Backstage-Interview

Eislauf-Queen trainiert mit ihren Alpakas

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Vanessa Herzog ist unsere Sportlerin des Jahres. Ihr Mann und Trainer hat Parkinson. Wie der Eisschnelllauf-Star das Leben in der Corona-Krise meistert verrät sie im großen ÖSTERREICH-Interview.

ÖSTERREICH: Hallo Vanessa , wie geht es euch?

Vanessa Herzog: Uns beiden geht es gut. Wir leben am Land in Ferlach in Kärnten quasi abgeschnitten von der Außenwelt. Unser Grundstück hat zwei Hektar. Ab und zu sehen wir Leute am Radweg, der bei uns vorbeigeht. Das ist nach dem ganzen Reisetrouble im Winter sehr angenehm und jetzt während der Corona-Krise mit den Ausgangsbeschränkungen natürlich ideal.

ÖSTERREICH: Du bist natürlich jetzt heilfroh, nicht in Tirol zu sein.

Herzog: Ja, ich war in Tirol bei meiner Familie, und einen Tag, bevor sie die Grenzen zugemacht haben, bin ich schnell abgehauen. Mein Mann hat mich angerufen und gesagt: "Sie machen die Grenzen dicht, komm sofort nach Hause."

ÖSTERREICH: Deine Familie ist in Tirol geblieben, hast du Angst um sie?

Herzog: Jetzt lässt die Angst schon ein bissel nach, aber die erste Zeit habe ich mir um meine Oma schon große Sorgen gemacht. Sie ist 75, Raucherin und wohnt alleine in Innsbruck. Meine Eltern leben in Münster bei Kufstein. Und da man bis vor Kurzem den Bezirk nicht verlassen durfte, konnte sich nur meine Tante um die Oma kümmern.

ÖSTERREICH: Wie wird sich die Welt durch Corona verändern?

Herzog: Ich glaube, dass man so schnell nicht in ein Flugzeug steigen kann und dorthin fliegen will, wohin man hin will - das wird noch lange dauern. Auch glaube ich, dass Leute nicht so schnell zu Großveranstaltungen wie zum Beispiel in ein Fußballstadion gehen können. Derzeit ist der Sport unwichtig, es gibt wichtigere Dinge. Auch sonst wird sich einiges verändern. Wenn man in einen Supermarkt geht, hält jeder Abstand, ist vorsichtiger. Das wird in Zukunft so bleiben.

ÖSTERREICH: Von der Corona-Krise bekommst du nicht so viel mit?

Herzog: Stimmt, nur aus dem Fernsehen und Internet. Das ist auch gut so.

ÖSTERREICH: Zum Sportlichen: Deine letzte Saison war nicht das Gelbe vom Ei.

Herzog: Der Beginn der Saison war für mich sehr schwer, da habe ich viele Fehlstarts fabriziert. Die ersten drei Weltcups habe ich verhaut. Aber dann ist es aufwärts gegangen. Anders ausgedrückt: Nach einem holprigen Start gab es dann doch noch ein Happy End. Ich war sieben Mal am Podest und habe einmal gewonnen. Die Saison war nicht so schlecht, aber nicht das, was wir uns vorgestellt haben.

ÖSTERREICH: Machst du jetzt Pause?

Herzog: Seit dem 1. April trainiere ich wieder. Wir haben im Keller einen Kraftraum, Inlineskating und Radfahren sind ja auch erlaubt. Zurzeit trainiere ich acht bis neunmal die Woche und das steigert sich dann auf zwölf- bis 13-mal. Drei Wochen habe ich pausiert, da bin ich viel gewandert.

ÖSTERREICH: Wird sie nächste Saison von Corona beeinträchtigt werden?

Herzog: Da ich befürchte, dass es so schnell keinen Impfstoff gegen Corona geben wird, wird unser Weltcupstart im November in Amerika nur sehr schwer möglich sein. Da kommen Sportler aus vier Kontinenten zusammen. Sollte es doch klappen, dann hat ein jeder alles richtig gemacht. Ich würde es mir wünschen.

ÖSTERREICH: Was sind deine Ziele?

Herzog: Natürlich die Einzelstrecken-WM auf der Olympischen Bahn in Peking, wo 2022 dann die Spiele stattfinden. Ich möchte aufs Podest fahren. Letztes Jahr bin ich dort nur leider Vierter geworden.

ÖSTERREICH: Was machst du, wenn du gerade nicht trainierst?

Herzog: Mein Mann hat vor vielen Jahren eine alte Mühle zu einem Bauernhof umgebaut. Wir haben 20 Hühner, zwei Gänse, zwei Schweine und drei Alpakas. Ich mache die Ställe, füttere die Tiere. Das ist mein Erholungsfaktor. Ich sitze auch gerne bei den Hühnern und schau zu, was sie machen. Das entspannt mich. Ich bin sehr viel im Freien.

ÖSTERREICH: Du bist Österreichs Sportlerin des Jahres, hat das deine Popularität gesteigert?

Herzog: Ja in der Gegend, wo wir wohnen, kennt mich jeder, auch in Klagenfurt. Ich bin schon bekannter geworden. Das ist cool.

ÖSTERREICH: Dein Mann Tom, der zugleich dein Trainer ist, hat Parkinson. Inwieweit belastet dich das

Herzog: Am Anfang habe ich nicht ganz gewusst, wie ich damit umgehen muss mit ihm, wenn er sich schlecht fühlt oder etwas mit seiner Motorik ausfällt. Jetzt nach einem Jahr weiß ich schon, was er braucht, wissen wir, wie wir reagieren müssen. Wenn man das objektiv betrachtet, muss ich sagen, dass es ihm jetzt schon viel besser geht. Wenn er einen schlechten Tag hat, muss ich ihm helfen. Dann, wenn er zum Zittern anfängt oder seine Hand steif wird oder er sich nicht mehr bewegen kann. Dann streiche ich über seine Hand oder massiere sie.

ÖSTERREICH: Ist der Trainerjob dann überhaupt noch möglich?

Herzog: Das habe ich mir auch gedacht, darum bin ich nach der letzten Saison in ein holländisches Team gegangen. Aber ich habe sofort gemerkt, dass die holländischen Trainer nur auf ihre Landsleute schauen. Darum muss der Tom, wenn es im September wieder aufs Eis geht, wieder dabei sein. Er ist meine wichtigste Bezugsperson. Er schafft das. Das Sommertrainingslager lässt er aber aus. Da geht's nicht um Technik, sondern um Grundlagen.

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