Schock

Österreich zahlt 1 Mrd. Euro mehr

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Experten schätzen den Finanzbedarf der Griechen höher als die EU-Hilfe ein. Österreich soll jetzt bis zu 3,4 Milliarden Euro zahlen.

Kein Tag ohne Hiobsbotschaft zu den Pleite-Griechen: Möglicherweise muss Österreich bis 2012 deutlich mehr Kredit als die bisher fixierten 2,3 Mrd. Euro an die Griechen vergeben. Jetzt steht eine Summe von bis 3,4 Milliarden Euro im Raum.

„Griechen brauchen mehr“

Der Grund: Experten – allen voran das deutsche Finanzministerium – gehen davon aus, dass der Finanzbedarf Griechenlands viel höher als bisher erwartet ist. Die Rede ist jetzt von 150 Mrd. bis Ende 2012 – am Sonntag hatte die EU fixiert, in den nächsten drei Jahren 110 Mrd. Euro locker zu machen.

Dazu Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der Bank Austria: „Die 150 Mrd. Euro sind sicher ein Höchstwert. Gelingt es den Griechen nicht, trotz Sparkurs eine Neuverschuldung zu verhindern, steigt der Finanzbedarf sicherlich um Einiges.“

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Geld aus Anleihen?

So wollen die Griechen an weitere Milliarden kommen: Zuerst soll Geld vom Kapitalmarkt via Staatsanleihen fließen. Ein Unterfangen mit Risiko: „Das klappt nur, wenn der Preis passt“, sagt Bruckbauer.

Gelingt das nicht, müssen wieder die Euroländer einspringen. Die 16 Staaten müssten dann zusätzlich 40 Milliarden Euro an Krediten vergeben – Deutschland müsste bis zu 30 Mrd. berappen.

Mehr Geld aus Österreich?

Für Österreich bedeutet das: Entsprechend des EZB-Schlüssels der Euroländer (2,86 Prozent) fließen dann bis zu 3,4 Milliarden Austro-Kredite.

Für Finanzminister Josef Pröll ist das derzeit undenkbar. Er bleibt dabei: „Der Maximalrahmen beträgt derzeit 2,3 Milliarden Euro.“ Vorerst.

Griechen versinken im Chaos

Das also ist Griechenlands Dank für 110 Mrd. Euro, 2,29 davon aus Österreich. Am Tag nach Ausstellen des Megaschecks gingen in Athen die wütenden Proteste weiter. Dutzende stürmten die Akropolis, demonstrierten gegen das harte Sparprogramm, das Brüssel nun fordert.

Zwei große Transparente wurden an die Akropolis gehängt. Auf Griechisch und Englisch stand zu lesen: „Völker Europas erhebt euch“. Daneben wüste Drohungen gegen EU und Beamte des IWF: „Verschwindet aus dem Land! “ Die Wut richtet sich vor allem gegen Poul Thomsen. Er ist Däne und Chef-Unterhändler des IWF. In Athen soll er den Feuerwehrmann spielen.

Die Löhne von Beamten müssen gekürzt werden, Zusatz-Pensionen gestrichen und öffentliche Ausgaben radikal minimiert. 30 Milliarden sollen 2010 eingespart werden.

Außerdem wird Thomsen das Überweisen der Hilfsgelder überwachen und vierteljährlich die Konsolidierungsmaßnahmen der griechischen Regierung kontrollieren. Athen muss somit – nach Jahren schlimmster Budget-Manipulationen – endlich die Karten auf den Tisch legen. Für Thomsen und seine Leute wurde verstärkter Polizeischutz angefordert.

Flüge gestrichen, Schulen geschlossen, TV gestürmt

Brüssel will knallharte Sanierungsmaßnahmen, die Griechen aber wehren sich gegen das Sparprogramm: „Der freie Fall unseres Lebensstandards muss ein Ende haben“, sagt Spyros Papaspyros, Chef der größten Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes.

