Ein Jahr nach der Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers melden deutsche Gläubiger Ansprüche in mehrstelliger Millionenhöhe an, berichtet das Magazin "Focus" unter Berufung auf die aktuelle Liste der Unternehmen, Kommunen und Privatpersonen, die Forderungen gegen die in Insolvenz befindliche Lehman Inc. in den USA geltend machen.
Den höchsten Betrag unter den deutschen Konzernen fordert demnach mit 345 Mio. Dollar (236 Mio. Euro) der deutsche Immobilienfinanzierer Hypo Real Estate (HRE). Auf Platz zwei folge die Deutsche Lufthansa. Die Fluglinie mache 128 Mio. Dollar geltend.
Die Lufthansa hatte sich bei Lehman gegen steigende Treibstoffpreise und ungünstige Wechselkurse abgesichert. Zu den größten deutschen Gläubigern zählen dem Bericht zufolge weiterhin die Deutsche Bank (59 Mio. Dollar), die Versicherungen Provinzial Nordwest (32 Mio. Dollar) und Deutscher Ring (22 Mio. Dollar) sowie die Deutsche Hypothekenbank (21 Mio. Dollar).
Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die Lehman voriges Jahr just am Tag der Insolvenz 320 Mio. Euro überwiesen hatte, fehle noch auf der Liste. Den Gläubigern bleibt noch einige Tage Zeit, um Ansprüche geltend zu machen. Lehman Inc. verfügt laut dem Bericht nun wieder über flüssige Mittel von 12 Mrd. Dollar. Die eingereichten Forderungen beliefen sich bisher auf etwa 150 Mrd. Dollar.
Milliardenverluste in Büchern der HRE
In den Büchern der nahezu komplett verstaatlichten HRE schlummern noch Milliarden-Verluste. In einer Deutsche-Bundesbank-Studie heißt es unter dem Titel "Eigenkapital-Szenarien", dass der Bestand an Wertpapieren und Krediten der HRE "unrealisierte Verluste" von 16,3 Mrd. Euro enthalte, so der "Tagesspiegel am Sonntag".
Würden diese in die G+V einberechnet, wären 26 Mrd. Euro nötig, um die Bank mit ausreichend Eigenkapital auszustatten. Bisher hat die vor knapp einem Jahr vom deutschen Bund und der Finanzwirtschaft gerettete Münchner Bank 3 Mrd. Euro frisches Kapital bekommen. Bis Ende 2009 sind weitere 7 Mrd. Euro vorgesehen.
Ein HRE-Sprecher nannte dieses Szenario "nicht realistisch", da es von einem sofortigen Verkauf der Kredite und Wertpapiere des Instituts ausgehe. Dabei würden in der Tat Verluste entstehen, da für die meisten Anlagen wegen der Wirtschaftskrise am Markt derzeit weniger gezahlt würde.
Das sei aber in keinster Weise geplant. "Im Gegenteil will die HRE ihr Portfolio über Zeit marktschonend und werterhaltend abbauen", sagte er. Schlussfolgerungen zum künftigen Kapitalbedarf der Bank erlaube das Szenario deshalb nicht. Bei der Bundesbank war zunächst niemand für eine Stellungnahme zu erreichen.
Banken müssen die Differenz zwischen dem Marktpreis ihrer Anlagen und dem Anschaffungspreis einmal im Jahr ausweisen. Ende 2008 lagen diese sogenannten "stillen Lasten" bei der HRE bei 31,5 Mrd. Euro. Derzeit wird die HRE mit Garantien von 100 Mrd. Euro künstlich am Leben erhalten. Sie war nach Fehlspekulationen ihrer Staatsfinanzierungstochter Depfa in Dublin an den Rand des Ruins geraten.
Ein Zusammenbruch hätte das weltweite Finanzsystem im Herbst 2008 ähnlich stark erschüttern können wie die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers, begründete die deutsche Regierung damals die Rettung. Der deutsche Bund hält 90 Prozent der HRE-Aktien und will sich kommenden Monat noch den Rest sichern. Die HRE wird derzeit grundlegend umgebaut. Das Kerngeschäft wurde in der extra gegründeten Deutschen Pfandbriefbank gebündelt.