Großangriff

Nach Hamas-Terror: Zahl der Toten in Israel steigt auf 900

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Die Hamas drohte mit der Tötung gefangen genommener israelischer Zivilisten, sollte Israel ohne Vorwarnung die Häuser von Zivilisten im Gazastreifen bombardieren. 

Jerusalem/New York. Nach dem Großangriff der islamistischen Hamas aus dem Gazastreifen ist die Zahl der Toten in Israel auf rund 900 Menschen gestiegen. Das teilte das Pressebüro der Regierung am Montag mit. Rund 2.600 Menschen seien verletzt worden. Die Hamas hatte am Samstag bei ihrem massiven Angriff auch rund 150 Menschen aus Israel in den Gazastreifen verschleppt, wie es weiter hieß. Zuvor hatte Israel von mehr als 100 Entführten gesprochen.

100 Leichen in zerstörtem Kibbuz geborgen

Allein in einem völlig zerstörten Kibbuz nahe des Gazastreifens mit rund 1.000 Einwohnern wurden am Montag, dem ersten Tag der Suche, mehr als 100 Leichen geborgen, wie Medien unter Berufung auf Rettungskräfte meldeten. Dort würden weitere Todesopfer befürchtet.

Israel
© APA/AFP/JACK GUEZ
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Bei israelischen Luftangriffen als Reaktion auf den Großangriff wurden im Gazastreifen nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mindestens 687 Menschen getötet und mehr als 3.800 verletzt.

Hamas droht mit Tötung von Geiseln

Unterdessen drohte die Hamas mit der Tötung gefangen genommener israelischer Zivilisten, sollte Israel ohne Vorwarnung die Häuser von Zivilisten im Gazastreifen bombardieren. Hamas-Sprecher Abu Obaida sagte am Montag, bisher seien die israelischen Gefangenen im Einklang mit den Vorschriften des Islam unversehrt gehalten worden.

Die israelische Armee hat unterdessen nach eigenen Angaben die vollständige Kontrolle in den von der Hamas angegriffenen Orten zurückerlangt. "Wir haben die Kontrolle über die Orte", sagte Armeesprecher Daniel Hagari am Montag über die südisraelischen Gebiete in der Nähe des Gazastreifens. Allerdings könnten sich noch "Terroristen" in der Region aufhalten. Israels Verteidigungsminister Yoav Gallant ordnete die totale Blockade des Gazastreifens an. 300.000 Reservisten werden mobilgemacht.

"Keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff"

"Es wird keinen Strom, keine Lebensmittel und keinen Treibstoff geben", sagte Gallant hinsichtlich der Blockade. Man habe es mit Barbaren zu tun und werde dementsprechend handeln. Das israelische Sicherheitskabinett hatte in der Nacht zum Sonntag bereits einen grundsätzlichen Stopp der Einfuhr von Strom, Brennstoff und Waren in das Palästinensergebiet beschlossen. Die Wasserversorgung wurde bereits mit sofortiger Wirkung gestoppt. "Was in der Vergangenheit war, wird in der Zukunft nicht länger sein", erklärte der zuständige Infrastrukturminister Israel Katz dazu.

Gaza Stadt
© APA/AFP/MOHAMMED ABED
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Ein israelischer Militärsprecher erklärte, es sei die Hamas, die selbst bei dem Großangriff am Samstag die Übergänge nach Israel zerstört habe. Ein Grenzverkehr sei daher gegenwärtig ohnehin nicht möglich. Man werde sich auch mit dem Wiederaufbau nicht beeilen.

Hilfslieferungen aus Ägypten

Die Bevölkerung im Gazastreifen könnte allerdings Hilfslieferungen aus Ägypten erhalten. Lieferungen verschiedener NGOs stünden nahe dem Grenzübergang bereit, teilte ein Vertreter der palästinensischen Botschaft in Rafah, dem ägyptischen Grenzübergang in den Gazastreifen, am Montag mit. Der Grenzübergang ist derzeit geöffnet, die ägyptischen Behörden müssen noch ihr Einverständnis geben. Bereits am Sonntag waren erste Lieferungen in Gaza angekommen.

