Wenn bereits junge Menschen an Gelenksverschleiß leiden, könnte bald eine Stammzellentherapie Abhilfe schaffen. Wie diese sanfte Methode Knorpel und Bandscheiben wiederherstellen kann.
Es klingt wie eine Utopie: Knorpel, die sich von selbst wieder erneuern und so Rücken, Knie und Hüfte heilen. Doch dies könnte bald zum therapeutischen Standard werden – und zwar dank Stammzellentherapie. Der deutsche Rückenspezialist Dr. Martin Marianowicz, Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin, Schmerztherapie und Entwickler des erfolgreichen „Barbara Becker Rückenprogramms“, stellte dieser Tage in München die Methode der Zukunft vor. „Konkret kann sie“, so der Mediziner, „bei Hüftarthrose (Anm.: umgangssprachlich wird Arthrose als Gelenksverschleiß bezeichnet), Kniegelenksarthrose und Bandscheiben, die degenerativ verändert sind, eine echte Heilung bringen. Es ist die erste Therapie, die nicht nur den Gelenksverschleiß aufhält, sondern die tatsächlich zu einem Neuaufbau des Gewebes führt.“
Was können Stammzellen?
Arthrose ist die häufigste Ursache für Gelenksschmerzen und ist durch einen Abbau des Gelenksknorpels gekennzeichnet. Und da kommen die Stammzellen ins Spiel. Stammzellen sind ursprüngliche Zellen mit zwei besonderen Fähigkeiten: Sie können sich endlos teilen und neue Stammzellen bilden und sie können sich spezialisieren. Das bedeutet: Sie können zu den verschiedenen Zelltypen ausreifen (z. B. zu Herz-, Muskel-, Leber- oder Knorpelzellen) und so sowohl Gewebe (Knorpel) als auch Organe bilden. Gearbeitet wird in diesem Fall mit sog. multi- oder polypotenten Zellen, die sich zwar zu zahlreichen Zellen entwickeln können, jedoch nicht aus sich heraus ein intaktes Individuum bilden, wie es mit omnipotenten Zellen möglich ist.
So funktioniert die Methode
Für die Entnahme der Zellen, Aufbereitung und Behandlung sollte sich der Patient einen Tag Zeit nehmen, rät Dr. Marianowicz. „Wir entnehmen“, so der Mediziner, „zuerst aus dem Bauchfett – um den Bauchnabel gibt es die höchste Dichte an Stammzellen und Fettgewebe – vierzig Gramm.“ In diesem Fettgewebe sind tausendmal mehr polypotente Stammzellen als im Rückenmark. Diese Fettstammzellen werden extrahiert (s. Kasten rechts o.) und mit Wachstumsfaktoren aus den Blutplättchen vermischt. Diese Mischung wird ins Gelenk hineininjiziert – in die Bandscheibe, in die Hüfte oder ins Knie. Dann verformen sich die Zellen innerhalb von vierzehn Tagen zu Knorpeln. Die Knorpelzellen regenerieren nach und nach kaputtes Gewebe – das Gelenk wird wieder gesund. Ausfallszeit gibt es dabei keine! Nach einem Jahr, so zeigte der deutsche Stammzellforscher Eckhard Alt bereits eindrucksvoll an einem behandelten Patienten (am Quality Life Forum 2015 in Kitzbühel), waren 95 Prozent eines geschädigten Knorpels geheilt.
1. Blutentnahme und Mini-Liposuktion von 40 g subkutanem Fettgewebe mittels Seldinger-Technik.
2. Aufbereitung: u. a. Trennung und Reinigung der Zellen von Fremdstoffen sowie Flüssigkeits- und Ölphase, Bestrahlung der Zellen.
3. Behandlung: Applikation der autologen Zellen in das Behandlungsgebiet.
Für wen geeignet?
Vor allem jüngeren Menschen – dazu zählt Dr. Marianowicz Patienten bis etwa 60 Jahre – soll damit künftig eine Operation erspart bleiben. „Bei Verschleißerscheinungen des Kniegelenks, einem degenerativen Knie, sind – anders als bei einem traumatischen Knie, z. B. einem kaputten Meniskus – arthroskopische Operationen sinnlos. Hier kann durch Neuaufbau nicht nur geholfen, sondern geheilt werden.“ Klingt wie Utopie, ist aber demnächst Realität.