Interview

Gusenbauer: 'Will jeden Tag verhandeln'

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SPÖ-Chef Alfred Gusenbauer will nach dem rot-schwarzen Hickhack der vergangenen Tage in den Koalitionsverhandlungen das Tempo erhöhen.

ÖSTERREICH: Sie kommen gerade zurück aus Portugal. In Ihrer Abwesenheit gab es wiederholt Kritik seitens der ÖVP, Sie seien im Ausland statt zu verhandeln.
ALFRED GUSENBAUER: Derartige Kommentare qualifizieren sich von selbst. Ganz Österreich hat gesehen, wer verhandeln wollte, oder? Die Wahrheit ist, dass die ÖVP eine Verhandlungsrunde pro Woche wollte, immer am Mittwoch. Und wir haben diesem Wunsch entsprochen. Ich glaube allerdings, dass es günstiger wäre, mehr Verhandlungstermine zu machen. Das hat die ÖVP immer abgelehnt.

ÖSTERREICH: Umstritten ist aber vor allem Ihre Teilnahme am Treffen der Sozialistischen Internationale.
GUSENBAUER: Es hat zwei Punkte gegeben. Erstens, dass nächste Woche der Europäische Rat tagt, an dem natürlich Wolfgang Schüssel teilnehmen wird. Und zum Zweiten habe ich darum ersucht, dass wir in der vergangenen Woche am Montag oder Dienstag verhandeln, weil ich am Mittwoch nach Portugal zum Kongress der Europäischen Sozialdemokraten fliegen muss.

ÖSTERREICH: Die Auslandsreisen waren mit der ÖVP also abgesprochen?
GUSENBAUER: Ja. Es ist daher außerordentlich verwunderlich, dass dann derartige Kommentare gemacht werden. Aber ich bin der Meinung, man muss in die Zukunft schauen. Und daher schlage ich vor, wenn sie rascher verhandeln wollen, dann machen wir das. Dann verhandeln wir halt ab kommendem Montag jeden Tag.

ÖSTERREICH: Haben sie diese Beschleunigung auch schon mit der ÖVP besprochen?
GUSENBAUER: Jede Woche mache ich das zum Thema. Jede Woche! Ich werde Schüssel anrufen und ihm das noch einmal vorschlagen. Und nachdem die ÖVP sich ja so in der Öffentlichkeit äußert, werde ich sagen: "O.k., ich nehme Euch beim Wort. Ab Montag jeden Tag!“

ÖSTERREICH: Schüssel hat zuletzt gemeint, die ÖVP sei nicht abgewählt worden, sondern habe nur weniger Zuspruch erhalten.
GUSENBAUER: Also können wir uns einmal darauf einigen, dass es in Österreich am 1. Oktober Wahlen gegeben hat. Können wir uns zum Zweiten darauf einigen, dass bei dieser Wahl die derzeit im Amt befindliche Regierung, bestehend aus ÖVP und BZÖ, gemeinsam 38 Prozent erzielt hat. Können wir zum Dritten festhalten, dass die ÖVP über acht Prozent der Stimmen verloren hat. Das ist der stärkste Stimmenverlust, den eine Kanzlerpartei in der Geschichte der Zweiten Republik erlitten hat.

ÖSTERREICH: Bleiben Sie bei Ihrem Ziel, dass die neue Regierung bis Weihnachten stehen soll?
GUSENBAUER: Wenn man jeden Tag verhandelt, dann wird man bis Weihnachten auch fertig, ja. Bisher hab ich den Eindruck gewonnen, die ÖVP will bis Weihnachten nicht fertig werden.

ÖSTERREICH: Sie hoffen, dass Sie als Kanzler in die Weihnachtsferien gehen können?
GUSENBAUER: Es geht nicht darum, als was ich in die Weihnachtsferien gehe (lacht).

ÖSTERREICH: Können Sie sich vorstellen, warum die ÖVP nicht fertig werden möchte bis Weihnachten?
GUSENBAUER: Ehrlich gesagt, ich betreibe bei der ÖVP keine Motivforschung.

ÖSTERREICH: Was muss geschehen, damit bis Weihnachten eine Regierung stehen kann?
GUSENBAUER: Es muss erkannt werden, was die Menschen am 1. Oktober zum Ausdruck bringen wollten. Wenn sich die ÖVP auf den Standpunkt stellt: Es muss alles so bleiben, wie es ist, dann wird nichts herauskommen.