Auch Dutzende Krankenwagen standen bereit und warteten auf Anweisungen der ägyptischen Behörden, wie es weiter hieß. Aus Sicherheitskreisen erfuhr dpa, dass bisher keine palästinensischen Verwundeten angekommen seien, "wegen der Schwierigkeiten angesichts des israelischen Beschusses". Der zuständige Gouverneur im Nord-Sinai bestätigte der dpa, die Krankenhäuser im Grenzgebiet seien in Alarmbereitschaft.

Arabische Liga kündigte Sondertreffen an 

Unterdessen kündigte die Arabische Liga für Mittwoch ein Sondertreffen an. Die Außenminister der Mitgliedsstaaten wollten Wege besprechen, um "die israelische Aggression zu stoppen", heißt es in einer Erklärung. Die Palästinenser hätten um das Treffen gebeten.

Hamas-Terror gegen Israel

Rakete aus Gaza - abgefeuert am Morgen des 7. Oktober.

Ausgebrannte Autos in Aschkelon, einer Hafenstadt mit 140.000 Einwohnern im Südbezirk von Israel.

Brennendes Wohnhaus in Tel Aviv nach dem Raketenbeschuss aus Gaza.

Palästinenser übernehmen einen israelischer Merkava-Kampfpanzer, kurz nachdem sie am 7. Oktober die Grenze gestürmt haben.

Hamas-Schlächter tragen den Leichnam des 19-jährigen Ahmad Awawda, der am Vortag bei Kämpfen mit Israels Armee getötet wurde.

Israelische Soldaten in Aschkelon.

Zerstörung in Aschkelon.

Israelischer Yasur-Kampfhubschrauber über Tel Aviv.

Israelische Soldaten in Sderot, einer 26.000-Einwohner-Stadt an der Grenze zum Gaza-Streifen.

Journalisten und israelische Soldaten in Sderot am 8. Oktober.

Im Gazastreifen leben mehr als zwei Millionen Menschen nach UNO-Angaben unter sehr schlechten Bedingungen. Der Gazastreifen zieht sich über eine Länge von etwa 40 Kilometer am Mittelmeer entlang und ist etwa sechs bis zwölf Kilometer breit. Die Fläche ist etwas größer als die von München. Die Hamas hatte 2007 gewaltsam die alleinige Macht an sich gerissen. Israel verschärfte daraufhin eine Blockade des Küstengebiets, die von Ägypten mitgetragen wird.

Hamas hatte Samstagfrüh einen Großangriff gestartet

Die Hamas hatte Samstagfrüh einen Großangriff auf Israel gestartet und war mit hunderten Kämpfern in das Land eingedrungen. Am Montagfrüh hatte die israelische Armee zunächst mitgeteilt, es gebe noch "zwischen sieben und acht" offene Kampfschauplätze im Grenzgebiet zum Gazastreifen, an denen weiterhin gekämpft werde.

In der israelischen Küstenstadt Tel Aviv, in Jerusalem und anderen Städten Israels gab es am Montag wieder Raketenalarm. Es gab zunächst keine Angaben zu möglichen Verletzten. Das israelische Fernsehen berichtete, eine Rakete sei auf offenem Gebiet nahe Tel Aviv eingeschlagen.

Video zum Thema: Flughafen in Tel Aviv bombardiert

In Jerusalem waren Explosionen zu hören, die entweder von Raketeneinschlägen oder der Luftabwehr stammen könnten. Militante Palästinenser haben seit Samstag Tausende von Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten davon zielten auf die Grenzorte zum Gazastreifen.

Tausende Raketen auf Israel abgefeuert 

Der Überfall der Hamas und anderer militanter Palästinenser-Organisationen war der schwerste Angriff auf Israel seit dem Yom-Kippur-Krieg vor genau 50 Jahren. Die im Gazastreifen herrschende Palästinenserorganisation hatte ihren Großangriff am Samstagmorgen überraschend gestartet. Sie schoss tausende Raketen auf Israel ab und drang nach Angaben der israelischen Armee mit schätzungsweise tausend Kämpfern in israelisches Staatsgebiet ein.

