Musikarchäologie

Fidelio eroberte Theater an der Wien

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Durchwachsener Beethoven auf historischen Instrumenten mit Harnoncourt.

Der große Befreiungsschlag ist dem Theater an der Wien am Sonntagabend mit der neuen Deutung von Ludwig van Beethovens Befreiungsoper "Fidelio" nicht gelungen: Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger legte seine erste Opernregie als unstete Mischung aus surrealen Metaphern und minimalistischen Tableaus an. Bei den Sängern wussten vor allem Anna Prohaska und Lars Woldt als Vater-Tochter-Paar zu überzeugen. Und im Graben lieferten Nikolaus Harnoncourt und sein Concentus Musicus mit der Variante, Beethoven auf historischen Instrumenten zu spielen, zwar ein musikarchäologisches Experiment, das jedoch nicht wirklich darüber hinausreichte. Am Ende stand dennoch viel Jubel. Einzig Operneleve Föttinger sah sich mit veritablem Unmut vonseiten des Publikums konfrontiert.

Grau in grau

Angesiedelt ist der "Fidelio" im ästhetischen Schnittpunkt aller autoritärer Regime, wobei für das Bühnenbild noch der im Vorjahr verstorbene Rolf Langenfass zeichnete: Graue Menschen im grauen Strafvollzugsapparat werden da gezeigt, wobei sich mittels Drehbühne durchaus stimmige Tableaus einer menschenunwürdigen Situation entfalten. Immer wieder lässt Föttinger die Charaktere in ihren Arien erstarren. In bewegenden Standbildern singen sie gleichsam in Trance und geben dem Geschehen zugleich eine nicht stringent durchgehaltene surreale Komponente. Die das Stück beschließende Jubelszene wird dann im weißen Nichtraum als Kontrast zum dunklen Kerker und somit in einem Abstraktum angesiedelt - mit dem Deus ex Machina, dem Minister Don Fernando (Garry Magee), als Beethoven-Double.

Finale mit Lichtspiel und Buhs
Mit dem deklamierenden Ensemble an der Rampe wird der oratorische Charakter des Werks hervorgekehrt. Bei der Chorphrase "Stimm' in unsern Jubel ein!" wird zum Abschluss noch das Licht im Zuschauerraum angeschaltet - ein performativer Akt, der allerdings bezüglich Föttingers Regie von vielen nicht aufgegriffen wurde. Es gab Buhs statt Jubel. Die Begeisterung hatte sich das Auditorium für Harnoncourt und den Concentus aufgespart, die sich nach der durchwachsen aufgenommenen "Zauberflöte" bei den Salzburger Festspielen im Vorjahr erneut mit historischen Instrumenten an einen Klassiker abseits des Barock wagten. Schon die Ouvertüre beginnt der Originalklangapologet mit teils provozierend langen Pausen - eine Interpretationsweise, die später den Spielfluss der Sänger immer wieder in unpassenden Momenten zu einer Unterbrechung zwingen wird. Ansonsten setzt Harnoncourt auch in der trockenen Akustik des Theaters an der Wien auf die aus seinen Barockinterpretationen bekannten, harten Dynamikkontraste, um dann wieder ein flirrend-psychedelisches Klangfeld aus der Partitur zu weben. Der Ansatz, "Fidelio" gleichsam kammermusikalisch zu spielen, bleibt zwar interessant, an die ebenmäßige Klangwucht moderner Orchester reicht dieser Beethoven allerdings nicht heran. Mit Federkiel und Tinte zu schreiben, mag zwar die Freude am Kuriosen evozieren, die Erfindung des Computers hat aber unbestritten ihre Vorteile.

Schauspieler überzeugten
Analog zur Concentus-Interpretation wurde der "Fidelio" mit leichten Stimmen besetzt. Hier wusste vor allem Anna Prohaska als Marzelline durch ihr Spiel zu überzeugen. Ihren Vater, den Gefängniswärter Rocco, gibt der deutsche Bass Lars Woldt als biederen Beamten mit Tiefen. Hinzu tritt noch Michael Schade, der für die Rolle des ausgemergelten Gefangenen laut Föttinger eigens 15 Kilo abgenommen hat und seine erste Arie als Florestan im Bühnendunkel mit zarter Fragilität präsentierte. Juliane Banse mühte sich als Crossdresserin Fidelio/Leonore hingegen überraschend mit den Höhen ihrer Partie, während Martin Gantner als Don Pizarro wenig Diabolisches und wenig Tiefe - auch stimmlich - einbrachte.

Info
"Fidelio" von Ludwig van Beethoven im Theater an der Wien wird nich  am 19., 21., 24., 26. und 28. März aufgeführt. Alle Informationen sowie Tickets erhalten Sie unter www.theater-wien.at.

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