Türkei setzt auf neue Nachbarschafts-Politik

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Die türkische Wirtschaft rechnet mit frischem Wind durch den neuen "Null-Probleme-Mit-den-Nachbarn"-Kurs in der Außenpolitik.

Nach den jüngsten Abkommen mit dem Irak, die Aufhebung der Visapflicht mit Syrien und die Annäherung an Armenien, sieht Cafer Sait Okray, einer der Vorsitzenden eines Zusammenschlusses verschiedener Unternehmerverbände zur Förderung der wirtschaftlichen Außenbeziehungen, "steigende Chancen in den Nachbarstaaten".

Im laufenden Jahr rechnet die türkische Regierung mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung von 6 % - der IWF sogar mit -6,5 %. Vor allem im ersten Quartal traf die Wirtschaftskrise die Türkei mit voller Härte: Die Konjunktur brach um 14,3 % ein, die Exporte schrumpften um mehr als ein Viertel. Die Arbeitslosigkeit liegt derzeit bei rund 15 %.

Bauwirtschaft hofft auf Aufträge

Dennoch sehen sich die Wirtschaftsvertreter weniger stark von der globalen Rezession getroffen als andere und vor allem weniger lange. Okray geht davon aus, dass die Regierungsprognose für 2010, die von 3,5 % Wirtschaftswachstum ausgeht, jedenfalls übertroffen wird.

Von den engeren Beziehungen mit dem Irak wird vor allem die riesige türkische Bauwirtschaft - Nummer zwei weltweit - profitieren, erwartet Okray. Schon jetzt sind die türkischen Unternehmen die wichtigsten Handelspartner für den Irak, insbesondere bei Nahrungsmitteln.

Enger geknüpft werden die Beziehungen mit den Golfstaaten, aber auch mit Algerien. Eine Öffnung der Grenzen mir Armenien, wenn diese nach Ansicht von politischen Beobachtern auch noch dauern kann, würde wiederum einen direkteren Verlauf der geplanten Öl- und Gaspipelines über die Türkei erlauben.

Industriezone in Südostanatolien

Gaziantep, eine boomende Stadt in Südostanatolien, kaum 50 km von der syrischen Grenze entfernt, bekam die Krise nach Ansicht des Provinzgouverneurs Suleiman Kamci wegen der engen Handelsbeziehungen mit Syrien und dem Irak kaum zu spüren. Die Wirtschaft wird dort heuer um 6 % wachsen. Fast 40 Prozent der Exporte der Region gehen in den Irak, 6 % nach Syrien und "nur" 25 % in die EU. In der Türkei insgesamt machen die Ausfuhren in die EU noch immer den Löwenanteil von 60 % aus, wenn auch mit sinkender Tendenz.

Gaziantep ist eine der Erfolgsgeschichten des staatlichen türkischen Wirtschaftsförderprogramms der vergangenen 30 Jahre. Außerhalb der 1,36 Mio. Einwohnerstadt, mit ihrer mehr als 5000 Jahre alten Festung, haben sich im Industriezentrum in 13 Jahren mehr als 700 Firmen angesiedelt, die rund 70.000 Menschen beschäftigen.

Produziert werden vor allem Textilien, Teppiche und Teigwaren sowie Kunststofffenster. Wegen der gestiegenen Exporte in Richtung Bagdad und Damaskus werde das Minus der Industriezone 2009 nur 5 % - in US-Dollar - ausmachen, betont der Generaldirektor, Cengiz Simsek.

Eine der Firmen am Gelände ist die Textiltochter des türkischen Mischkonzerns Sanko, die in Gaziantep Handtücher und Leintücher herstellt, auch für klingende Namen wie Polo Ralph Lauren oder Esprit. 16.000 Stück Handtücher und 2.000 Bettüberzüge schaffen die Maschinen täglich, erzählt der Niederlassungschef Vedat Bassimitci. Die Handtuchproduktion von Sanko bekam die Krise allerdings deutlich zu spüren, mit Absatzrückgängen von rund 20 %. Die Exporte gehen zu je 45 % in die EU - vor allem nach Großbritannien - und in die EU.

Auch im Großen Bazar in Istanbul beklagen sich die Händler über Geschäftsrückgänge. Ausgeblieben sind vor allem die Touristen. Auch die Türken selbst sind knausriger geworden. Im Gesamtjahr soll der private Konsum immerhin aber um 2 % zunehmen, 2010 um 2,5 %.

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