Nach palästinensischen Angaben wurden bei den israelischen Luftangriffen auf Gaza vier israelische Geiseln getötet. Die entsprechenden Angaben eines Sprechers der Qassam-Brigaden, dem bewaffneten Flügel der islamistischen Hamas, ließen sich nicht unabhängig überprüfen. "Die Bombardierung des Gazastreifens in der Nacht und heute führte zur Tötung von vier Gefangenen des Feindes und deren Entführern", sagte Qassam-Brigaden-Sprecher Abu Ubaida. Ein Sprecher der israelischen Armee teilte mit, man sei sich der Berichte bewusst und prüfe sie. Bei israelischen Luftangriffen auf das Flüchtlingslager Jabalia im Gazastreifen wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza Dutzende von Palästinensern getötet und verwundet, insgesamt starben bei israelischen Bombardements bisher 65 Palästinenser.

Israel mobilisiert wegen des Kriegs mit der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation Hamas rund 300.000 Reservisten. Dies sei die größte Mobilisierung in der israelischen Geschichte in so kurzer Zeit, bestätigte ein Armeesprecher am Montag.

Angriff auf ein Musikfestival: 260 Tote

Allein bei ihrem Angriff auf ein Musikfestival im Süden Israels am Samstag haben Kämpfer der Hamas nach Angaben eines israelischen Rettungsdienstes bis zu 260 Menschen getötet. Es gebe etwa "vier oder fünf Lastwagen, die jeweils 50 Leichen" von dem Festivalgelände in der Nähe des Gazastreifens abtransportierten, sagte der Sprecher des israelischen Rettungsdienstes Zaka, Moti Bukjin, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Er gehe von "etwa 200 bis 250 Leichen" aus. Sie haben die Menschen kaltblütig auf eine absolut unfassbare Weise abgeschlachtet", sagte der Zaka-Sprecher. So etwas habe er in den 28 Jahren seiner Tätigkeit für die auf die Bergung von Leichen spezialisierte Organisation noch nicht gesehen.

Zuvor hatten israelische Medien über den Hamas-Angriff auf das Musikfestival in der Nähe des Kibbuz Reim berichtet. Dort hatten sich demnach am Samstag hunderte junge Israelis zum Feiern versammelt, als Hamas-Kämpfer ihren Großangriff auf Israel starteten und auch die Festivalgäste angriffen. Offenbar wurde eine junge Deutsch-Israelin bei dem Festival von der Hamas verschleppt.

Nach den Angriffen der islamistischen Hamas auf Israel sind im Zuge des israelischen Gegenangriffs mehr als 123.000 Palästinenser innerhalb des Gazastreifens auf der Flucht. Das teilte das UNO-Nothilfebüro (OCHA) in der Nacht auf Montag mit. Die Menschen seien aus Angst um ihre Sicherheit geflüchtet oder weil ihre Häuser zerstört worden seien, hieß es.

Schäden an Wasser- und Sanitärinfrastruktur

Die israelischen Streitkräfte hätten Wohnhäuser unter Beschuss genommen, berichtete OCHA. Laut dem Ministerium für öffentliche Bauten und Wohnen in Gaza sind 159 Wohneinheiten zerstört und 1.210 schwer beschädigt worden. Durch die israelischen Luftangriffe entstanden laut OCHA auch Schäden an Wasser- und Sanitärinfrastruktur für mehr als 400.000 Menschen sowie an mehreren Gesundheitseinrichtungen.

Der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus sprach mit Blick auf den Hamas-Angriff vom "bei Weitem schlimmsten Tag in Israels Geschichte". Nie zuvor seien so viele Israelis auf einen Schlag getötet worden. Es sei ein "11. September und ein Pearl Harbour in einem", fügte der Armeesprecher mit Blick auf verheerende Angriffe in der US-Geschichte hinzu, die zugleich entscheidende Wendepunkte waren.

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