Zwischen Jubel & Buhrufen. Lena Meyer-Landrut (23) wurde geliebt und plötzlichauch gehasst. Mittlerweile hat sie den ESC weit hinter sich gelassen. Die Musik nicht. Der Talk über Kritik und Krisen.
S ie wurde beklatscht und bejubelt – nach ihrem ESC-Sieg 2010 kürte man Lena Meyer-Landrut (23) zur Pop-Prinzessin der Nation. Doch schon kurz darauf wendete sich die Stimmung und die junge Kölnerin musste harsche Kritik von allen Seiten einstecken. Sie sei „undankbar“, „zickig“ und „eingebildet“ hieß es aus den Medien.
Das Mädchen wird erwachsen. Wie geht man als junges Mädchen mit so einer öffentlichen Geißelung um? Lena Meyer-Landrut lernte, Mauern zu bauen. Die mittlerweile 23-Jährige gibt nur ungern Privates preis. Sie lässt sich nicht mehr ausnutzen, sondern gibt selbst den Ton an. Wenn man die „neue“ Lena ansieht, merkt man sehr wohl, dass sie sehr auf ihre Worte bedacht und persönlich auch gereift ist. Das Thema ESC war bei ihrem Besuch in Wien interessanterweise ein kleines Tabu, doch das muss ok sein. Das Mädchen ist erwachsen geworden und mehr als nur die Siegerin eines „Gesangswettbewerbs“.
Erzählen Sie etwas über Ihr neues Album „Crystal Sky“.
Lena Meyer-Landrut: Nach Abschluss meiner letzten Tour brauchte ich Ruhe. Irgendwann hat man aber auch wieder Hummeln im Arsch. Mir war von Anfang an aber klar, dass ich für das neue Album Zeit brauchen werde. Ich hatte einfach keine Lust auf schnell, schnell und wollte alles richtig und gut machen. Und darüber bin ich ganz froh.
Sie haben in London und Berlin aufgenommen – welchen Einfluss haben Sie gespürt?
Meyer-Landrut: In London herrscht schon ein anderer Flair. Es fängt allein damit an, dass man sich anders anzieht. Jeder kleidet sich so, worauf er Bock hat. Wohingegen in Köln, wo ich wohne, schon bei einem Hut groß nachgeschaut wird. In London kann man machen was man will, ohne das Gefühl zu haben, dass alle einem nachschauen. Und ich glaube, dass ich deswegen auch etwas freier in der Musikentstehung war.
Sie haben mal behauptet, dass Sie Konzerte und Touren nicht so gerne spielen?
Meyer-Landrut: So ganz stimmt das nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich keine geborene Musikerin bin und ich mich mit meiner Musik nie hocharbeiten musste. Bei mir war von einem Tag auf den anderen alles krass. Konzerte spielen ist für mich wahnsinnig schön – es ist nur unglaublich kräftezehrend. Ich finde es so unfassbar anstrengend, dass ich eine Tour mit 200 Konzerten wahrscheinlich gar nicht schaffen könnte.
Was hat sich seit dem letzten Album verändert?
Meyer-Landrut: Ich bin ein bisschen älter geworden. Ich werde 24 am 23. Mai – an dem Tag, für euch Österreicher. Aber generell dadurch, dass man älter wird, verändern sich Interessen und Einstellungen.
Ihr Kleidungsstil hat sich mit der Zeit auch verändert – das schwarze Kleid vom ESC ist lange her ...
Meyer-Landrut: Mit dem neuen Album ist das alles auch sehr viel geplanter. Ich habe Spaß an der Mode und probiere mich aus. Es gibt viele Leute, die immer noch behaupten „Nee, Lena und Fashion, das funktioniert nicht“, weil dieses schwarze Kleid bei ihnen vielleicht noch zu sehr eingebrannt ist. Ich habe auch kein Problem damit zu sagen, dass ich eine Stylistin habe, die das deutlich besser kann als ich. Aber es bin immer noch ich, die sagt „das will ich anziehen, oder das“.
Und was denken Sie sich, wenn es um den ESC geht?
Meyer-Landrut: Dass die ganze Sache fünf Jahre her ist. Dass das auch eine ganz schön lange Zeit in meinem 23-jährigen Leben ist und dass ich für die Teilnahme sehr dankbar bin.
Sie behaupten gerne, dass Sie „nichts bereuen“. Gibt es aber Dinge, die Sie vielleicht anders gemacht hätten?
Meyer-Landrut: Klar, Sachen, die man anders machen möchte, gibt es immer. Von kleinen Missgeschicken bis hin zu Sachen, die man gerne auslöschen und neu machen würde, wenn man nur könnte. Aber „Ich bereue nichts“ bedeutet natürlich, dass man auch weiß, dass das nicht geht, und dass man die innere Akzeptanz dafür hat. Ich glaube auch, dass alles Sinn und Zweck hat – und wenn man nicht den einen Fehler begeht, dann macht man ihn irgendwann anders. Deswegen finde ich „Ich bereue nichts“ einen sehr guten Leitfaden.
Sie sind in Ihrer jungen Karriere schon oft sehr stark kritisiert worden – was gibt Ihnen die Kraft weiterzumachen?
Meyer-Landrut: Ich glaube, dass ich sowieso all das, was passiert, nicht so stark an mich heranlasse. Weder das Gute noch das Schlechte. Ich kann mit Komplimenten nicht gut umgehen, ich komme auch mit Kritik nicht wirklich zurecht. Und dann denke ich erst zu Hause darüber nach. Zu Hause kann man dann besser reflektieren. Ich denke, dass das für jemanden wie mich eine sehr gesunde Einstellung ist, weil immer so viele Meinungen einprasseln. Ich habe auch den ganzen positiven Hype nie ganz für voll genommen.