Schwierige Zeiten für Reedereien

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Gegen Piratenangriffe schützt seit kurzem sogar die deutsche Marine große Handelsschiffe in unsicheren Gewässern. Gegen die weitaus größere Bedrohung für die Schifffahrtsbranche sind Kriegsschiffe jedoch machtlos: Den Einbruch des Handels. Die Welthandelsorganisation WTO schätzt den Rückgang des Welthandels in diesem Jahr auf zehn Prozent.

Schon rufen erste in Schieflage geratene Schifffahrtsfirmen nach staatlichen Rettungsringen. Nach Einschätzung von Experten ist das nur der Anfang. "Die Lage in der Schifffahrtsbranche ist so schlecht wie seit dem zweiten Weltkrieg nicht mehr", klagt Reederei-Verbandsgeschäftsführer Heinrich Nöll. Deutschlands führendes Unternehmen, Hapag-Lloyd, hat Kreisen zufolge kürzlich seine Eigner um eine Kapitalspritze über 750 Mio. Euro gebeten und den Staat um 1 Mrd. Euro an Krediten und Bürgschaften. Der Rivale Hamburg Süd mit der finanzstarken Oetker-Gruppe im Rücken will zwar auf Staatshilfen verzichten, wird aber wohl in diesem Jahr wie die meisten der Branche rote Zahlen schreiben. Weltweit wurde bereits rund jedes zehnte Schiff vorübergehend stillgelegt, viele Schiffe fahren derzeit für weniger Geld als ihr Betrieb kostet.

Unerwarteter Einbruch

Der Absturz kam unerwartet. Bis Mitte 2008 konnten sich Reeder angesichts der brummenden Weltkonjunktur - vor allem dank dem Boom in China - nicht vor Aufträgen retten. Der Frachtratenindex für Schüttgut, Baltic Dry, stieg auf das Allzeithoch von 11.793 Dollar (8.346 Euro). Mit dem Übergreifen der Finanzkrise auf die Weltwirtschaft brach der Index dann Anfang 2009 auf 772 Dollar ein. Während er sich angesichts angesprungener Rohstoffimporte etwa aus China nun wieder auf über 3.500 Dollar erholt hat, sind die um vier Fünftel eingebrochenen Raten im Container-Transport (ConTex) weiter leicht rückläufig. Viele Hoffnungen richten sich daher auf ein Anspringen der Konjunktur im zweiten Halbjahr.

"Es ist sehr schwer, sich Wachstum in unserem Geschäft vorzustellen bis wir Anzeichen wirtschaftlicher Erholung sehen", sagt etwa der Chef des weltweit zweitgrößten Linienreeders MSC, Gianluigi Aponte. Doch selbst wenn der Handel anzieht, werden die Reeder angesichts hausgemachter Probleme wohl keine schnelle Entwarnung geben können. Während der Boomjahre überboten sie sich gegenseitig mit Schiffsbestellungen. Das gesamte Orderbuch aller Reedereien ist knapp halb so groß wie die bereits bestehende Flotte. Nun werden die fertigen Schiffe ausgeliefert - und verschärfen die Lage. "Wir rechnen in diesem Jahr mit 13 Prozent Kapazitätszuwachs bei nur zwei Prozent Abwrackung", sagt Nöll. Der Trend werde noch mehrere Jahre anhalten.

Branche im Wandel

Nach Einschätzung von Experten wird die Krise das Gesicht der Branche verändern. "Es kann sein, dass kleinere Gesellschaften insolvent werden und sich zum Verkauf stellen müssen", sagt Reederei-Verbandschef Nöll. Große, kapitalstarke Häuser dürften profitieren. Erste Deals hat es schon gegeben. Maersk-Manager Soren Skou erklärte kürzlich im Interview, im Zuge von Übernahmen ließen sich Kosten besser senken als durch Allianzen. "Ich glaube die Branche wird in den kommenden Jahren mehr Konsolidierung sehen."

Glücklich darf sich derzeit schätzen, wer in den Boomjahren Speck angesetzt hat. Betram Rickmers von der gleichnamigen Hamburger Reederei gehört dazu: "Wir haben in den letzten Jahren gut verdient und Reserven gebildet." Ohnehin trifft die Krise nicht alle gleich hart, die Qualität der abgeschlossenen Verträge ist entscheidend. Die meisten deutschen Reeder bieten keinen regelmäßigen Linienverkehr an, sondern verchartern ihre Schiffe etwa an die Großen wie Hapag-Lloyd, MSC oder Marktführer Maersk. Unter den 20 weltgrößten Linienreedereien sind nur zwei deutsche, dennoch sind 36 Prozent der weltweiten Flotte in deutscher Hand.

Manche blicken noch relativ gelassen in die Zukunft. "Unsere Verträge laufen meist über sechs bis 15 oder sogar 18 Jahre", sagt etwa ein Sprecher der Reederei Claus-Peter Offen. "Von unseren 100 Schiffen haben derzeit zehn keine Charter." Nachverhandlungen von Charterverträgen laufen aber derzeit auf Hochtouren, wie HSH-Analyst Stefan Gäde erklärt. In guten Zeiten geschlossene Verträge werden auf Niveaus gedrückt, die bestenfalls noch kostendeckend sind. "Es gab auch schon Fälle etwa in Chile, bei denen Reeder nicht zahlen konnten und stattdessen eigene Aktien angeboten haben."

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