"Aus einem Totenhaus"

Eine Männergesellschaft geilt sich auf

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Opernkritk: Ovationen für Dirigent und Sänger, vermischt mit Buhorkan für Regie.

Wenn Sie einmal den Verkehr auf der Opernkreuzung aus der Vogelperspektive betrachten wollen, müssen Sie Aus einem Totenhaus besuchen. Das Bühnenportal der Staatsoper rahmt eine Videowall, und dazu wird Janáčeks Einleitungsmusik gespielt. Dann wissen Sie auch gleich, dass Sie nicht jenes Stück sehen werden, das der Theaterzettel ankündigt. Denn Peter Konwitschny meint, ein Strafgefangenenlager sei nicht zeitgemäß. Er verlegt die Handlung in eine Hochhaus-Suite, wo eine Männergesellschaft im Smoking trinkt, kifft, sich aufgeilt, derbe Spielchen erdenkt und einander vermutlich Herrenwitze erzählt.

Ohne Spannung
Leoš Janáček erzählt jedoch etwas ganz anderes, nämlich von Sehnsucht nach Freiheit, von Menschlichkeit trotz Unterdrückung, Aggressionen, Eifersucht, Mord. Seine Musik wird von Franz Welser-Möst mit Hilfe des grandios disponierten Orchesters in idealer Mischung aus thematischer Konstruktion und Klangsinnlichkeit realisiert. Auf der Bühne werden der Chor und ein großes Solistenensemble den enormen stimmlichen Anforderungen mehr als bloß gerecht. Aber weil keine Schicksale spürbar sind, Konwitschnys bereits oft abgenützte Regiestereotypen eher langweilen, fehlt der Aufführung optische Spannung.

Diese Inszenierung hatte im Juni in Zürich Premiere. Der Wiener Direktor und sein GMD, Meyer und Welser-Möst, müssten dort erkannt haben, dass ihnen ein anderes als das bestellte Stück geliefert wird. Dass sie trotzdem die Koproduktion akzeptierten, ist nicht nur gegenüber Janáček unverantwortlich. Hier gilt die Unschuldsvermutung nicht mehr.

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