ÖVP-Strategie

ÖVP nennt Team und denkt über Neuwahl nach

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Ein überraschendes Team präsentierte die ÖVP für die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ. Schüssel-Vertraute dominieren.

Dienstag 16.00 Uhr, Bunkerstimmung in der ÖVP-Zentrale in der Wiener Lichtenfelsgasse. Die ÖVP-Vorstände verweigern jedes Statement im Vorfeld ihrer Sitzung. Niemand will sich äußern, wie es jetzt in der ÖVP weitergehen soll.

Der einzige, der laut ausspricht, wie dieser Tage in der ÖVP die Stimmung ist, ist der steirische VP-Landesparteiobmann Hermann Schützenhöfer: "Die überwiegende Mehrheit der steirischen Funktionäre ist gegen eine Große Koalition", so Schützenhöfer im Vorfeld der Parteisitzung.

Pröll nicht im Team
Dann die Überraschung: Nach einer knapp 90minütigen Sitzung präsentiert ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel "sein" Team für die Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ. Nicht dabei: Der potenzielle Vizekanzler und Favorit in der Schüssel-Nachfolge: Landwirtschaftsminister Josef Pröll. Er wird in einer sogenannten " Perspektivengruppe" neue Zukunftsideen für die ÖVP entwickeln, aber nicht mit der SPÖ verhandeln.

Team "Schüssel"
Allerdings finden sich im Schüssel-Team die engsten Vertrauten des Partei-Chefs:

Finanzminister Karl-Heinz Grasser soll die wichtigen Budget-, Steuer- und Pensionsfragen ausverhandeln. An einer Großen Koalition kann er nicht interessiert sein, denn für die SPÖ gilt er als rotes Tuch. Mit Augenzwinkern wird Grasser in ÖVP-Kreisen schon als möglicher Vizekanzler genannt - Schüssel könnte ihn ins Spiel bringen, um die SPÖ zu reizen.

Die Schüssel-Vertrauten Maria Rauch-Kallat und Ursula Plassnik sind ebenso im Team wie sein wichtigster Partner in der ÖVP, Klubobmann Wilhelm Molterer.

Außerdem hat Schüssel die zwei Landeshauptleute Erwin Pröll und Josef Pühringer ins Team geholt. Beide sind Befürworter einer Großen Koalition, haben aber in den nächsten Jahren Landtagswahlen zu schlagen und hätten im Land Vorteile, wenn die ÖVP nicht als Junior in einer Regierung stecken würde.

Einziger echter Großkoalitionär ist ÖAAB-Chef und Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer. Denn Hermann Schützenhöfer, der dritte VP-Landeschef im Team, hat seine Vorbehalte gegen die Große Koalition lautstark artikuliert.

Rätselraten über Strategie
Nach dem ÖVP-Parteivorstand begann also das große Rätselraten, welches Ziel Wolfgang Schüssel nun anstrebt. Wie ist es möglich eine Große Koalition anzupeilen, den möglichen Vizekanzler Josef Pröll dabei aber nicht zum Mitverhandeln bewegen zu können?

Denn - so heißt es aus dem Pröll-Umfeld - der Landwirtschaftsminister sei zwar zum Verhandeln eingeladen worden, habe aber dankend abgelehnt. In dem jetzt installierten Perspektiventeam soll Josef Pröll offenbar ein Schattenteam und eine Strategie für eine völlige Erneuerung der ÖVP ausarbeiten.

Neuwahl-Gründe
Das beinharte Verhandlerteam kann als Signal ausgelegt werden, dass die ÖVP kein Interesse an einer Großen Koalition hat. Zwei triftige Gründe für Neuwahlen werden hier von ÖVP-Strategen genannt: Die Standpunkte zwischen ÖVP und SPÖ seien zu weit voneinander entfernt. Und die ÖVP habe es in 14 Jahren Großer Koalition erfahren, wie sehr sie als Juniorpartner leidet.

Bei Neuwahlen gäbe es für die ÖVP eine Chance: "Dann kommen Wähler, die am 1. Oktober zuhause geblieben sind, wieder. Dann ist alles offen - bis hin zur rot-grünen Mehrheit."

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