Nach Salvini-Aus

Italien plant neuen Migrationskurs

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Einwanderungsthematik droht aber auch neues Kabinett zu spalten. 

Während der scheidende Innenminister Matteo Salvini die Koffer packt und zwei Migrantenschiffe im Mittelmeer auf die Landung warten, wird in den römischen Palästen über Italiens künftige Einwanderungspolitik gestritten.
 
Nach dem Ende der Regierung mit der rechtspopulistische Lega ist eine Änderung im italienischen Migrationskurs zu erwarten: Die Ära von Salvinis "geschlossenen Häfen" dürfte zu Ende gehen.
 

Politik der "geschlossenen Häfen"

Zwar bleibt die Fünf-Sterne-Bewegung auch mit der neuen Regierung um Premier Giuseppe Conte an den Machthebeln, die populistische Partei hatte jedoch bisher mit wenig Überzeugung Salvinis harte Einwanderungslinie unterstützt. Immer wieder hatte der linke Flügel der "Cinque Stelle" gegen Salvinis rigide Flüchtlingspolitik aufbegehrt. Dieser Flügel um den Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, demonstrierte in den letzten Monaten immer mehr Widerstand dagegen, dass sich die Parteispitze ihre Einwanderungspolitik vom Bündnispartner Lega diktieren ließ. Immer wieder hatte Fico für mehr "Menschlichkeit" im Umgang mit Migranten plädiert, die wochenlang auf NGO-Schiffen vor Italien ausharren mussten.
 
Salvinis Politik der "geschlossenen Häfen" kam bei den Italienern sehr gut an und bescherte dem Lega-Chef vor der Regierungskrise ein Popularitätshoch. Eine Abwendung von diesem Kurs könnte der Fünf-Sterne-Bewegung jetzt politisch teuer zu stehen kommen. Daher räumte Parteichef Luigi Di Maio in seinem Zehn-Punkte-Programm der Einwanderungsproblematik eine relevante Rolle ein. Er drängt auf eine Reform des Dubliner Asylabkommens, auf Entwicklungshilfe in afrikanischen Ländern, auf aktiven Kampf gegen Menschenhandel und auf Migrantenrückführungen.
 

Zwist in neuer Koalition

Die Migrationspolitik droht zum Nährboden für Streit zwischen den beiden möglichen Koalitionspartnern "Cinque Stelle" und Sozialdemokraten (PD - Partito Democratico) zu werden. Die Sozialdemokraten fordern die sofortige Abschaffung des von Salvini im Parlament durchgesetzten Sicherheitspakets, mit dem drakonische Strafen für Rettungsschiffe eingeführt wurden, die ohne Erlaubnis in Italien einlaufen. Die PD ist für einen milderen Migrationskurs und fordert die Abwendung von Salvinis Einwanderungspolitik, wegen der Italien laut den Sozialdemokraten in Europa isoliert wurde. Die Fünf Sterne befürchten aber klare Popularitätsverluste, sollten sie von der von der Lega bestimmten rigorosen Anti-Einwanderungslinie massiv abweichen und das erst vor wenigen Wochen vom Parlament verabschiedete Sicherheitspaket abschaffen.
 
Gestritten wird bereits, welche der beiden Parteien Salvinis Innenministerium erbt. Die Sozialdemokraten fordern das Schlüsselressort für sich und schlagen als Kandidaten für den Ministerposten Ex-Innenminister Marco Minniti vor. Als Alternative zu Minniti kommt der parteilose Chef der italienischen Polizei, Franco Gabrielli, infrage, verlautete es in Rom.
 
Der designierte Premier Conte wird auf Schwierigkeiten stoßen, die Positionen der möglichen Koalitionspartner in Sachen Migration auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In seiner Ansprache nach seiner Beauftragung mit der Regierungsbildung am Donnerstag erwähnte er das heikle Migrationsthema nicht, was Beobachter nicht ganz überraschte.
 
In die Debatte zur Einwanderungsfrage schaltete sich auch der ungarische Premier Viktor Orban ein. In einem am Donnerstag veröffentlichten Schreiben nannte er Noch-Innenminister Salvini einen "Kampfgenossen" in der Flüchtlingspolitik und dankte ihm für seinen Einsatz. "Ich versichere Ihnen, dass wir Ungarn nie vergessen werden, dass Sie der erste westeuropäische Spitzenpolitiker waren, der versucht hat, den Zufluss illegaler Migranten nach Europa über das Mittelmeer zu verhindern", schrieb der ungarische Regierungschef an Salvini. "Wir betrachten Sie als Kampfgenossen in der Bewahrung des europäischen christlichen Erbes und im Kampf zum Stopp der Migration", hieß es im Schreiben.
 
Salvini verabschiedete sich indes von den Mitarbeitern des Innenministeriums und rief die Italiener zu einer Großkundgebung am 19. Oktober in Rom auf. Zugleich griff Salvini die künftigen Regierungspartner an. "Ihr werdet mich nicht mit einem kleinen Palastschauspiel los", sagte er. Er werde "nicht lockerlassen" und sei "entschlossener denn je ", wieder an die Macht zurückzukehren. Die künftige Regierung werde "nicht lange halten".
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