Warum er seine Frau versteckt, die Spieler auf Distanz hält und zuletzt auf Tauchstation ging. ÖSTERREICH besuchte ihn.
Streng geheim. Nicht einmal ÖFB-Pressechef Peter Klinglmüller wusste mit absoluter Sicherheit, welches Match sich der neue Teamchef dieses Wochenende anschaut. Klinglmüller ließ sowohl für Rapid – Kapfenberg VIP-Karten reservieren als auch für Salzburg – LASK und Sturm – Austria. Karel Brückner wollte sich nicht festlegen. Was er weiß: „In Österreich wird viel von mir erwartet.“ Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika muss es auf jeden Fall sein! Der ÖFB zahlt Brückner dafür auch eine Gage in Höhe von knapp 700.000 Euro.
Stress
Brückners Terminkalender ist voll. Nächste Woche geht er
mit Andreas Herzog den Teamkader und auch den Betreuerstab durch. Elf Tage
hat Brückner noch, dann muss er jene Nationalspieler nominieren, die am 20.
August beim Duell in Nizza mit dem regierenden Weltmeister Italien dabei
sein werden. Da sind Überraschungen zu erwarten. Mit Brückner beginnt eine
neue Ära beim ÖFB. Auch im Umfeld wird viel umgekrempelt, weil Brückner
Vertrauensleute um sich haben will.
Er ist vorsichtig, hält selbst seine Spieler auf Distanz.
Er spricht das Notwendigste mit ihnen, verteilt Zettel mit taktischen Anweisungen.
Sphinx
Schlohweißes Haar, dichte Augenbrauen, stechender Blick,
stattliche Figur und ein Gesicht, das Souveränität, Härte und viel
Lebenserfahrung ausstrahlt – der 68-Jährige aus Olmütz ist geheimnisvoll
wie eine Sphinx. Brückner lässt nur wenige Menschen an sich ran.
Reporterfragen blockt er für gewöhnlich ab. Seine Standards lauten „Ja“ und
„Nein“ und „Denken Sie wirklich?“ Mehr ist ihm höchst selten zu entlocken.
Erstaunen
Darum sind die tschechischen Journalisten auch erstaunt
gewesen, als Brückner bei seiner ersten Pressekonferenz im Wiener Hilton am
Stadtpark eine knappe Dreiviertelstunde auf dem Podium saß, Charme
versprühte. Ein durchaus sympathischer Auftritt jenes Mannes, der die
Tschechen zweimal zur EM und einmal zu einer WM führte. In der Heimat
genießt Brückner Kultstatus.
Sein Privatleben hält er unter Verschluss. Ehefrau Irena war nur ein einziges Mal im Stadion – da verlor Brückner als Trainer von Sigma Olmütz gegen Dukla Prag mit 0:3. Seit damals hält sie es für besser, daheim zu bleiben …
Entsetzen
Irena Brückner war entsetzt über die Entscheidung, nach
Österreich zu gehen. Sie fragte: „Bist du völlig verrückt geworden?“ Erst
nach vier Tagen hat sie sich beruhigt und auch ihr Einverständnis gegeben.
Die beiden haben zwei Töchter, drei Enkelkinder. Die liebt Brückner heiß. Nach dem Scheitern bei der EURO wollte er sich mehr Zeit für die Familie nehmen – jetzt ist alles anders. Seine Begründung: „Ich brauche das, es ist einfach meine Welt – der Fußball hält mich jung, solche Herausforderungen liebe ich.“
Paradies
Nach der Pressekonferenz traf sich Brückner noch mit
seinem Vorgänger Josef Hickersberger. Von ihm bekam er alle gewünschten
Informationen.
Dann tauchte Brückner ab, fuhr heim nach Olmütz und von dort weiter ins Ferienhaus nach Hlubocky. Dort tankte er Kraft für seine neue Aufgabe. Das Paradies ist mitten im Wald – eine grüne Oase mit Pool. Gut versteckt. Brückner hatte DVDs von den letzten zehn Spielen unseres Nationalteams im Gepäck, wollte sich das alles in Ruhe anschauen. „Ich muss mir ein Bild von der Mannschaft machen. Dann weiß ich, was zu tun ist und welche Taktik zu den Spielern passt. Ich bereite sie so vor, dass sie gewinnen können.“
Zweifel hat er nicht. „Sonst hätte ich diesen Job unter keinen Umständen angenommen."
Lese Sie auf der nächsten Seite das Interview mit Brückner
ÖSTERREICH: Können Sie schon den Text der österreichischen Hymne, Herr Brückner?
Karel Brückner: Nein. Den muss ich noch lernen. Aber ich lerne schnell. Das wird kein großes Problem sein.
ÖSTERREICH: Den Vertrag mit dem ÖFB sollen Sie auch noch nicht unterschrieben haben.
Brückner: Der liegt jetzt bei meinem Steuerberater. Ich habe noch gar keine Zeit gefunden, mir den Vertrag durchzulesen. Das muss auch nicht sein. Ich spüre großes Vertrauen, das ist wichtiger als ein Schriftstück.
ÖSTERREICH: Ihre Frau Irena ist gar nicht darüber erfreut gewesen, dass Sie Teamchef in Österreich werden. Hat Sie sich von diesem Schock schon erholt?
Brückner: Ja, doch es hat vier Tage gedauert, bis ich von ihr das Einverständnis bekam. Sie hat mich gefragt, ob ich völlig verrückt geworden bin? Aber der Fußball ist nun einmal meine Welt – jene Welt, in der ich mich seit Jahrzehnten bewege. Und der Fußball hält mich jung. Meine Frau versteht mich.
ÖSTERREICH: Bei Ihrem Rücktritt als tschechischer Teamchef haben Sie noch gesagt, dass Sie Ihr Leben ändern und sich mehr Zeit für die Familie nehmen möchten …
Brückner: Das ist nach der Niederlage gegen die Türkei gewesen. Der Frust war da noch riesengroß. Wir hatten schon das EM-Viertelfinale vor Augen und sind dann ausgeschieden. Es hat etwa zwei Wochen gedauert, bis ich meine Depression wieder überwunden habe. Im Fußball kann sich das Schicksal oft von einem Tag auf den nächsten ändern.