Hunderttausende Beamten legten inzwischen die Arbeit nieder – Ministerien, Steuerämter und alle anderen Behörden blieben unterbesetzt. In den meisten Schulen streikten die Lehrer, in Athen stürmten wütende Pädagogen sogar den Staatsfunk, erzwangen eine Unterbrechung des Programms, hielten die Bildungsministerin fest.

Die Müllabfuhr räumt den Dreck nicht mehr weg, Rentner gehen auf die Straße, zahlreiche Buslinien stehen im ganzen Land still, auch auf den Inseln.

In Radio und TV gibt es keine Nachrichten, Journalisten streiken. Fluglotsen haben den Luftraum über Griechenland geschlossen. Heute, Mittwoch, fallen alle Flüge von und nach Griechenland komplett aus.

ÖSTERREICH: Österreich muss jetzt Griechenland Kredite in der Höhe von 2,3 Mrd. Euro zuschießen. Schließen Sie aus, dass die Griechen noch mehr Geld brauchen könnten?

Werner Faymann: Nein, ich kann das seriöserweise nicht ausschließen. Wir können nicht vorwegnehmen, was in den nächsten Jahren in Griechenland passiert. Und ich kann auch nicht ausschließen, dass auch andere Länder betroffen sein könnten. Die Menschen müssen uns vertrauen können, und ich betätige mich nicht als Astrologe, der behauptet, dass er weiß, was morgen passiert. Jemand, der das strikt ausschließen würde, dem würde ich misstrauen.

ÖSTERREICH: Das heißt, Sie misstrauen Ihrem Koalitionspartner. Denn VP-Vizekanzler Pröll hat ausgeschlossen, dass Österreich mehr als 2,3 Mrd. Euro beitragen müsse.

Faymann: Josef Pröll meint, dass Optimismus nötig sei. Und das stimmt ja auch. Aber man muss auch realistisch sein. Ich erinnere daran, dass es vor einigen Wochen noch geheißen hatte, dass wir maximal 800 Millionen Euro beitragen müssten. Und soweit ich weiß, hatte Josef Pröll vergangene Woche noch gesagt, Österreich werde maximal zwei Milliarden beitragen müssen. Da bleibe ich lieber vorsichtig. Ich möchte die Menschen nicht verunsichern,

ÖSTERREICH: Sie haben bislang zur Griechenland-Hilfe geschwiegen, weil das Thema unpopulär ist?

Faymann: Nein, es waren die Finanzminister an der Reihe. Natürlich muss geholfen werden, aber jetzt geht es darum, die Karten auf den Tisch zu legen. Wir müssen in der EU für größtmögliche Transparenz sorgen. Denn die Menschen fürchten sich vor zwei Dingen: Dass jetzt wieder die Falschen zahlen müssen – dagegen bin ich strikt – oder, dass nach der Krise wieder dieselben Fehler gemacht werden.

ÖSTERREICH: Wie wollen Sie das verhindern?

Faymann: Es geht um strenge Regeln für die Finanzmärkte und auch darum, dass jetzt gerecht gespart wird. Daher bin ich auch für die Bankenabgabe. Josef Pröll hat gesagt, dass wir 5 Mrd. Euro verloren hätten, wenn wir nicht 2,3 Mrd. Euro beigetragen hätten. Schon, aber Sie und ich haben nicht in Griechenland investiert, oder? Damit sind die Gelder der Banken gemeint. Und daher müssen die Banken einen Beitrag leisten.

ÖSTERREICH: Die ÖVP hat aber andere Steuervorschläge...

Faymann: Wir machen konkrete Vorschläge, während der Koalitionspartner erklärt, wie kompliziert dies sei. Aber nach Widerspenstigkeit erkenne ich Bewegung in der ÖVP. Vorarlbergs Landeshauptmann hat sich etwa auch für Vermögenssteuern ausgesprochen ...

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