ÖFB-Krise

Hicke darf mit Jungen weitermachen

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ÖFB-Präsident Stickler spricht Hickersberger das Vertrauen aus. Weg mit jungen Spielern wird unbeirrt fortgesetzt.

Das ist das Resultat jener "Analyse", die ÖFB-Präsident Friedrich Stickler nach den enttäuschenden Testspielen gegen Japan und Chile vom Niederösterreicher gefordert hatte. Am Mittwochabend hatte "Hicke" dem Verbandschef seine Sicht der Dinge dargelegt, am Donnerstag wurde das gesamte ÖFB-Präsidium von den Vorstellungen des Teamchefs informiert.

Verjüngung wird unterstützt
Laut Stickler steht das Führungsgremium "zu 100 Prozent" hinter dem Bekenntnis, weiterhin auf junge Spieler zu setzen. Der ÖFB unterstütze das Konzept der Verjüngung. "Es gibt keine Trendumkehr und es wird zu keinen radikalen Schnitten kommen", betonte der Lotterien-Boss auf einer Pressekonferenz am Freitag im Wiener Studio 44 der österreichischen Lotterien.

Analyse
Er habe von Hickersberger eine "sehr profunde, tiefgreifende und nicht in jedem Bereich angenehme Analyse" bekommen, so Stickler, der Wert auf die Feststellung legte, den Teamchef "niemals zum Rapport befohlen zu haben. Aber wenn bei einer Firma die Verkaufszahlen nicht stimmen, wird man sich auch zusammensetzen und fragen, was die Ursachen dafür sind".

Keine Trainer-Diskussion
Mit der Unterstützung des gesamten ÖFB-Präsidiums für Hickersberger sind für Stickler auch die zuletzt aufgekommenen Trainer-Diskussionen erledigt. "Ich nehme an, dass die Bestätigung seines Weges auch das Ende der Teamchef-Debatte bedeutet. Das Präsidium geht davon aus, dass der Teamchef bei der EURO 2008 Josef Hickersberger heißt."

Es werde aber nicht alles beim Alten bleiben, versicherte der ÖFB-Präsident. "Das bedeutet nicht, dass alles so weitergeht wie bisher. Es gibt die Forderung an die Spieler, eine entsprechende Änderungs-Bereitschaft zu zeigen."

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Stickler nimmt sich zurück
Mit öffentlicher präsidialer Schelte für Spieler wie zuletzt für Roland Linz ist künftig aber nicht mehr zu rechnen. "Ich habe nicht vor, mir nach jedem Spiel einen Kommentar über einen Spieler einfallen zu lassen. Ich sehe das schon als Einzelfall", so Stickler.

Von seiner Seite hätte es niemals den Versuch gegeben, in die Kaderzusammenstellung von Hickersberger einzugreifen. "Der Teamchef ist absolut frei, wen er einberuft. Es gibt hier keinen Konflikt, der wurde nur hineininterpretiert. Für sportliche Belange ist ausschließlich der Teamchef zuständig", erklärte Stickler und ergänzte: "Zwischen dem Teamchef, mir und dem Präsidium passt kein Blatt Papier."

Linz schätzt der ÖFB-Präsident nach eigenen Angaben "als eine Hoffnung des österreichischen Fußballs". Die Kritik an dem Braga-Stürmer sei seine persönliche Meinung gewesen, "und ich nehme mir die Freiheit, das zu sagen".

Hoffen auf 2008
Das große Ziel sei nach wie vor, bei der Heim-Europameisterschaft eine konkurrenzfähige Mannschaft zu haben. "Abgerechnet wird im Juni 2008, dann wissen wir, ob der Weg richtig war, den wir gegangen sind." Auf diesem Weg lässt sich Stickler auch von Franz Beckenbauer beraten, allerdings nur in persönlichen Gesprächen. Ein offizielles Engagement des "Kaisers" steht laut ÖFB-Chef nicht zur Debatte, der starke Mann bleibt ganz klar Hickersberger. "Für mich ist die Teamchef-Diskussion bis zur EURO beendet."

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Hicke bleibt seiner Linie treu
Hickersberger selbst bleibt seiner Philosophie treu. "Es gibt nur einen Weg für mich, und der ist, den Verjüngungsprozess fortzusetzen. Es gibt keinen Kurswechsel, und ich werde auf diesem Weg weiter vorangehen. Jetzt gilt es von meiner Seite, der Mannschaft weiterhin Vertrauen zu geben - mehr Vertrauen, als sie in der Öffentlichkeit hat."

