Scharfe Kritik

Fall Windl: Amnesty sieht "bitteren Meilenstein"

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Nach der Einvernahme der ins Visier des Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen (BFA) geratenen deutschen Klima-Aktivistin Anja Windl (26) hat auch Amnesty International am Freitag weitere Kritik geübt. 

Die Menschenrechtsorganisation sprach gegenüber der APA von einem "bitteren Meilenstein in der Kriminalisierung von Klimaprotest in Österreich". Die 26-jährige Deutsche erhielt Ende März eine Ladung vom BFA, weil die Behörden eine Ausweisung aus Österreich prüfen wollen.

Die Maßnahmen des BFA könnten einen Einschüchterungseffekt auf andere Aktivisten haben, sagte die Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, Annemarie Schlack. Das könnte dazu führen, "dass diese ihre Rechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht ausüben", hieß es auf Anfrage der Austria Presse Agentur. "Es ist unerlässlich, dass Einzelpersonen und Gruppen ihr Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit friedlich ausüben können, um auf die dringende Notwendigkeit der Bewältigung der Klimakrise aufmerksam zu machen. Die Kriminalisierung von Klimaprotest sendet die beunruhigende Botschaft, dass friedlicher Aktivismus in Österreich nicht toleriert wird."

Die Situation sei besorgniserregend. "Wir fordern die österreichische Regierung auf, die Rechte von Klimaaktivist*innen auf friedlichen Protest zu schützen und sicherzustellen, dass sie nicht willkürlich festgenommen, schikaniert oder auf andere Weise eingeschüchtert werden", wurde mitgeteilt. "Jegliche Versuche, Klimaaktivist*innen durch Abschiebung oder andere Formen der Strafverfolgung zum Schweigen zu bringen, sind inakzeptabel und müssen sofort eingestellt werden."

"Lasse mich nicht einschüchtern"

Die 26-jährige Windl erhielt nach ihrer Teilnahme an Protestaktionen der "Letzten Generation" in Wien und Klagenfurt Post von den Behörden zur "Einvernahme hinsichtlich Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme". Sie wurde am Donnerstag durch die Beamten des BFA in Leoben befragt. Windl und ihr Anwalt Marcus Hohenecker betonten, dass man sich jedenfalls gegen das Vorgehen der Behörden wehren wolle. Windl erklärte zudem, dass sie sich auch weiter für das Klima engagieren werde. "Ich lasse mich sicher nicht einschüchtern", sagte sie der APA nach der Einvernahme am Donnerstag.

Das zuständige Innenministerium steht seit Bekanntwerden des Falles in der Kritik und hielt zuletzt gegenüber der APA fest, dass eine Ausweisung von EU-Bürgern grundsätzlich möglich sei, wenn die Voraussetzungen für das Aufenthaltsrecht von EU-Bürgerinnen und Bürgern nicht vorlägen. "Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn keine Krankenversicherung abgeschlossen wurde oder keine Unterhaltsmittel nachgewiesen werden können", sagte ein Sprecher. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EU-Bürgerinnen und -Bürger sei zudem zulässig, "wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist". Das persönliche Verhalten müsse jedenfalls "eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt", hieß es aus dem Ministerium.

Bloße Verwaltungsübertretungen, selbst bei Rechtswirksamkeit, könnten kein Grund für eine Ausweisung sein, erklärte jedoch Europa-und Verfassungsrechtler Walter Obwexer von der Universität Innsbruck am Donnerstag im Ö1-Morgenjournal. Dafür bräuchte es "zunächst einmal eine schwere Straftat, wie zum Beispiel eine ganz schwere Körperverletzung oder einen Mord oder Raub und dann auch noch die Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird", sagte Obwexer. "Nur eine schwere Straftat begangen zu haben und dafür rechtskräftig verurteilt worden zu sein, ohne Gefahr, dass eine weitere Straftat begangen wird, reicht für eine Ausweisung ebenfalls nicht aus."
 

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