runter fällt." Er sei "erschrocken, wie sie über die Kant'n g'flogen ist", habe "Angst gekriegt" und sei daher nach Hause gelaufen.

Notstopp-Taste
Während er sich seiner Aussage zufolge dort "versteckte", blieb seine Ehefrau zurück. Die Begleiterin der auf die Geleise gestürzten Frau, die dabei einen Bruch des Fersenbeins erlitt, hielt sie nämlich am Tatort fest. Die Verletzte konnte nicht mehr selbst auf die Plattform zurückklettern. Da ein geistesgegenwärtiger Augenzeuge die Notstopp-Taste drückte, blieb der Zug rechtzeitig in der Station Schottenring stehen und die Kenianerin konnte von Zeugen des Geschehens geborgen werden. Sie soll dabei neuerlich von der Russin aufs Übelste beschimpft worden sein.

Gegen den Mann war ursprünglich wegen versuchten Mordes ermittelt worden. Angeklagt wurde er wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung. Für Richterin Gerda Krausam war aber auch keine Absichtlichkeit gegeben: "Das Ziel, eine schwere Körperverletzung herbeizuführen, war nicht nachweisbar." Der Mann habe sich "in einer Stress-Situation befunden", konstatierte die Richterin.

Der Ausgang des Strafverfahrens sorgte für lautstarke Proteste einiger dunkelhäutiger Prozessbeobachter. "Das ist Mordversuch! Keine Körperverletzung!", riefen mehrere Aktivisten nach der Urteilsverkündung. Bereits während der Verhandlung hatten zwei dunkelhäutige Beobachter mit Zwischenrufen auf die in ihren Augen nicht ausreichende Anklage aufmerksam gemacht und für bedrohliche Situationen gesorgt. Die Richterin bat daraufhin telefonisch die Justizwache um Unterstützung, während die beiden den Gerichtssaal verließen.

Zum Prozessfinale waren mehrere Beamte der WEGA zugegen, die die zwei Aktivisten nicht mehr in die Nähe des Gerichtssaals ließen. Die beiden platzierten sich darauf in einiger Entfernung hinter einer Brandschutz-Türe, hielten Transparente in die Höhe ("Mordversuch! Keine Körperverletzung! Wir suchen Gerechtigkeit!") und protestierten mit lautstarken Unmutsäußerungen gegen das Urteil.

Während der Elektriker seine einjährige Bewährungsstrafe annahm, meldete Staatsanwältin Dagmar Pulker dagegen volle Berufung an. Sie war weder mit der rechtlichen Qualifikation der Richterin noch mit dem Strafausmaß einverstanden. Auch gegen den Freispruch für die mitangeklagte Ehefrau des 51-Jährigen legte Pulker Rechtsmittel ein.

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