"Nicht schuldig"

Jetzt spricht Lucas Mama

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Viele Tränen, viele Schwüre, aber keiner, der Verantwortung übernimmt. Erstmals stand die Mutter des zu Tode misshandelten Luca selbst vor Gericht.

Das Martyrium des kleinen Luca hatte Österreich wochenlang sprachlos gemacht. Der 17 Monate alte Bub war vom neuen Freund seiner Mutter so lange missbraucht worden, bis er am 3. November 2007 starb. Der Täter, Fritz D., wurde bereits (nicht rechtskräftig) zu lebenslanger Haft verurteilt.

Aber vieles blieb im Dunkeln
Ärzte, Sozialarbeiter – wer hat vertuscht, geschlampt, nichts gegen das Martyrium des Buben unternommen. Vor allem: Wie viel Schuld trägt die Mutter?

Gebrochene Arme
Am Montag startete in Innsbruck der Prozess gegen Melanie G., Lucas Mama. Vorwurf: Vernachlässigung der Verpflichtung zur Fürsorge. Strafrahmen: 3 Jahre.

Um die Verantwortung der Behörden geht es wieder nicht. Vielmehr: Wie konnte Melanie G. Dutzende Diagnosen des kleinen Buben – von gebrochenen Armen und Hämatomen am ganzen Körper – einfach ignorieren?

Doch die Antwort auf all die Fragen geht gestern am Landesgericht Innsbruck in einem Meer von Tränen unter. Melanie G. (24) kämpft bereits bei der Verlesung der Anklage mit den Tränen, als sie dann vor Richter Andreas Mair treten muss, geht gar nichts mehr. „Ich lieb’ meine Kinder, ich hätte ihnen nie etwas angetan.“

Verletzungen übersehen
Das aber ist gar nicht Thema, vielmehr geht es darum, dass sie Verletzungen monatelang „übersehen“ hat, wie Staatsanwältin Christine Bruckner formuliert: „Die Aussage der Mutter ist eine Schutzbehauptung. Schließlich hat sie zugegeben, dass seit der Beziehung mit ihrem neuen Freund die Verletzungen zunahmen.“ Doch davon will die Mutter nichts wissen.

„Ich kann mich nicht mehr erinnern“ oder „Es ist schon so lange her“ sind die Antworten, die die Kindesmutter am öftesten gibt. Dass sie bewusst eine Auflage des Jugendamtes Schwaz brach und mit Luca zu ihrem Freund nach NÖ fuhr, kommentiert sie so: „Es hat geheißen, ich soll zum Schutz des Kindes nicht mehr nach Niederösterreich fahren. Aber was genau besprochen wurde und warum, weiß ich nicht mehr.“ Sie habe keine Gefahr für Luca bei ihrem neuen Freund gesehen. Staatsanwältin Bruckner: „Ich unterstelle ihr, es unterlassen zu haben, Luca aus dem Gefahrengebiet zu nehmen.“

Keine Gefährdung
Ebenfalls wegen Unterlassung stand am Montag Daniela L., eine Sozialarbeiterin aus Tirol, vor Gericht. Sie plädierte ebenfalls auf „nicht schuldig“, denn es sei keine Gefährdung erkennbar gewesen. Der Prozess wird am 11. Mai fortgesetzt.

Lucas Vater im ÖSTERREICH-Interview:
"Das ist ein Verarsche-Prozess"

ÖSTERREICH: Herr Haaser, Sie haben den gestrigen ersten Prozesstag miterlebt. Was ­sagen sie zum bisherigen Verlauf?

Bernhard Haaser: Das alles ist eine Katastrophe, ein richtiger Showprozess. So unter dem Motto: Wie spreche ich am besten die Kindesmutter und die Jugendwohlfahrt frei.

ÖSTERREICH: Wollen Sie damit sagen, dass die beiden Angeklagten, also auch die Mutter, in Ihren Augen schuldig sind oder dass der Prozess unfair geführt wird?

Haaser: Der ganze Staat macht Versäumnisse, nicht nur die Jugendwohlfahrt. Österreich ist in der Beziehung eine Bananenrepublik, das will ich damit sagen. Das Gesetz gegen Kindesmissbrauch gehört schleunigst geändert. Ich habe nicht das Gefühl, dass das hier irgendeine Rolle spielt.

ÖSTERREICH: Was erwarten Sie sich von diesem Prozess?

Haaser: Es wurde stundenlang verhandelt und rausgekommen ist gar nichts. Der Richter lässt sogar zu, dass im Prozess Hasstiraden gegen mich losgetreten werden. Denn ich meine, was haben meine Alimente-Zahlungen mit dem gegenständlichen Fall zu tun? Dieser Prozess ist ein reiner Verarsche-Prozess, ich kann das leider nicht anders sagen.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen denn jetzt persönlich?

Haaser: Es ist schwer für mich, aber das alles kann Luca nicht mehr lebendig machen. Alles, was ich möchte, ist, dass so etwas nie wieder passiert.

ÖSTERREICH: Welche Strafe fordern Sie denn für Lucas Mutter?

Haaser: Die Strafe, die sie verdient.

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