Knalleffekt im Fall Arigona: Das Mädchen wird von einem Geistlichen betreut. Landeshauptmann Pühringer hat sie getroffen, Innenminister Platter kannte ihren Aufenthaltsort.
Neue Wende im Fall der untergetauchten 15-Jährigen: Arigona wird von einem Pfarrer im oberösterreich Ungenach - knap 20 km von der Ortschaft Frankenburg entfernt - betreut. Ihr geht es "den Umständen entsprechend gut". Das teilte der Pfarrer von Ungenach, Josef Friedl mit. Der Pfarrer beherbergt seit Sonntag das Mädchen im Pfarrhof. Eine Frau stehe Arigona zur Seite, und auch er kümmere sich um sie, so der Dechant des Dekanates Schwanenstadt.
Von Wien nach Ungenach
Er habe weder Arigona Zogaj noch andere Mitglieder ihrer Familie vorher gekannt, teilte der Pfarrer mit. Wer an ihn mit dem Anliegen herangetreten ist, sie aufzunehmen, will der Priester für sich behalten. Man habe Arigona von einem Parkplatz in Wien abgeholt und nach Ungenach in den Pfarrhof gebracht.
Kein Kontakt zur Mutter
Einen Kontakt zur Mutter, die in Österreich verblieb, habe er bisher nicht herstellen können, er rechne aber damit, dass dies bald der Fall sein wird, so Friedl. Das Mädchen möchte ihre Familie wieder haben, besonders hoffe sie, dass ihre beiden jüngeren Geschwister, die in den Kosovo abgeschoben wurden, wieder zurückkehren können; "unter deren Abwesenheit leidet sie sehr". Auch sei es ihr sehnlichster Wunsch, wieder zur Schule gehen zu können.
Arigona braucht Ruhe
Der Pfarrer betonte, das Mädchen brauche Ruhe, und der Rummel um sie sollte bald beendet sein. Er warnte zudem davor, die Kräfte Arigonas zu überschätzen und ihr von Seiten der Medien Rollen und Motive zuzuweisen, die nicht stimmen, etwa dass sie den Staat erpressen wolle. "Sie hat aus Not, Panik und Angst gehandelt, alles andere, was man in sie hineinlegt, stimmt nicht", hob der Dechant hervor.
Pühringer traf Arigona
Der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer hatte sich am Dienstag mit der seit zwei Wochen untergetauchten Arigona Zogaj getroffen.
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Dechant Josef Friedl
Ausdrücklicher Wunsch von Arigona
Die "Asylcausa" selbst habe er mit dem Mädchen nicht erörtert, so der oberösterreichische Landeshauptmann Josef Pühringer, der am Dienstagabend in Ungenach mit Arigona zusammengetroffen ist. Die etwa halbstündige Unterredung habe auf Arigonas ausdrücklichen Wunsch stattgefunden, berichtet er. Es habe sich um ein vertrauliches Gespräch gehandelt, daher wolle er keine Details darüber bekanntgeben, so der Landeshauptmann. Er habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass Selbstmordgefahr bestehe.
Pühringer habe eine "Brücke" zwischen Arigona und der Verwaltung und Politik herstellen wollen. Er habe ihr persönliche Hilfe in einer schwierigen Situation angeboten, vor allem medizinische und psychologische. Es gehe darum, die Situation zu normalisieren und zu stabilisieren. Dazu seien jetzt mehrere Personen aus dem Büro des Landeshauptmannes im Einsatz. Das Mädchen halte sich nun in Oberösterreich auf, das Bindeglied sei der Geistliche (Josef Friedl, Anm. der Red.). Pühringer betonte aber im Zusammenhang mit der jüngsten Entwicklung, er unterlaufe damit die Grundsatzlinie in der Asylfrage nicht.
Wie sich die Anzeige der Polizei gegen jene "unbekannten Täter" auswirkt, die Arigona bei ihrer Flucht unterstützt haben, war vorerst unklar. Manfred Holzinger von der Staatsanwaltschaft Wels wollte vorerst keinen Kommentar zu der Frage abgeben, ob nun auch der Landeshauptmann oder der Geistliche als "Täter" in Frage kämen. Das zuständige Polizeikommissariat hatte wegen des Verdachtes der Beihilfe zu unbefugtem Aufenthalt Anzeige erstattet.