ÖSTERREICH: Bis wann wollen Sie sich hinhalten lassen?
GUSENBAUER: Ich habe die ÖVP ernst genommen und habe gesagt: O.k., wenn die ÖVP bereit ist an einer Koalition mitzuarbeiten, bin ich bereit, das zu verhandeln.

ÖSTERREICH: Besteht nicht das Risiko, dass weitere Verzögerungen auch Ihrem Image schaden?
GUSENBAUER: Die Menschen haben einen ganz gegenteiligen Eindruck, nämlich dass die ÖVP nichts verändern will. Ich brauch ja nur meinen Fuß hier am Flughafen auf den Boden setzen, da kommen die ersten Leute schon zu mir her und sagen "Hören Sie, wieso geht da mit der ÖVP nichts weiter?“ Und die nächsten kommen und sagen "Lassen Sie sich von denen ja nicht über den Tisch ziehen, weil das ist ja so arg, was da passiert.“

ÖSTERREICH: Noch einmal: Wann muss das Finale kommen? Andreas Khol meinte, die Verhandlungen seien gerade erst im Präludium.
GUSENBAUER: Ich operiere nicht mit Drohungen. Und ich kommentiere nicht Leute, die nicht einmal am Verhandlungstisch sitzen.

ÖSTERREICH: Aber gibt es einen Endpunkt?
GUSENBAUER: Es ist ja Stillstand, es ist absolute Stagnation eingetreten in dieser Regierung. Da muss man sich im Klaren sein, dass irgendwann der Zeitpunkt erreicht ist, wo man dann fragt, gibt es jetzt eine neue Regierung oder nicht.

ÖSTERREICH: Und wann ist dieser Zeitpunkt erreicht?
GUSENBAUER: Das werde ich zum gegebenen Zeitpunkt sagen.

ÖSTERREICH: Kommen wir zu Inhalten. Seitens der ÖVP werden Teileinigungen wie bei der Grundsicherung jetzt wieder in Frage gestellt.
GUSENBAUER: Das muss sich die ÖVP ausmachen. Wenn sich Minister Bartenstein mit Erwin Buchinger auf ein Modell geeinigt hat, dann ist es zwar richtig, dass das in der Hauptgruppe erst entschieden werden muss. Aber wir machen es uns selbst nur schwerer, wenn wir Dinge, die in den Untergruppen bereits fix sind, in der Hauptgruppe noch einmal in Frage stellen.

ÖSTERREICH: Buchinger hat jetzt auch mit einem Solidaritätszuschlag für höhere Pensionen aufhorchen lassen. Das richtet sich doch gegen die ÖVP und ihr wohlhabendes Beamten-Klientel?
GUSENBAUER: Das ist ein Teil des umfassenden Pensionskonzepts der SPÖ. All jene Pensionisten sollen einen Solidaritätsbeitrag leisten, die eine höhere Pension beziehen als die Höchstpension des ASVG. Das sind relativ wenige Personen, zum Beispiel Spitzenpolitiker. Diese Top-Pensionen wird es in Zukunft ohnehin nicht mehr geben.

ÖSTERREICH: Wofür werden die Einnahmen verwendet?
GUSENBAUER: Wir sind dafür, dass der Pensionsreform, die dramatische Kürzungen für Einzelne gebracht hat, die Giftzähne gezogen werden.

ÖSTERREICH: Ist eine Umstrukturierung des Sozialsystems nur möglich, wenn man neue Einnahmen erschließt?
GUSENBAUER: Österreich ist in den letzten Jahren in eine soziale Schieflage gekommen. Das Land wird zwar immer reicher, aber der Reichtum ist immer ungerechter verteilt. Daher haben sich die Menschen gewünscht, dass es hier eine stärkere soziale Balance gibt, das geht bis hin zur Pensionsgerechtigkeit.

ÖSTERREICH: Wie sollen die Verhandlungen in diesem Klima weitergehen können. Jeder Vorschlag einer Seite wird von der anderen gleich zurückgewiesen.
GUSENBAUER: Es ist aber so, dass die SPÖ Vorschläge macht und die ÖVP lehnt ab.

