Im zerstörten Bagdad

Kurz auf Anti-ISIS-Mission im Irak

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Ausenminister Sebastian Kurz will sich vor Ort ein Bild von der Lage machen.

Wenige Minuten vor dem Landeanflug sieht man eine große, zunächst schwarze, dann weiße Rauchwolke aufsteigen. Unter uns ist gerade eine Bombe explodiert – wieder sterben Menschen. Die ISIS-Terrormiliz befindet sich nur 20 Kilometer vom Flughafen Bagdad entfernt und beschießt auch immer wieder Passagierflugzeuge. Die Gefahr in diesen Minuten war auch Außenminister Sebastian Kurz klar, als er gestern Vormittag gemeinsam mit dem deutschen Vorsitzenden des außenpolitischen Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok, in den sonntäglichen Morgenstunden in der irakischen Hauptstadt landete. Deshalb wurde der Besuch auch bis zuletzt geheim gehalten.

In Bagdad ist die Ausnahmesituation überall spürbar. Fast täglich finden hier Selbstmordattentate statt. Alle paar Meter befinden sich Checkpoints mit schwer bewaffneten Militärs. Neben unserem Konvoi fahren immer wieder offene Pick-ups mit Soldaten mit AK-47. Immer wieder werden Autos nach Bomben durchsucht. Viele der Soldaten sind maskiert – aus Angst erkannt zu werden, aus Furcht vor Rache.

Heute im Kurdengebiet und bei Jesiden-Flüchtlingen
Außenminister Kurz ist hier, um sich ein Bild der Gefahrenlage zu machen: „Es geht um Solidarität, aber auch um unsere eigene Sicherheit. Die Attentate in Paris haben gezeigt, dass Syrien, Irak und die Gefahr von ISIS ganz nah sind“, sagt er ÖSTERREICH.

Die Republik sei „bewusst Teil der politischen Anti-ISIS-Koalition“ und wolle auch weitere humanitäre Hilfe leisten, versicherte Kurz auch bei seinem politischen Treffen mit Iraks Präsident Fuad Masum und seinem irakischen Amtskollegen. EU-Polizisten sollen in Bagdad Iraker ausbilden, bekräftigt Kurz einen Vorschlag von EU-Außenministerin Federica Mogherini.

Der Präsidentenpalast liegt in der Red Zone – ein Gebiet, das man eigentlich meiden sollte. Neben den ISIS-Angriffen bekriegen sich im Irak auch weiterhin sunnitische und schiitische Milizen unerbittlich.

Früher sah man in Bagdad viele Frauen mit offenem Haar und modernen Kleidern. Heute sehen wir nur vier Frauen mit Niqab in mehreren Stunden. Im Stadtbild überall Fotos von Ayatollah Khomeini, von Hisbollah-Führer Nasrallah, von schiitischen Kämpfern. „Das ist ein Hohn für jeden sunnitischen Iraker“, sagt ein Sunnit ÖSTERREICH. Die „hatten früher gegen uns Krieg geführt“.

Viele ehemalige Offiziere der Armee von Saddam Hussein haben sich den ISIS-Schlächtern angeschlossen. Ihr Hass ist zu groß. Die Saddam-Nostalgie ist in Bagdad überall spürbar.

Am Abend sollte es dann nach Erbil in den Nordirak weitergehen. Hier will Außenminister Kurz heute neben Kurden-Präsident Masud Barzani auch das Flüchtlingscamp Baharka besuchen. Tausende von Christen und Jesiden, die vor den ISIS-Schlächtern fliehen mussten, sind hier untergebracht.

Kurz im Interview "Terror hat uns längst erreicht"

ÖSTERREICH: Was ist das Ziel Ihrer Irak-Reise?
Sebastian Kurz: Es ist eine Reise, die ich eng mit EU-Außenministerin Federica Mogherini abgestimmt habe. Einerseits geht es darum, sich ein Bild der Gefahrenlage in Bagdad zu machen und unsere politische Unterstützung im Kampf gegen ISIS zu zeigen. Und wir wollen als EU auch die humanitäre Hilfe verstärken. Millionen von Menschen aus Syrien mussten flüchten. Auch im Irak haben viele alles verloren.

ÖSTERREICH: Und, wie groß ist die Gefahr auch für uns?
Kurz: Die Attentate in Paris haben gezeigt, dass Syrien und Irak eben nicht weit weg sind, sondern uns längst erreicht haben. Daher ist es umso wichtiger, hier zu sein und den Menschen zu helfen. Das ist auch in unserem Interesse.

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