Tag 2 im Prozess um 3 Tote, 108 Opfer

Amok-Prozess: Todesfahrt im Drogenrausch

Teilen

Nachgewiesen wurde, dass Alen R. regelmäßig stark Cannabis konsumierte.

Sensation zu Beginn des zweiten Prozesstages gegen den Amokfahrer Alen R. in Graz. Der Toxikologe Manfred Kollroser konnte Spuren von Cannabis nachweisen. Der Angeklagte ist demnach nach deutschen Grenzwerten – in Österreich sind keine festgelegt – ein „starker Cannabisraucher“. Zwiespältig sein Fazit, ob R. bei seiner Amokfahrt beeinträchtigt war oder nicht. „Das kann nicht abgeleitet, aber auch nicht ausgeschlossen werden.“

Erschütternde Details 
zu den Unfallopfern

Die Unschuld. R. selbst kann sich seine Cannabis-Werte nicht erklären, aber – wie schon am ersten Prozesstag – war es im Zweifelsfall seine Frau: „Sie hat so eine Schweizer Teemischung verwendet.“

Alen R. erscheint vor Gericht wieder ganz in Weiß. Ruhig, unaufgeregt, fast sediert hört er zu.

Ohne Emotion verfolgt R. dann auch, wie Gerichtsmediziner Peter Leinzinger die Verletzungen der Getöteten schildert. Der 28-jährige Mann, der das erste Opfer war, sei frontal mit großer Wucht angefahren worden. „Derartige Verletzungen sind mir im Stadtbereich noch nicht untergekommen“, meinte der Mediziner. Auch der vierjährige Bub und die 53-jährige Frau seien mit hoher Geschwindigkeit gerammt worden und waren sofort tot.

Nach einem bekannten Schema dann die Ausführungen von R. dazu: „Ich bin selbst Opfer, ich kann mich an die Fahrt nicht erinnern.“

Keine Manipulation

Befragt wurde auch ein Kfz-Experte, ob etwa die Airbags manipuliert gewesen seien, was auf eine längere Planung der Tat schließen lassen würde. „Die Airbags lösen dann aus, wenn sie auf ein härteres Hindernis stoßen“, so der Experte. Menschen sind nicht massiv genug, sie werden einfach weggestoßen, die Airbags bleiben ungeöffnet.

Psychiater kann nach einem Jahr keine Diagnose stellen

Kontrovers wurde die Frage unter zwei psychiatrischen Gutachtern diskutiert, woran Alen R. leidet. Im Vorfeld gab es den Verdacht einer paranoiden ­Schizophrenie. Dies sei aber nur eine „Arbeitsdiagnose“, schränkte Psychiater Jürgen Müller ein. Man müsse den Betroffenen weiter beobachten. „Das heißt, die Medizin hat es innerhalb eines Jahres nicht geschafft, eine Diagnose zu stellen, was er definitiv hat“, fasste Richter Andreas Rom zusammen.

Heute sagen weitere der 136 Opfer als Zeugen aus.

Zeugen: "Es war eine ganz gezielte Sache"

Am Nachmittag erzählten weitere Zeugen vom Horror der Amokfahrt vor einem Jahr.

Messerattentat

„Ich sah das Auto und den Fahrer aussteigen. Neben dem Auto stand ein Mann, und eine Frau kniete neben dem Auto am Boden. Der Fahrer hat auf die beiden eingeschlagen, ich habe ihn angebrüllt, ich dachte, das ist ein Verkehrsunfall, und der Fahrer ist durchgedreht“, berichtet ein Zeuge von dem Messerattentat vor der Spar-Filiale. Und weiter: „Er ist mit dem Messer auch auf mich losgegangen. Meiner Meinung nach war das eine ganz gezielte Sache.“

Am Fahrrad

Direkt an R. richtet sich ein Zeuge, den er am Rad erfasst hatte: „Ganz gleich, wie geurteilt wird – für die Opfer sind Sie schuldig. Und diese Schuld wird Sie begleiten, alle Ängste und alle Hoffnungslosigkeit der Opfer werden Sie begleiten jede Stunde und jeden Tag. Sie können hier alle belügen, aber eines können Sie nicht belügen, das ist Ihr Gewissen. Das möchte ich Ihnen sagen.“ Und beim Hinausgehen: „Ich glaube Ihnen nicht.“

Das sagt der Angeklagte vor Gericht: "Ich bin selbst Opfer"

Richter Andreas Rom konfrontiert Alen R. mit den Aussagen der Sachverständigen.

Befragung

Wie am ersten Verhandlungstag erscheint Alen R. im – zu groß geraten – weißen Anzug. Nahezu teilnahmslos sitzt der 27-Jährige auf der Anklagebank und hört den Ausführungen der Experten zu.

 

  • Über Cannabis-Konsum: R. habe Cannabis konsumiert, berichtet der Toxikologe. „Er war ein starker Cannabis-Raucher.“ – Frage des Richters an R.: „Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?“ – „Ich habe eine Mischung eines Schweizer Tees getrunken. Den hat meine Frau zubereitet. Wenn, dann hat mir meine Frau das Cannabis gegeben.“ – Richter: „Wie soll sie das getan haben?“ – R. antwortet: „Das weiß ich nicht.“

  • Über seinen Fahrstil: R. hatte am Dienstag gesagt, er sei ein schlechter Autofahrer. Dem entgegnet ein Kfz-Sachverständiger, als abermals das Video der Amokfahrt abgespielt wird. „Man erkennt auf der Fahrstrecke, dass es sich um einen Lenker handelt, der sein Fahrzeug beherrscht. Ich verweise auf die Kurve, die der Lenker mit dem Fahrzeug auf dem Hauptplatz beschrieben hat – mit einer klaren Driftbewegung.“ – Auch hier hakt der Richter bei R. nach: „Was sagen Sie dazu?“ – R.: „Ich kann dazu nichts sagen. Ich bin selbst Opfer. Ich kann mich nicht erinnern.“

  • Über Emotionen: „Hat er denn überhaupt jemals Emotionen gezeigt?“, fragt der Richter die Gutachter. Manfred Walzl: „Er war nie weinerlich, er hat nie eine besondere Regung gehabt.“ Jürgen Müller: „Von Reue war da nichts.“ Alen R. schweigt dazu.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.