Valeria Shashenok: Die Ukrainerin erreichte mit Videos aus dem Bombenkeller Millionen von Menschen.
Sie zeigte der Welt das Unbeschreibliche: Valeria Shashenok, 20, lebte in Tschernihiw, als Russland ihr Heimatland angriff. Ein Land im Krieg: In beeindruckender Weise berichtete sie wochenlang auf Social Media, vor allem auf TikTok (mit 50 Millionen Views!), von ihrem Aufenthalt im Bombenkeller und ihrer Flucht in Autos und Zügen. Mit einprägsamen Bildern der Verwüstung, ironischen Kommentaren und sehr persönlichen Eindrücken erreichte sie Menschen weltweit. Seit ein paar Wochen hat sie, nach Zwischenstopps in Warschau und Berlin, in Mailand nun vorläufig Sicherheit und Frieden gefunden – doch was der Krieg, die Flucht und der Verlust von geliebten Angehörigen mit ihr gemacht haben, legt sie poetisch und berührend in ihrem brandneuen Buch „24 Februar … und der Himmel war nicht mehr blau“ ab 16. Mai offen.
"Mittendrin im größten Alptraum meines Lebens"
„Als Russland mein Land, die Ukraine, überfiel, flüchteten meine Eltern, mein Hund und ich in einen mir mehr als skurril erscheinenden Bombenschutzkeller. Und weil es dort WLAN gab und die Tage verdammt lange und auch langweilig waren, postete ich Videos, die mein neues Zuhause vorstellen sollten – manche davon gingen dann sogar um die Welt“, erklärt die junge Ukrainerin, die vor dem Krieg ihrer Leidenschaft Fotografie frönte, ihre Beweggründe. Doch das war nicht alles: „Aber meine Geschichte ist eigentlich eine ganz andere: Es ist die eines jungen Mädchens voll mit großen Träumen, das die Welt entdecken wollte und den Krieg für einen schlechten Scherz hielt. Bis zu dem Tag, an dem ich erkennen musste, dass ich mittendrin bin im größten Alptraum meines Lebens.“
TikTok-Videos aus dem Bombenschutzkeller
Am 24. Februar weckte ihre Mutter sie mit den Worten auf: „Valeria! In Kiew hat eine Bombe eingeschlagen und ein Haus zerstört!“ Zwei Tage später musste die Familie in den Bombenschutzkeller flüchten. Die junge Frau begann, Videos zu machen und diese auf TikTok zu posten. Das erste Video hatte einen besonderen Star: „Meine Mutter ist immer für alles zu haben. Ich sagte: Mama, tanz ein bisschen. Und sie tat es einfach, schnappte sich einen gelben Plastik-Werkzeugkoffer und tanzte mit ihm durch den Bunker.“ Nach 17 Tagen im Bombenschutzkeller fuhr sie mit einem Ehepaar für sieben Stunden nach Kiew, von dort aus weiter nach Lemberg und Warschau bis nach Berlin und schlussendlich nach Italien. Valeria wird bereits als Social-Media-Bekanntheit von Menschen erkannt, ihr wird Hilfe angeboten.
Flucht mit der Familie nach Italien
In Italien angekommen, lässt sie der Krieg aber auch nicht los. Sie sorgt sich um ihre Eltern, die immer noch in der Ukraine ausharren: „Es ist schon seltsam und ich habe große Angst um beide. Am liebsten hätte ich, dass meine Mutter nach Italien kommt, um mit mir zu leben, denn ich habe das Gefühl, dass ich Menschen helfen kann. Aber ich bin mir nicht sicher, ob sie ohne meinen Vater gehen würde.“ Denn: „Mein Vater hat eine sehr interessante Meinung zu vielen Dingen, den Krieg mit eingeschlossen.“ Ihre Beziehung zu ihrem Papa bezeichnet die 20-Jährige als schwierig – er war auch kein Fan ihrer Video-Berichterstattung.
Russische Bombe tötete den Cousin
Ende März erwähnte sie ihren Cousin Maksim, der für sie „wie ein Bruder gewesen ist“. Doch ein Wiedersehen ist ihnen nicht vergönnt, eine russische Bombe tötete den 18-jährigen Mann. „Alle sagen, die Ukraine sei ein starkes Land und unbesiegbar. Sie sagen, wir werden überleben. Aber warum zum Teufel sollten wir ‚überleben‘, um unsere Freiheit zu verteidigen? Warum sollen Menschen sterben, warum musste Maksim sterben, für einen Krieg, der keine Lösung bringt?“ Trotz all der Trauer verspüre sie keinen Hass: „Ich verdamme Russland nicht, ich hasse das russische Volk nicht, Putin ist mir egal, ich will nur, dass alles ein Ende hat. Und ich wünsche mir, dass mein Cousin wieder aufwacht – dass ich ihn wiedersehen kann.“
Ihr Cousin Maksim (hier beide noch als Kinder) fiel einer russischen Bombe zum Opfer.
Ihr Buch widmet sie ihrer Familie
Italien selbst ist ihr neues Zuhause: „Die Frage ist, ob ich Italien genauso werde genießen können – denn jetzt, nach der Invasion, kann ich mich nirgendwo mehr so stark zugehörig fühlen wie vor Kriegsbeginn.“ Ihr Buch widmet sie ihrer Familie, ihren lieben Verstorbenen oder den Ukrainer:innen – sondern Russ:innen, die immer noch nicht an einen Krieg glauben. Kein Hass, sondern der Wunsch nach Frieden: Von Valeria gibt’s wohl noch einiges zu lernen.
In „24. Februar“ nimmt uns Valeria Shashenok mit auf ihre Flucht. 90 Seiten, 16 Euro, erscheint am 16. Mai bei Story.one.
Redaktion: Manuela Tiefnig