Hans Peter Doskozil mit 53% zum neuen SPÖ-Chef gewählt. Andreas Babler erhielt 46,8%.
Hans Peter Doskozil wird neuer Vorsitzender der SPÖ und damit auch Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl. Am außerordentlichen Parteitag in Linz erhielt er 53 Prozent der Stimmen, 46,8 Prozent votierten für Gegenkandidat Andreas Babler. Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner war nicht mehr angetreten, nachdem sie bei der Mitgliederbefragung hinter Doskozil und Babler nur Platz drei errungen hatte. Sie blieb dem Parteitag fern. Insgesamt wurden 601 Stimmen abgegeben, gültig waren 596 Stimmen. 316 der Delegierten wählten Hans Peter Doskozil, 279 Stimmen entfielen auf Andreas Babler. Also deutlich knapper, als ursprünglich viele erwartet hatten.
Doskozil holte Babler als Zeichen der Versöhnung auf die Bühne
In seiner Siegesrede, bei der er anfangs fast nicht zu seiner Stimme fand, zeigte sich Doskozil "überwältigt". "Es ist auch mein Lebenstraum, an der Spitze der Sozialdemokratie stehen zu dürfen." Seinen unterlegenen Widersacher Babler bat er auf die Bühne, es gab einen Handshake und eine flüchtige Umarmung, was bei den Delegierten für Jubel und Standing Ovations sorgte. Doskozil dankte dem "lieben Andi" umgehend dafür, dass er zu diesem "symbolischen Schritt des aufeinander Zugehens" bereit gewesen sei.
Doskozil schließt Koalition mit FPÖ und ÖVP aus
Die weiteren Ziele sparte er nicht aus. Er wolle die SPÖ zum "Non plus ultra für die nächsten Wahlen machen". Und auch ein Versprechen gab der burgenländische Landeshauptmann gleich ab: "Es wird, sollten wir die Wahl gewinnen, möglicherweise Erster werden, es wird keine Koalition mit der Freiheitlichen Partei geben." Die FPÖ habe die Bevölkerung gespalten, ob beim Asyl- oder beim Coronathema: "Das geht sich nicht aus."
Und auch für die Volkspartei gab es eine Absage. "Auch das will ich in Angriff nehmen: Keine Koalition mit der ÖVP." Er habe diese im Burgenland und im Bund erlebt, mit allen Tricksereien immer nur am Machterhalt interessiert. "Wir öffnen ihnen jetzt nicht mehr die Tür. Wir müssen so stark werden, dass wir diese Dreierkoalition schaffen", sagte er zur von ihm angestrebten Regierung aus SPÖ, Grünen und NEOS.
Der Wahlgang hatte rund eine Stunde in Anspruch genommen. Davor waren die jeweils 45-minütigen Reden der beiden Vorsitz-Anwärter mit großem Beifall und teils stehenden Ovationen aufgenommen worden. Besonders Babler gelang es, mit einer pathetischen, lautstark vorgetragenen Rede die Delegierten zu begeistern.
Wenig Begeisterung bei Doskozil-Rede
Doskozil, Sieger der Mitgliederbefragung, war als erster zu der auf 45 Minuten beschränkten Vorstellungsrede angetreten. Er versprach, dass seine Stimme auch in Zukunft funktionieren werde und er die Umsetzung sozialdemokratischer Politik in den Mittelpunkt stellen wolle.
Gleich zu Beginn rekurrierte Doskozil auf den SPÖ-Säulenheiligen Bruno Kreisky, dessen Bild er in seinem Büro hängen habe. Oft habe er sich gefragt, was Kreisky heute sagen würde, angesichts all der Diskussionen und Wahlergebnisse. Für ihn sei die Partei und deren Ergebnisse am wichtigsten, aber auch der Kampf um Inhalte: "Man kann fragen, ob es richtig ist, ihn auf diese Art und Weise zu führen", sagte Doskozil: "Aber er ist zu führen."
