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Transit: Salvini kündigt Gang zum EuGH an

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Italien macht offenbar seine Drohung wahr und wendet sich wegen des Konflikts mit Österreich aufgrund der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH).  

Vor dem Parlament in Rom kündigte Vizepremier und Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) am Mittwoch den Gang zum EuGH an. Gleichzeitig kritisierte er EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) scharf, weil sie noch kein EU-Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet habe.

"An diesem Punkt angelangt, vertrauen wir der Gerechtigkeit des EU-Gerichtshofs. Unsere Regierung wird dieser Schande ein Ende setzen", betonte Salvini bei einer Fragestunde im Parlament und meinte weiters: "Nach vier Jahren Untätigkeit der Europäischen Kommission hat diese Regierung beschlossen, das im EU-Vertrag vorgesehene Verfahren zu aktivieren, um einen anderen Staat wegen Verletzung des EU-Rechts vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen. Dies ist eine starke, aber notwendige Initiative. Mein Ministerium und die Regierung bereiten das Dossier vor." Erst vergangene Woche hatte Salvini mit einem Gang vor den EuGH gedroht und die Erarbeitung des Dossiers angekündigt.

Laut Artikel 259 könne jeder EU-Mitgliedstaat den EuGH anrufen, wenn er der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen verstoßen hat, hatte Salvini vergangene Woche betont. Bevor ein Mitgliedstaat wegen einer angeblichen Verletzung der Verpflichtungen aus den Verträgen gegen einen anderen Staat Klage erhebt, muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden. Die EU-Kommission erlässt eine mit Gründen versehene Stellungnahme und gibt den beteiligten Staaten zuvor Gelegenheit zu schriftlicher und mündlicher Äußerung in einem kontradiktorischen Verfahren. Gibt die Kommission binnen drei Monaten nach dem Zeitpunkt, in dem ein entsprechender Antrag gestellt wurde, keine Stellungnahme ab, so kann ungeachtet des Fehlens der Stellungnahme vor dem Gerichtshof geklagt werden.

"Wir haben es mit einem Akt der Gewalt und der politischen Arroganz seitens der Regierung eines EU-Mitgliedstaates zu tun, dem wir ein Ende setzen müssen. Die Beschränkungen wurden von Österreich aus Gründen des Umweltschutzes eingeführt, aber hier geht es nicht um Umwelt", polterte Salvini am Mittwoch einmal mehr. Hier gehe es einfach um unlauteren österreichischen Wettbewerb gegen Unternehmer und Frächter aus Italien, Deutschland und dem gesamten europäischen Kontinent.

Die italienischen Frächterverbände ANITA und Conftrasporto begrüßten Salvinis Worte. "Nun hoffen wir, dass der Europäische Gerichtshof endlich Klarheit in der heiklen Transitfrage schafft. Wir danken Minister Salvini ausdrücklich für seine Arbeit und dafür, dass er alle notwendigen Anstrengungen unternommen hat, um ein so wichtiges Thema für die Unternehmen des Sektors zu behandeln", hieß es in einer Presseaussendung des ANITA-Verbands.

Erneut kritisierte Salvini zudem die Pläne der österreichischen Bundesregierung, wegen der Flüchtlingssituation außerordentliche Kontrollen an den Grenzen zum Schengen-Partner Italien einzuführen. Salvini will daher im Oktober zum Brenner reisen. "Das wird eine Gelegenheit sein, um die Lage zu prüfen, nachdem Wien angekündigt hat, die Grenzkontrollen verschärfen zu wollen. Italien darf von anderen EU-Ländern nicht benachteiligt werden: Ohne eine Rückkehr zu einer loyalen Zusammenarbeit will Salvini eine Verschärfung der Grenzkontrollen für österreichische Fahrzeuge vorschlagen", hieß es in einer Mitteilung des Verkehrsministeriums in Rom.

Am Wochenende hatte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) aufgrund der Situation in Lampedusa außerordentliche Kontrollen an den Grenzen zum Schengen-Partner Italien erwogen bzw. in Aussicht gestellt. Tirols Landespolizeidirektor Helmut Tomac kündigte unter anderem verstärkte Kontrollen im Hinterland an. Stichproben-Kontrollen auf der Autobahn sowie Kontrollen in den Zügen führe man ohnehin durch. Man stelle aber fest, dass die aktuelle Route nicht über den Brenner führe. Die Aufgriffe von irregulär eingereisten Menschen in Tirol seien zwar "marginal" gestiegen, "aber nicht bemerkenswert", so Tomac.

In Sachen Transit hatte EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen zuletzt versucht, in dem Dauerkonflikt "ein letztes Vermittlungsgespräch" anzubieten. Das zugrunde liegende Problem könne nur "gemeinsam" mit den drei beteiligten Ländern Österreich, Deutschland und Italien gelöst werden, sagte die Kommissionspräsidentin. Die Transit-Konflikt nahm in den vergangenen Monaten stetig an Schärfe zu. Vor allem Salvini agitiert beständig mit Drohgebärden und heftiger Kritik gegen die Tiroler Anti-Transit-Maßnahmen wie Sektorales Fahrverbot, Nachtfahrverbot und ähnlichem. Der italienische Verkehrsminister forderte die EU-Kommission sogar offiziell auf, deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Seinen deutschen Amtskollegen Volker Wissing (FDP) hatte er mit im Boot, was die Kritik an Fahrverboten und transiteinschränkenden Maßnahmen betrifft.

Auf regionaler Ebene hatte es dagegen an der Transit-Front eine Einigung gegeben. Die Landeschefs von Bayern, Tirol und Südtirol - Markus Söder (CSU), Anton Mattle (ÖVP) und Arno Kompatscher (SVP) - hatten im April in Kufstein öffentlichkeitswirksam ein "Slot-System" präsentiert. Für ein solches digitales, grenzüberschreitendes Verkehrsmanagement müsste aber ein Staatsvertrag zwischen Österreich, Deutschland und Italien abgeschlossen werden. Ein solcher ist noch in weiter Ferne. Denn Salvini zeigte sich bisher strikt ablehnend - er will erst darüber reden, wenn die transiteinschränkenden Maßnahmen und Fahrverbote aufgehoben werden. Auch Deutschland reagierte sehr reserviert. Die Tiroler Landesregierung aus ÖVP und SPÖ betonte unterdessen stets, an den Maßnahmen festhalten zu wollen, solange es nicht eine große europäische Lösung gebe, die dem überbordenden Transitverkehr Einhalt gebietet.

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