Inflationspaket

ÖVP will mehr Familienbeihilfe und Pflegegeld

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ÖVP-Chef Molterer will 550 Millionen Euro für das Anti-Inflationspaket ausgeben. Auch SPÖ-Vorschläge greift er plötzlich auf.

ÖVP-Chef Wilhelm Molterer hat am Donnerstag seine Vorschläge zum Teuerungsausgleich vorgestellt. Angesichts der hohen Inflation tritt jetzt auch er für mehr Familienbeihilfe ein. Außerdem plädiert Molterer für eine gestaffelte Anhebung des Pflegegeldes, die abhängig von der Pflegestufe drei bis sieben Prozent ausmachen soll. Für öffentliche Verkehrsmittel soll es ein bundesweit gültiges "Österreichticket" geben. Insgesamt belaufen sich die Kosten für seine Vorschläge auf 550 Mio. Euro.

Familienbeihilfe 13 x
Bei der Familienbeihilfe möchte Molterer eine 13. Monatsrate für alle in Ausbildung befindlichen Kinder (von sechs bis max. 25 Jahre) einführen. Kostenpunkt: 190 Millionen Euro jährlich. Noch im April hatte er die Forderung der SPÖ nach einer Anhebung der Familienbeihilfe abgelehnt.

Beschluss nach der Wahl
Molterer will nun mit der SPÖ verhandeln. Ein rückwirkender Beschluss über die höhere Familienbeihilfe könnte der erste Beschluss des Nationalrats nach der Wahl sein, hofft der ÖVP-Chef. Erstmals ausgezahlt werden soll die 13. Monatsrate noch im Herbst.

Pflegegeld anpassen
Beim Pflegegeld schlägt Molterer eine Anhebung um drei Prozent für die ersten zwei Pflegestufen, um fünf Prozent für die Stufen drei bis fünf sowie um sieben Prozent für die Stufen sechs und sieben vor. Die Kosten dafür beziffert der Finanzminister mit 86 Millionen Euro.

Pflegemodell ausbauen
Dazu plädiert er für den Wegfall der Vermögensgrenze und eine höhere Förderung bei der 24-Stunden-Betreuung zu Hause. Der Zuschuss soll bei selbstständigen Pflegern auf 500 Euro verdoppelt und bei angestellten Pflegern von 800 auf 1.000 Euro aufgestockt werden - gemäß dem Vorschlag von Parteikollege und Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger hatte zuletzt 350 bis 530 Euro für selbstständige und 1.200 Euro für angestellte Pfleger vorgeschlagen.

"Österreich Ticket"
Das "Österreich Ticket" soll so aussehen: Eine Jahreskarte für sämtliche öffentlichen Verkehrsmittel soll für Erwachsene 1.490 Euro kosten (für Pensionisten 1.190 und für Jugendliche und Behinderte 990 Euro). Der Bund würde das Projekt mit 100 Mio. Euro unterstützen.

Steuerreform trotzdem möglich
"Ich verspreche mit diesem Paket nicht mehr, als ich halten kann", versicherte Molterer. Die Kosten von 550 Millionen Euro seien für das Budget verkraftbar, ohne die - nach wie vor für 1. Jänner 2010 geplante - Steuerreform im bisher geplanten Volumen von 2,7 Mrd. Euro zu gefährden.

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Wettbewerb schärfen
Außerdem will Molterer der Inflation mit einem schärferen Wettbewerbsrecht zu Leibe rücken und der Bundeswettbewerbsbehörde neben Ermittlungen auch Entscheidungen erlauben. Zudem sollen die Wettbewerbshüter des Wirtschaftsministeriums mit dem Kartellanwalt des Justizministeriums vernetzt und irgendwann zusammengelegt werden. Die Fusion von Wettbewerbsbehörde und Kartellanwalt war zuletzt am Widerstand der SPÖ gescheitert.

Fordern und Reden
Von den Gemeinden fordert Molterer einmal mehr einen "Gebührenstopp", mit den Energieversorgern möchte er über einen "Strompreisstopp" sprechen. Außerdem sollen ÖBB und Asfinag ihre 60 bis 70 Tankstellen für die Allgemeinheit öffnen, schlägt er vor. Gesprächsbereit ist der ÖVP-Chef auch über "gute Vorschläge" gegen die Mietpreiserhöhung. Die von der SPÖ geforderte Anhebung des diesbezüglichen Grenzwertes von fünf auf zehn Prozent lehnt er aber ab, weil damit zwar ein späterer, aber noch sprunghafterer Anstieg der Mieten erfolgen würde.

SPÖ verhalten positiv
SPÖ-Chef Werner Faymann freut sich über die Idee mit dem "Österreich-Ticket", weist aber darauf hin, dass ÖBB und Verkehrsministerium sowieso schon seit Monaten daran arbeiten. Es habe nur die Zustimmung Molterer für die Finanzierung gefehlt.

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ist bereit, mit der ÖVP über eine höhere Familienbeihile zu reden. Eine entsprechende Familienförderung sei schon im Koalitionspakt festgeschrieben worden. Die Aufstockung müsse aber für alle gelten, die Familienbeihilfe beziehen.

SPÖ-Sozialminister Erwin Buchinger freut sich über das "Einschwenken" Molterers beim Pflegegeld, fordert aber mehr. Mit der Erhöhung von nur drei Prozent für die Pflegestufen 1 und 2 werde für die Hälfte der Bezieher, fast 200.000 Menschen, nicht einmal die Inflationsrate abgegolten.

Grüne finden's mickrig
Bei Grün, Blau und Orange herrscht Kritik vor. Der Grüne Wirtschaftssprecher Werner Kogler findet die 500 Mio. Euro-Entlastung "mickrig" und fordert eine Steuerreform mit Gegenfinanzierung über Vermögenssteuern. Derzeit agiere Molterer nach dem Motto "Gib den Armen jetzt wenig, damit 2010 genug für die Reichen bleibt".

Blaue kritisieren "Pharisäer"
FPÖ-Familiensprecher Norbert Hofer kritisiert Molterer als "Pharisäer", weil er noch im April die Anhebung der Familienbeihilfe abgelehnt hatte. "Bei Pater Willi liegt der Verdacht nahe, dass seine plötzliche Großmütigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Umfragetief seiner Partei steht", so Hofer.

Orange gegen Brosamen
BZÖ-Chef Peter Westenthaler sieht in den schwarzen Ankündigungen einen "kleinen Tropfen auf den heißen Stein". Der Finanzminister speise einige wenige Bevölkerungsgruppen mit Brosamen ab, und die Mehrzahl der Österreicher schaue durch die Finger.

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