Kein Comeback der Alten
Dem Comeback von arrivierten Kickern jenseits der 30 a la Ivica Vastic erteilte der 59-Jährige neuerlich eine Absage. "Es gibt keine Rückkehr zu den 'Super-Oldies'. Dieser Fehler wurde in Österreich schon mehrmals gemacht, zuletzt auch in der WM-Qualifikation für 2006. Auch die damals wirklich besten Spieler haben die Qualifikation nicht geschafft, sollen wir jetzt noch einmal den gleichen Fehler machen?", fragte Hickersberger.

Der Verzicht auf Routiniers sei aber nicht gleichbedeutend mit einem EURO-Freifahrtschein für jüngere Spieler. "Keiner hat einen Platz im EM-Kader sicher. Einige werden die Europameisterschaft vor dem Fernseher anschauen müssen, wenn sie in Summe nicht ihre Leistungen gebracht haben."

An Rücktritt gedacht
Hickersberger gab zu, sich zuletzt über einen möglichen Rücktritt Gedanken gemacht zu haben. "Natürlich habe ich über diese Möglichkeit nachgedacht. Aber ich bin felsenfest davon überzeugt, diesen Weg fortzusetzen, und nur ich kann diesen Weg mit den Jungen fortsetzen, weil es ein anderer nicht machen würde."

Vertauen in die jungen Spieler
Sein Vertrauen in die Jung-Kicker sei nur "von den Wenigsten" missbraucht worden. "Da kann man nicht einmal von einer Minderheit reden", erklärte "Hicke", der mit Linz zuletzt telefonierte. "Er hat gegen Tschechien und Japan nicht von Beginn an gespielt, weil ich mit seiner Leistungsbereitschaft auch im Training nicht zufrieden war." Ob der Steirer im Kader für die Oktober-Partien gegen die Schweiz und die Elfenbeinküste stehen wird, ließ Hickersberger offen. "Jetzt gilt es für ihn, mich mit Leistungen zu überzeugen", meinte der Coach und bezeichnete die Linz-Äußerungen nach der Stickler-Kritik wie etwa "Es ist für mich eine Ehre, im Team zu spielen" sowie dessen angekündigten Prämien-Verzicht als "sehr clever".

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Führungsspieler fehlten
Für Linz wie auch für die übrigen ÖFB-Kicker gilt: "Alle wollen viel besser spielen als zuletzt, nur ist es eben nicht so leicht, wenn einige außer Form oder ohne Stammplatz sind", so Hickersberger. Die jüngsten schlechten Leistungen seien auch auf das Fehlen von Kickern wie Martin Stranzl oder Andreas Ivanschitz zurückzuführen. "Es sind viele wichtige Spieler verletzt ausgefallen, und die anderen konnten das nicht kompensieren."

Bilanz 2007 ok
Dennoch sei die Bilanz im Jahr 2007 mit fünf Remis und drei Niederlagen "nicht so schlecht, wie es zuletzt gegen Japan und Chile ausgesehen hat". Künftig werden bei Teamcamps zwar Testspiele gegen regionale Auswahlen eingeführt, die Auswahl der Länderspiel-Gegner bleibt aber unverändert. "Das Konzept, gegen die besten Mannschaften der Welt zu spielen, ist richtig, denn nur von den Besten können die Jungen lernen. Dass es dabei auch immer wieder Rückschläge geben wird, ist bei jungen Spielern kein österreichisches Phänomen", betonte Hickersberger, für den die ÖFB-Auswahl "mehr Potenzial hat, als man zuletzt gesehen hat".

Vertrauen in Betreuerstab
Nicht nur die Mannschaft, auch seine Trainerkollegen im ÖFB genießen das Vertrauen des Teamchefs, der Kritik wie zuletzt von Peter Pacult an Conditioning Coach Roger Spry als "unqualifiziert" zurückwies. "Ich bin von der Wichtigkeit des Individual-Trainings überzeugt. Aber am wichtigsten ist die Eigenmotivation, denn ohne Eigenmotivation gibt es keinen Spieler, der sich weiterentwickelt und Weltklasse wird."

Generationenlücke
Einmal mehr wies "Hicke" auf die momentane Problematik im österreichischen Nationalteam hin. "Wir haben sehr gute 'Super-Oldies', die in der österreichischen Liga noch immer gute Figur machen, und wir haben eine U20-Mannschaft, die eine hervorragende WM gespielt hat. Dazwischen fehlen bei den Jahrgängen, die jetzt im besten Fußballer-Alter sind, ein, zwei Generationen. Das sind die Auswirkungen des Bosman-Urteils und der Vereinspolitik, weil danach zu viele Ausländer zu den heimischen Clubs gekommen sind", meinte der Teamchef.

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