"El Maestro"

Uruguay setzt auf Teamchef Tabarez

Erfolgsgeheimnis: "Fußball wird von ihm erklärt, nicht geschrien."

Sie nennen ihn respektvoll "El Maestro", den Lehrer. Zwischen seiner aktiven Fußball-Karriere und jener als Trainer hatte Oscar Tabarez in einer Schule gearbeitet - und dabei jene Ruhe und Gelassenheit entwickelt, die ihn heute als Teamchef Uruguays auszeichnet. Der 63-Jährige gilt als der Architekt des aktuellen Erfolgslaufes des südamerikanischen Außenseiters bei der WM in Südafrika. Dort trifft der Weltmeister von 1930 und 1950 am Freitagabend im Viertelfinale auf Ghana.

Kein Mann der großen Worte
Im Gegensatz zu seinen südamerikanischen Pendants Diego Maradona (Argentinien) oder Marcelo Bielsa (Chile) ist Tabarez kein Mann der großen Worte. Seine Ruhe strahlt der einst mittelmäßige Verteidiger auch auf seine junge Mannschaft aus, die bisher bei der WM erst ein einziges Gegentor erhalten hat. "Wir sind ruhig und zuversichtlich", versicherte Tabarez bei einer überfüllten Pressekonferenz im Teamcamp in Kimberley mit gewohnt leiser Stimme. "Das Wichtige ist das Spiel, dessen sind sich auch die Spieler bewusst."

Vaterfigur
Tabarez gilt seinen Schützlingen als Vaterfigur, hat aber ein klares taktisches Konzept. 1990 hatte die Trainer-Legende Uruguay zuletzt ins WM-Achtelfinale geführt - damals allerdings noch mit bedingungsloser, teils brutaler Abwehrarbeit. Das konsequente Defensivverhalten hat Tabarez in seiner zweiten Amtszeit (seit 2006) zwar beibehalten, mittlerweile tritt sein Team dank der Stürmerstars Diego Forlan und Luis Suarez aber auch offensiv in Erscheinung. Fünf Tore hat das Duo in vier WM-Spielen bereits erzielt.

Weiterentwicklung
Der oberste Fußball-Lehrer des nur 3,3 Millionen Einwohner zählenden Landes erklärt das so: "Der uruguayische Fußball hat sich weiterentwickelt. So wie sich auch ein Trainer weiterentwickelt. Ich habe mehr Erfahrung als 1990, ich bin heute ein besserer Trainer", versicherte Tabarez. Seine Karriere hatte den "Uru" 1996 sogar zum großen AC Milan geführt, dort war er aber nach nur einem halben Jahr wegen Erfolglosigkeit gefeuert worden. Nach der starken WM könnte Tabarez ein weiteres Auslands-Abenteuer winken.

Auslandsengagement winkt
In Montevideo wird befürchtet, Tabarez nicht halten zu können. Dem Vernehmen nach soll der Erfolgscoach lediglich 25.000 Dollar (20.373 Euro) im Monat verdienen - weniger als jeder andere WM-Trainer. Dabei will Uruguay langfristig von seiner Aufbauarbeit profitieren. Der Teamchef hatte vor der WM auch intensiv daran gearbeitet, die Strukturen im Verband zu verbessern. "Wir sind ein kleines Land, das nur dank exzellenter Arbeit im Nachwuchsbereich Erfolg auf höchster Ebene haben kann", betonte Tabarez.

Traum vom 3. WM-Titel
Der Lohn dieser Arbeit sind die Forlans und Suarez', die Uruguay sogar vom dritten WM-Titel träumen lassen. Tabarez' Popularität am Rio de la Plata ist größer denn je. Diesen Status missbraucht er zwar nicht für politische Parolen, aus seiner Zuneigung für das links-intellektuelle Spektrum hat er aber wie sein Vorbild Luis Cesar Menotti, Argentiniens Weltmeister-Coach von 1978, nie ein Hehl gemacht. Auch Tabarez bewundert Che Guevara, allerdings ohne dies wie Maradona mit einem Tattoo zur Schau zu stellen.

Freude über Jubel daheim
Öffentlichkeitswirksame Auftritte sind ihm fremd. "Fußball wird von Tabarez erklärt, nicht geschrien", sagt einer, der es wissen muss - der einstige Milan-Kapitän Paolo Maldini. Die Freudenfeiern in Montevideo, von denen ihm die mitgereisten uruguayischen Journalisten berichten, lassen dann aber auch den großen Ruhepol nicht gänzlich kalt. "Sie sollen sich freuen. Man darf auch jubeln, wenn man nicht Weltmeister ist", erklärte Tabarez mit einem leicht bewegten Lächeln auf den Lippen. "Vor allem in Uruguay."

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