Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber hat den wochenlangen innerparteilichen Machtkampf verloren und seinen Rückzug von allen Spitzenämtern angekündigt.
Der CSU-Chef trat am Donnerstagmittag in der Münchner Staatskanzlei vor die Presse und kündigte an, sowohl das Amt des Ministerpräsidenten als auch den Parteivorsitz niederzulegen. Zuvor waren am Morgen aus der CSU-Führungsspitze bereits Namen von möglichen Nachfolgern lanciert worden.
Seehofer und Huber als Kandidaten?
Unmittelbar nach der
Ankündigung Stoibers reklamierten CSU-Vize Horst Seehofer und der bayerische
Wirtschaftsminister Erwin Huber ihren Anspruch auf den Parteivorsitz.
Innenminister Günther Beckstein signalisierte eine Kandidatur für den
Ministerpräsidenten-Posten. Die SPD und die Grünen forderte Neuwahlen in
Bayern. SPD-Parteichef Kurt Beck bezeichnete die Lage der Koalition als
schwierig, solange die Führungskrise des Koalitionspartners ungelöst sei.
Vizekanzler Franz Müntefering versicherte aber: "Die Koalition steht. Die CSU ist sicher dabei." Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, sie respektiere die Entscheidung Stoibers, der Bayern nachhaltig geprägt habe. "Das, was er mit Laptop und Lederhose auf die Reihe gebracht hat, hat Bayern zu dem führenden Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland gemacht."
Amtsabgabe am 30. September
"Ich werde mein Amt als bayerischer
Ministerpräsident zum 30. September 2007 abgeben", sagte Stoiber, der seit
fast 14 Jahren an der Spitze der bayerischen Regierung steht. "Ich werde auf
dem CSU-Parteitag im September auch nicht mehr als CSU-Vorsitzender
kandidieren", sagte er in seiner knapp zweiminütigen Stellungnahme.
"Diese Entscheidung habe ich getroffen, weil es mir wichtig ist, zum richtigen Zeitpunkt für Bayern und für die CSU zu handeln", sagte Stoiber weiter. "Der Erfolg und die Geschlossenheit der CSU, das Wohl und die Zukunftsfähigkeit des Freistaats Bayerns waren stets mein oberstes politisches Ziel." In der CSU-Spitze sei vereinbart worden, dass bei einem vorgezogenen Parteitag im September ein Spitzenkandidat nominiert und ein neuer Parteichef gewählt werden sollten.
Seit 1993 Ministerpräsident
Stoiber ist seit Mai 1993
Ministerpräsident. Als Parteichef amtiert er fast auf den Tag genau seit
acht Jahren. Nach wochenlangen Kontroversen um die Führungsstärke Stoibers
hatte die CSU zuvor neuerlich den Druck auf Stoiber erhöht, sich von seinen
Ämtern zurückzuziehen. Am Donnerstag wurde aus der CSU-Führung berichtet,
Beckstein und Huber hätten sich bereits darauf verständigt, Stoiber aus
beiden Ämtern zu verdrängen und selbst die Nachfolge anzutreten. Demnach
soll Beckstein neuer Ministerpräsident und Huber Parteichef werden.
Beckstein sagte am Abend im Bayerischen Rundfunk, er habe stets erklärt, nicht gegen Stoiber anzutreten. Mit dessen Ankündigung sei nun eine neue Lage eingetreten. Huber empfahl sich im "Münchner Merkur" mit dem Argument als Parteichef, er verfüge als Minister und Partei-Generalsekretär über lange politische Erfahrung.
Seehofer seit 25 Jahren in CSU
CSU-Vize Seehofer kündigte
ebenfalls seine Kandidatur als Parteichef an: Er halte es für wünschenswert,
wenn die CSU ihren bundespolitischen Anspruch durch einen in Berlin
angesiedelten Parteivorsitzenden unterstreiche, sagte der
Bundeslandwirtschaftsminister vor der Eröffung der Agrarmesse "Grüne Woche"
in Berlin. Er sei sich mit Huber einig, dass es kein Beinbruch sei, wenn
sich bei dem Parteitag zwei Kandidaten zur Wahl stellten. Er bewerbe sich,
weil er seit 25 Jahren in herausgehobenener Position in der CSU tätig sei.
Stoiber kämpfte ums Überleben
Stoiber hatte in
ungezählten Marathon-Sitzungen um sein politisches Überleben gekämpft.
Zwischenzeitlich schien es, als könne ihm dies gelingen: Vor zehn Tagen
sicherte das CSU-Präsidium dem Regierungschef zu, seine neuerliche
Spitzen-Kandidatur bei der Landtagswahl 2008 zu unterstützen. Zugleich wurde
ihm nahegelegt, sich um eine Nachfolge-Regelung innerhalb der nächsten
Wahlperiode zu kümmern. Als Stoiber die dazu sorgsam austarierte
Formulierung, die Partei setze "über das Jahr 2008 hinaus" auf ihn, als
Freibrief für eine weitere komplette Amtszeit interpretierte, nahm der
innerparteiliche Widerstand neuerlich zu.
Respekt vom Münchner Erzbischof
Der Münchner Erzbischof
Kardinal Friedrich Wetter hat dem bayerischen Ministerpräsidenten Edmund
Stoiber nach dessen Rückzugserklärung seine Anerkennung ausgesprochen.
"Diese Entscheidung verdient Respekt", erklärte Wetter am Donnerstag in
München. "Namens der bayerischen Bischöfe danke ich ihm für die besondere
Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die er den Anliegen und dem Wirken der
katholischen Kirche in Bayern entgegengebracht hat", sagte der Erzbischof.