Keine unmittelbare Bedrohung für Passagiere, aber große Strahlendosis.
Gewitterwolken entladen sich nicht nur mit den bekannten Lichtblitzen, sie stoßen auch Gammastrahlen-Blitze aus. Diese sogenannten "terrestrischen Gammablitze" entstehen ungefähr in der Höhe, in der Verkehrsflugzeuge unterwegs sind, und sind so energiereich, dass sie von Satelliten in vielen Tausend Kilometern Entfernung gemessen werden können, erklärten Experten heute bei der Generalversammlung der Europäischen Geowissenschaftlichen Union (EGU) in Wien. Für Flugzeuge und ihre Passagiere bestünde zwar keine unmittelbare Bedrohung, dennoch könnten sie selten aber doch eine erhebliche Strahlendosis abbekommen, sagten sie.
Gefährliche Strahlungsmengen?
Dass Gewitter manchmal kurze aber energiegeladene Stöße von Gammastrahlen ausstoßen können, weiß man seit knapp einem Jahrzehnt. Allerdings war es bis vor kurzem schwierig zu sagen, ob dabei für Mensch und Maschine gefährliche Strahlungsmengen entstehen, denn man habe nicht wirklich gewusst, wie sie in den Gewitterwolken entstehen, so Joseph Dwyer vom Department of Physics and Space Science am Florida Institute of Technology (USA).
"Dunkle Blitze"
Gemeinsam mit Kollegen hat er ein Modell erstellt, um dies zu erklären. Demnach würden in Gewittern auch Elektronen und ihre Antimaterie-Pendants, die Positronen, wechselwirken. Dabei steige die Zahl dieser hochenergetischen Teilchen explosionsartig an und Gamma-Strahlen werden abgegeben. Licht würde bei Gammablitzen kaum entstehen, daher nennen die Forscher sie auch "Dunkle Blitze". Sie würden bloß blass-blau fluoreszieren, so Dwyer.
Mit diesem Modell könne man auch ausrechnen, was mit Flugzeugen und ihren Passagieren geschieht, die "zur falschen Zeit am falschen Ort sind", so der Experte. Am oberen Ende der Gewitterstürme würden die Gammablitze eine Belastung wie etwa zehn Bruströntgen bringen. "In der Mitte eines solchen Sturms kann die Dosis aber zehnmal größer sein, das entspricht etwa den höchsten Dosen, die man in der Medizin verwendet", erklärte Dwyer. "Diese Blitze sind kein Grund, dass die Leute nicht fliegen sollten, und auch als übervorsichtiger Vater habe ich keine Bedenken, wenn meine Kinder in einem Flugzeug unterwegs sind", sagte er.
Die Gammablitze könnten auch kritische Halbleiter-Bauteile in einem Flugzeug beeinflussen, so Marco Tavani vom Department of Physics der University Rom. Dies würde freilich sehr selten passieren, außerdem hätten die Flugzeuge genug Redundanz eingebaut, sodass es "normalerweise keine Probleme geben sollte". Dennoch sollten die Flugzeughersteller die Strahlen ernst nehmen und die Elektronik besser abschirmen, sagte er. Auch bräuchten Meteorologen und Fluglinien ein schnelles Warnsystem für terrestrische Gammablitze, um gefährdeten Gebieten ausweichen zu können.