Weltmeister Frankreich ist jetzt auch Nations-League-Sieger. In Spanien ist der Frust groß. Das Abseits-Tor von Mbappé hätte laut ihnen nicht zählen dürfen.
Kylian Mbappé erzielte in der 80. Minute den umjubelten Siegtreffer für die Equipe Tricolore im Nations-League-Finale gegen Spanien (2:1). "Die Geschichte wird weiter geschrieben", postete der Matchwinner - bei der EM noch tragischer Held - in Großbuchstaben zu einem Foto, auf dem er den Pokal abbusserlt.
Der Siegtreffer war umstritten. Mbappe wurde in Abseitsposition bedient, profitierte aber davon, dass Spaniens Eric Garcia den Ball im Rutschen noch leicht berührte und so eine neue Spielsituation schuf. Die Entscheidung des Referee-Teams ist also regeltechnisch gedeckt, was an der Entrüstung mancher nichts änderte. Die Zeitung "Marca" schrieb stellvertretend: "Sie machen den Fußball kaputt. Eine unverständliche Interpretation einer neuen und lächerlichen Abseitsregel seitens des Video-Assistenten ruiniert Spanien."
Kapitän Sergio Busquets gab die Auffassung des Referees wieder: "Der Schiedsrichter sagte uns, dass Eric Garcia den Ball noch spielen wollte, das hat die Abseitsstellung aufgehoben. Garcia wollte den Ball spielen, weil er sonst Mbappe erreicht hätte - der im Abseits stand." Der Barcelona-Spieler schimpfte gegen Taylor und den VAR: "Das macht keinen Sinn!"
Garcia: "Soll ich zur Seite treten?"
Auch Garcia zeigte sich nach der Final-Niederlage empört: "Mbappé steht im Abseits. Der Schiedsrichter sagt mir, dass ich versucht habe, den Ball zu spielen. Was sollte ich tun? Zur Seite treten und ihn laufen lassen? Offenbar ist das die Regel."
Und Chelsea-Kicker Cesar Azpilicueta, der Taylor bestens aus der Premier League kennt, ärgert sich, dass immer mehr Entscheidungen auf dem Feld vom VAR getroffen werden:
"Der Schiedsrichter ist da, um Entscheidungen zu treffen. Was mich allerdings enttäuscht, ist die Tatsache, dass der Schiedsrichter, der die Entscheidung trifft, nicht Herr Anthony Taylor ist, sondern derjenige, der Video Assistant Referee ist."
Der Verteidiger weiter: "Ich denke, der Monitor ist dazu da, ihn zu benutzen. Bei jedem Treffen mit den Schiedsrichtern sagen wir dasselbe und ich weiß nicht, warum er nicht zum Monitor gegangen ist und sich selbst davon überzeugt hat, ob es eine bewusste Aktion war oder nicht."
Frankreich "hungrig nach Trophäen"
Wenige Minuten nach dem Jubel über den Nations-League-Titel dachte die französische Ausnahmegeneration um Kylian Mbappe bereits an die Verteidigung ihres WM-Triumphs von Russland. Einer war besonders feierwütig: Karim Benzema, der zwischendurch mehr als fünf Jahre vom Team weg war, holte seine erste Trophäe mit "Les Bleus".
"Ich bin sehr stolz und überglücklich", sagte der Angreifer von Real Madrid, der die Partie mit einem herrlichen Schlenzer ausgeglichen hatte. "Wir werden es genießen, uns gut auf die WM vorbereiten und versuchen, sie zu gewinnen", sagte Benzema am späten Sonntagabend im Mailänder San-Siro-Stadion, nachdem Frankreich zum zweiten Nations-League-Sieger der Geschichte nach Portugal avanciert war.
Benzema in Top-Form
"Karim ist ein unentbehrlicher Spieler, das hat er in den letzten beiden Spielen bewiesen", meinte Frankreichs Teamchef Didier Deschamps. Seit der zwischenzeitlich ausgemusterte Stürmer zurück ist, erzielte er alle 127 Minute ein Tor - mit seinen sechs Treffern seit Beginn der Vorbereitung auf die letztlich enttäuschend verlaufende EM in diesem Sommer kann nur Antoine Griezmann mithalten, der in diesem Zeitraum ebenfalls sechsmal getroffen hat.
Benzema mache im Nationalteam nun ähnlich gute Figur wie bei Real Madrid, meinte Deschamps. "Er ist extrem fit, viel fitter als früher und er ist reifer", sagte der Trainer und nannte den 33-Jährigen gar einen "wichtigen Spieler für die Zukunft". "Neben seinem augenscheinlichen Talent hat er den Charakter und die mentale Stärke, die auf höchstem Level der Schlüssel sind. Und er hat diesen Eifer zu gewinnen, den auch die anderen Spieler spüren."
Wie beim Halbfinal-Sieg gegen Belgien (3:2) drehte Frankreich im Finale gegen Spanien einen Rückstand. "Wir haben schlecht begonnen. Wir wurden von Spanien in der ersten Hälfte dominiert, wir mussten reagieren", wusste Mittelfeldspieler Paul Pogba. "Aber wenn wir so gewinnen, warum nicht. Es ist immer gut, eine Trophäe zu holen. Wir sind immer hungrig nach Trophäen, sind nie zufrieden."
"Drei wilde Nächte in Mailand"
Die Spanier warten dagegen weiter auf ihre erste Trophäe seit dem EM-Sieg 2012. Mikel Oyarzabal (64.) brachte das zukunftsfitte Team von Coach Luis Enrique in Führung, doch nur zwei Minuten später zeigte Benzema den schön spielenden Spaniern, was Effizienz bedeutet. "Das Unfaire am Fußball ist, dass wir die Chance hatten, den K.o. zu setzen, als wir 1:0 in Führung gegangen sind, aber Karim Benzema hat etwas Außerordentliches geschafft", sagte Trainer Luis Enrique, der in seinem Kader einen Stürmer auf Weltniveau schmerzlich vermisste.
Der französische Verband wird in seinem Trophäenschrank weiteren Platz schaffen müssen. "Das wird ohne Zweifel nicht der am meisten beachtete oder beneidete Titel sein, aber Frankreich wird die erste Nation bleiben, die die Weltmeisterschaft, die Europameisterschaft und die Nations League gewonnen hat", stellte die Sportzeitung "L'Equipe" einen historischen Kontext her.
Die ab 2018 eingeführte Nations League, die die Qualifikation zur WM, vor allem aber die Qualifikation zur EM mit beeinflusst, sei möglicherweise doch keine schlechte Idee, mutmaßte der "Guardian". "Sie wird vielleicht nicht überall als echtes Turnier anerkannt, zumindest noch nicht, aber es hat sich herausgestellt, dass sie eine Menge Spaß bereitet. Die letzten vier (Nationen) bescherten drei wilde Nächte in Mailand und brachten Sieger hervor, die zwei Mal einen Rückstand aufholen mussten, um eine noch nicht vertraute Trophäe in die Höhe zu stemmen."