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Dechant Friedl überregional geschätzt
Der Pfarrer des Ortes, Dechant Josef Friedl, habe ihn am Mittwoch in der Früh über das Gespräch zwischen dem Mädchen und dem Landeshauptmann informiert und auch darüber, dass er um Hilfe gebeten worden sei. Friedl, der seit 1977 Seelsorger in Ungenach im Bezirk Vöcklabruck ist, ist im ganzen Bezirk Vöcklabruck als guter Pfarrer bekannt. Der Geistliche sei beliebt, werde überregional geschätzt und engagiere sich stark in der Jugendarbeit. Auch eine Affinität zur Asylproblematik habe der Dechant: Im Pfarrhof beherberge er mongolische Asylwerber, die seit etwa zwei Jahren in Österreich seien, aber derzeit nicht von der Abschiebung bedroht wären.
Die Geschichte von Arigona und ihrer Familie berühre ihn tief, sagte der Bürgermeister. Asylverfahren müssten schneller abgewickelt werden, damit nicht so viele Härtefälle entstünden. In der Meinung der Bevölkerung komme hier "gefühlsmäßig etwas wie ein Gewohnheitsrecht zum Tragen".
Asyl-Debatte im Nationalrat
Auf Antrag der Grünen gab es im Nationalrat eine Sondersitzung. Hier lesen: Nationalrat mach Zogajs keine Hoffnung
Gefordert wurde von Klubchef Alexander Van der Bellen und Kollegen ein genereller Abschiebestopp bis zur Erarbeitung einer entsprechenden Bleiberechtslösung. Gleichzeitig wurde ein Misstrauensantrag gegen Innenminister Günther Platter (V) eingebracht, der aber keine Chance auf Zustimmung hatte, da die SPÖ bereits angekündigt hatte, nicht mitzutun.
Lesen sie auf der nächsten Seite: Großdemo mit 10.000 Teilnehmern für Bleiberecht
Demo für Bleiberecht
Tausende Menschen hatten am Dienstagabend in Wien für ein Bleiberecht in Österreich demonstriert. Konkret gefordert wurde auf der von den Grünen organisierten Protestkundgebung auch ein sofortiger Abschiebestopp für alle Betroffenen und die Rückkehr der bereits abgeschobenen Familien. Den Höhepunkt bildete die Abschlussrede von Grünen-Chef Alexander von der Bellen: "Der Kampf geht weiter. Wir werden nicht aufgeben und wir werden gewinnen", erklärte er in Richtung Regierung.
10.000 Teilnehmer
Unterschiedliche Angaben gab es zu den Teilnehmerzahlen. Seitens der Exekutive hieß es am Anfang der Protestkundgebung noch, rund 1.000 Personen seien anwesend. Die Grünen sprachen schon beim Auftakt ihrer Aktion von 3.000 Menschen. Moderator Andreas Jäger freute sich am Ende der Kundgebung am Michaelerplatz über rund 10.000 Teilnehmer.
Die Forderung nach dem Rücktritt von Innenminister Günther Platter (V) dominierte die Demonstration schon von Beginn an. So erntete die stellvertretende Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig, mit dieser Forderung bei der Auftaktkundgebung bereits heftigen Applaus. "Platter, Sie sind herzlos", "Vielleicht kann Platter auswandern" stand auf Schildern zu lesen.
Höhepunkt der Veranstaltung bildete die Abschlusskundgebung am Michaelerplatz. Grünen-Chef Alexander Van der Bellen übte mit heiserer Stimme scharfe Kritik am Innenminister. Dieser betreibe eine "widerwärtige Politik". Was Platter mache, sei nicht nur asozial, sondern auch unchristlich. Der Minister verbreite nicht nur bei Asylwerbern Unsicherheit, Angst und Schrecken, sondern auch bei jenen Schulkinder, deren Sitznachbar plötzlich verschwunden ist. "Ist es nicht ein Menschenrecht, zu versuchen, woanders eine Arbeit und Heimat zu finden?" meinte van der Bellen. Er verwies darauf, dass betroffene "Wirtschaftsflüchtlinge" aus Ländern mit einer Arbeitslosigkeit von bis zu 50 Prozent kämen.
Die Versammlung verlief nach Polizeiangaben ruhig und ohne besondere Auffälligkeiten. Nach regem Zustrom zum Beginn am Minoritenplatz, habe sich die Demonstration nach der Schlusskundgebung am Michaelerplatz gegen 20.30 Uhr rasch aufgelöst.
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Protestmail-Aktion
Um endlich eine menschliche Lösung für die Familie Zogaj herbeizuführen, starten ÖSTERREICH und oe24.at eine Protest-Aktion. Machen Sie mit und helfen Sie Arigona und ihrer Familie mit einem Protest-Mail an Innenminister Platter: Der Fall soll neu aufgerollt und nach humanitären Gesichtspunkten beurteilt werden. > Hier geht es zum Protest-Mail
Weiterhin keine Spur gibt es in Oberösterreich von der seit fast zwei Wochen untergetauchten Arigona. Man warte auf Hinweise, hieß es beim Posten in Frankenburg.