Einmal mehr unterstrich er, dass es um die Erwartungen der Bevölkerung an die Sozialdemokratie gehe. Ob Entlohnung, Mietpreise, Gesundheitsversorgung, Pflege oder Migration: "Es gibt genug Themen, die wir aufgreifen müssen, wo von uns als Partei des Volkes, als Partei des kleinen Mannes und der kleinen Frau erwartet wird, dass wir sie vertreten, dass wir ihren Interessen dienen."
Beim Thema Mindestlohn versuchte Doskozil einmal mehr, die gegen ihn wegen seines burgenländischen Alleingangs zürnende Gewerkschaft zu befrieden. Man könne doch akkordiert vorgehen und den Sozialpartnern signalisieren: "Einigen wir uns kollektivvertraglich, weil sonst gibt es einen verrückten Burgenländer, der setzt den Mindestlohn um". Bei Pflege und Gesundheit wiederholte er seine Absagen an Profit und Ärztekammer-Macht, in der Frauenpolitik pochte er auf Kompetenz statt Quoten.
Standing Ovations für Babler
Babler sparte wie in seiner gesamten Kampagne nicht mit Pathos, als er ein "unglaubliches Comeback der Sozialdemokratie" ankündigte. Sein Programm werde Träumerei genannt: "Träumer, das ist nur ein anderes Wort für Sozialdemokrat." Sei nicht auch ein Gemeindebau ein Luftschloss gewesen, "bis wir ihn gebaut haben"?
Wie ein SPÖ-Programm unter ihm aussehen könnte, skizzierte Babler umfassend. Eine neue Vermögensbesteuerung machte er zur Koalitionsbedingung. Mehr Lohntransparenz will er, um endlich gleichen Lohn für Frauen zu erreichen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist für ihn eine Selbstverständlichkeit: "Weil wir es uns verdient haben." Ebenfalls ins Programm gehören Mietpreisdeckel und Leerstandsabgabe.
Auch die Ausländerpolitik ließ Babler nicht aus, als er einen leichteren Zugang zur Staatsbürgerschaft forderte. Zudem betonte er, dass es zusätzliche Arbeitsmigration brauche, freilich ohne begleitendes Sozialdumping. Verlassen will sich Babler da auf die Gewerkschaft, die er mehrfach adressierte und ob ihrer historischen Verdienste würdigte. Emotional wurde der Bürgermeister auch, als er von 350.000 armen oder armutsgefährdeten Kindern sprach: "Allen Kindern alle Rechte."
Hervorgehoben wurde von Babler, dass er mit den Streitigkeiten der vergangenen Monate und Jahre in der Partei nichts zu tun habe: "Ich bin nicht Teil dieser Auseinandersetzung." Er wisse, wie notwendig es sei, heute wieder zusammenzufinden. Dass er allenfalls keine breite Wählerschaft ansprechen kann, konterte er mit Verweis auf die mehr als 70 Prozent, die er in Traiskirchen zu seiner Wahl bewogen hatte. Diesen lokalen Erfolg will er auf ganz Österreich ausbreiten: "Jetzt beginnt der Aufbruch in eine neue Zeit."
Emotionale Debatte im Anschluss
In der darauf folgenden Diskussion bekannten sich einige der Doskozil-Unterstützer offen zu ihrer Haltung, etwa Max Lercher, während die Gegenseite vor allem auf Inhalte pochte und beispielsweise ÖGB-Chef Wolfgang Katzian die Bedeutung von Kollektivverträgen hervorstrich. Am offensten für Babler äußerte sich Umweltsprecherin Julia Herr. Die Emotionen, die Babler auslöse, könnten entscheidend sein für einen künftigen Wahlsieg, meinte sie.
Insgesamt verlief der Parteitag angesichts der Emotionen fast überraschend sehr friedlich und sachlich. So verzichteten Doskozil und Babler auch auf eine eigentlich vorgesehene Widerrede nach Abschluss der Delegiertenbeiträge.
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