Skisprung-Legende

Innauer: "Vielleicht haben die anderen vorher mehr getrickst"

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Adler-Legende Toni Innauer (65) glaubt, dass die Siegesserie von Stefan Kaft (30) am Wochenende in Klingenthal weiter geht. Im oe24-Interview erklärt der Olympiasieger von 1980, was unseren Wunderadler vom Rest der Welt unterscheidet.

oe24: Herr Innauer, haben Sie eine Erklärung für die bisher makellose Saisonbilanz von Stefan Kraft?
INNAUER: Die Skisprungwelt weiß seit Jahren: Wenn der Kraftl gesund ist, wenn er seine Probleme mit dem Kreuz hinbekommt, ist er schwer zu schlagen. Und zwar auf allen Schanzen. Jetzt ist er fit, seine Abläufe funktionieren und er ist mit seiner Technik, seiner Athletik und seinem Körperbau wie geschaffen für das Skisprungreglement.

oe24: Können Sie uns das näher erklären?
INNAUER: Mit dem neuen Reglement hat man versucht, etwas gegen die Leichtgewichte zu unternehmen. Aber bei Kraft hat es genau das Gegenteil bewirkt - er scheint damit super zurecht zu kommen. Er bekommt, um es vereinfacht auszudrücken, noch ein paar Zentimeter dazu.

oe24: Die Körpermaße der Springer werden per Bodyscan noch exakter gemessen - könnte das ein Vorteil für die Österreicher sein?
INNAUER: Möglicherweise. Es kann sein, dass die anderen vorher mehr getrickst haben und jetzt nicht mehr so können, wie sie wollen. Einige Teams dürften nicht unglücklich darüber sein, dass jetzt alles präziser abläuft. Je kleiner du bist, umso günstiger ist das Reglement für dich. Minimalvorteile für Leute wie Kraft (170 cm/56 kg, d. Red.) fallen durch das Bodyscanning fallen größer aus.

oe24: Ist Kraft mental der Stärkste?
INNAUER: Schaut so aus. Nach zehn Jahren mit konstanten Erfolgen kann ihn nix umhauen. Er weiß, wenn er halbwegs gesund ist, und die Materialabstimmung passt, ist er vorn dabei. Wenn er dann noch so super in die Saison einsteigt und die ersten beiden Wettkämpfe perfekt laufen, wird er unantastbar. Er sagt sich dann: Mit meinen besten Sprüngen flieg ich allen davon. Das ist Gift für die Gegner. Das war beim Schlieri (Gregor Schierenzauer, d. Red.) und beim Morgi (Thomas Morgenstern, d. Red.) früher nicht anders.

Kraft weiß: "Ich brauch muss nur das tun, was mir leicht fällt und gewinne"

oe24: Warum funktioniert beim Vorjahrs-Seriensieger Granerud plötzlich nichts?
INNAUER: Bei ihm geht's um Nuancen, die nicht passen, das lässt ihn zweifeln. Wenn du ein bissl schief bist, hast du Sorge, dass die Symmetrie nicht passt. Dann fehlt die Entschlossenheit am Schanzentisch. Kraft auf der anderen Seite ist in Hochform, er hat vier Siege hinter sich hat und weiß: ,Ich muss nur das tun, was mir leicht fällt und gewinne.' Das ist dieser berühmte Flow-Zustand, nach dem du dich sehnst.

oe24: Trauen Sie Kraft den Grand Slam, also Siege bei allen vier Tournee-Konkurrenzen, zu? 
INNAUER: Darüber wird bereits spekuliert. Wenn man sich seine Ergebnisse anschaut: Warum nicht? Er hat in Lillehammer auf der Normalschanze gewonnen, auf der anderen Seite hatte er den Skiflugweltrekord. Heißt: Er deckt das komplette Skisprung-Spektrum ab. Mit dieser gigantischen Anpassungsfähigkeit kann er sich auch bei den vier unterschiedlichen Tournee-Schanzen abheben. Andererseits spielt gerade bei der Tournee die Witterung oft eine derart wichtige Rolle, dass du noch so gut in Form sein kannst - wenn dir z. B. der Wind einen Strich durch die Rechnung macht, kannst nicht gewinnen.

oe24: Kann das auch mit dem Fluorwachs-Verbot zu tun haben?
INNAUER: Das Fluorwachs war ein Quantensprung. Als das  aufgekommen ist, hast du keine Chance gehabt ohne das Zeug. Wenn das wieder wegfällt, ist es eine Wissenschaft, die richtige Mixtur zusammen zu bekommen. Und da sind wir offenbar sehr gut, das kann auch ein kleiner Puzzlestein sein.

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