ÖSTERREICH: Was halten Sie für die schwersten Brocken in den Verhandlungen mit der ÖVP?
GUSENBAUER: Man muss sich zunächst der schwierigen Budgetlage bewusst werden. Da hat der Finanzminister in der Tat ein schweres Erbe hinterlassen, das offensichtlich von Tag zu Tag schwerer wird. Deshalb müssen alle Maßnahmen überprüft werden, ob sie einen Beitrag für Wachstum und Beschäftigung leisten. Das Ziel einer Regierung muss sein, dass etwa die 15-Jährigen nicht auf der Straße stehen, sondern dass sie eine Ausbildung, oder einen Schulplatz haben. Das zweite ist eine Bildungsreform, bei der es mehr Chancen gibt für die Kinder und Jugendlichen von mehr Ganztagsschulen bis zum freien Zugang zu den Unis. Wir brauchen auch eine Korrektur der sozialen Schieflage in Österreich und ein Gesundheitssystem, das auf gesunden Beinen steht.

ÖSTERREICH: Ehrgeizige Pläne. Aber wie soll das alles finanziert werden? Gerade hat IHS-Chef Bernhard Felderer vor neuen Schulden gewarnt?
GUSENBAUER: Sparpotenziale gibt es genügend. Es wird eine große Staats- und Verwaltungsreform geben. Wie viel die am Ende des Tages dann bringen wird, wage ich noch nicht zu beziffern. Unsere Verwaltung muss effizienter werden.

ÖSTERREICH: Das hätte vor fünf Jahren jemand genau wortgleich sagen können.
GUSENBAUER: Dazu soll es ja eine große Koalition geben. Das ist ja eine der wenigen politischen Situationen, wo es zu einer Staatsreform kommen kann. Wenn man so will, ein Mondfenster für eine Reform, über die seit ewigen Zeiten geredet wird.

ÖSTERREICH: Wie viel kann damit eingespart werden?
GUSENBAUER: Ich will nicht spekulieren, da geistern die unterschiedlichsten Schätzungen durch die Gegend.

ÖSTERREICH: Die Defizite der staatseigenen Asfinag und der ÖBB dürften auch sehr schwere Brocken werden.
GUSENBAUER: Schön langsam kommt da ja die Wahrheit ans Licht. Bis jetzt ist so getan worden, als wäre bei den Staatsfinanzen alles in Ordnung. Jetzt sehen wir: Es gibt offensichtlich Schulden, die außerbudgetär sind, für die aber der Staat die 100-prozentige Haftung hat. Schulden, die bei der Asfinag oder bei der Bahn liegen. Die muss letzten Endes der Bund bewältigen. Das sind jetzt 18 Milliarden Euro, die bis 2010 auf 28 Milliarden Euro anwachsen könnten. Und ich weiß nicht, welche Wahrheiten da noch ans Tageslicht kommen werden.

ÖSTERREICH: Sie erwarten noch weitere Hiobsbotschaften?
GUSENBAUER: Alles deutet darauf hin, dass da ein relativ schweres Erbe hinterlassen wird, weil sozusagen neben dem normalen Defizit in Zeiten der Hochkonjunktur außerbudgetär auch noch einiges vorhanden ist.

ÖSTERREICH: Können Sie sich unter diesen Voraussetzungen vorstellen, dass Finanzminister Grasser bleibt?
GUSENBAUER: Vereinbart ist, dass Ressortfragen am Ende der Verhandlungen geklärt werden. Ich nehme daher alle möglichen Inserate zur Kenntnis, aber ich kommentiere sie nicht.

ÖSTERREICH: Zurück zur Asfinag. Ein Weg aus den Schulden könnte eine Pkw-Maut bringen.
GUSENBAUER: Ich halte das für keinen guten Vorschlag, dass die Pendler für das büßen sollen, was andere angerichtet haben.

ÖSTERREICH: Wie stehen Sie da zur ÖBB. Ist da eine Totalreform nötig nach dem Krach der vergangenen Woche?
GUSENBAUER: Wir haben dort Handlungsbedarf, es gibt dort enorme Schulden und offensichtlich große Probleme in der Abstimmung des Unternehmens. Das haben wir in den letzten Wochen nachvollzogen. Daher wird sich jeder neue Verkehrsminister mit Sicherheit anschauen müssen, wie die Bahn zu reformieren ist.

ÖSTERREICH: Sie haben seit einigen Wochen ja den Eurofightervertrag zur Einsicht, was ist damit geschehen?
GUSENBAUER: Ich habe ihn gelesen. Es steht natürlich nicht drin, ob er korrekt zustande gekommen ist.

ÖSTERREICH: Sie haben den Vertrag aber noch?
GUSENBAUER: Er liegt in meinem Tresor.

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