Vor der Abstimmung im Parlament erging an alle 183 Abgeordneten ein Offener Brief gegen die Messenger-Überwachung. Unterzeichnet von über 40 nationalen und internationalen NGOs.
Mit einem offenen Brief an alle Nationalratsabgeordneten wollen einige österreichische und internationale NGOs die "Gefährder-Überwachung" verhindern. Das Gesetz soll beim Nationalratskehraus von Mittwoch bis Freitag beschlossen werden. Die über 40 Unterzeichner - neben Datenschutz-Organisationen wie epicenter.works auch Greenpeace und die Katholische Aktion - appellieren, gegen das Gesetz zu stimmen. Es sei ein "historischer Rückschritt für die allgemeine Sicherheit".
"Sicherheitslücken bleiben absichtlich offen"
Kritisiert wird in dem Schreiben insbesondere die fehlende unabhängige Kontrolle, da sich nach dem aktuellen Entwurf das Innenministerium "selbst kontrollieren" würde. Zudem sei eine gezielte Überwachung von Messenger-Diensten technisch nicht möglich, ohne das gesamte Gerät anzugreifen. Dadurch "wird der Staat selbst zum Hacker, Sicherheitslücken blieben absichtlich offen - mit Folgen für alle Nutzer:innen, von kritischen Infrastrukturen bis hin zu Privathaushalten." In anderen Ländern habe das bereits zur Folge gehabt, dass Krankenhäuser, Züge und Mobilfunknetze lahmgelegt wurden.
Spionagesoftware gegen Opposition in EU-Staaten
Besonders bedroht seien zudem Journalisten, Aktivistinnen, Wissenschafterinnen und oppositionelle Kräfte. In Spanien überwachte der Geheimdienst etwa mithilfe der Spionagesoftware "Pegasus" die Mobiltelefone von katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern, Journalistinnen, Aktivisten und sogar Regierungsmitgliedern. In Griechenland wurden im sogenannten "Predatorgate"-Skandal Politiker und Journalisten systematisch überwacht. In Polen kam "Pegasus" gegen fast 600 Personen zum Einsatz, darunter Oppositionelle und Juristen. "Diese Vorfälle stehen exemplarisch dafür, wie schnell der Einsatz solcher Überwachungstechnologien demokratische Strukturen untergräbt", heißt es in dem Brief.
Abstimmungsverhalten unklar
Die Messenger-Überwachung schaffte es als Forderung der ÖVP ins Regierungsprogramm. Nach koalitionären Unstimmigkeiten ob der Verfassungstauglichkeit - insbesondere die NEOS hegten Zweifel - einigte man sich letztlich doch auf einen Gesetzesentwurf. Noch offen ist, ob die Regierungsparteien diesen im Nationalrat geschlossen abnicken - kündigten doch die NEOS-Mandatare Stephanie Krisper und Nikolaus Scherak an, dagegen votieren zu wollen. Mit dem Brief, unterzeichnet von Organisationen u. a. aus der Türkei, den USA und der Ukraine, erhoffen sich die NGOs, weitere der 183 Abgeordneten für ihre Sache zu gewinnen.
Grüne und FPÖ alarmiert
FPÖ und Grüne haben vor der letzten Nationalratssitzung vor der Sommerpause Kritik an Regierungsvorhaben geübt. Einig war man sich bei der Messenger-Überwachung - diese sei eine "Überwachungsfantasie der ÖVP", so Grünen-Chefin Leonore Gewessler und FPÖ-Verfassungssprecher Michael Schilchegger.
Die Messenger-Überwachung bringe "keinen Mehrwert an öffentlicher Sicherheit, sondern weniger", kritisierte Schilchegger am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Das Problem liege dabei weniger auf der rechtlichen als auf der technischen Seite. Denn die Schadsoftware lasse sich nicht einschränken, sodass sie nur auf Nachrichten und nicht auf alle Daten auf dem Endgerät zugreife. Zudem lasse sie Sicherheitslücken bewusst offen, die von Dritten ausgenutzt werden könnten. Außerdem wäre keiner der bisherigen islamistischen Terroranschläge dadurch verhindert worden.
Ähnliche Kritik äußerten die Grünen. In anderen Ländern - und zwar europäischen Rechtsstaaten - seien etwa Journalisten oder Oppositionspolitikerinnen überwacht worden, sagte Digitalisierungssprecher Süleyman Zorba, der NEOS und SPÖ vorwarf, "in Rekordtempo umgefallen" zu sein. An Chatverläufe könne man über Hausdurchsuchungen kommen. Wird die Messenger-Überwachung für Gefährder am Mittwoch in ihrer aktuellen Form beschlossen, werden die Grünen eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) prüfen, stellte Zorba fest.