Ärztekammer sieht sich durch AKH-Bericht bestätigt –„Mikroproblem“: Empörung über Hacker-Sager
Wien. Mit „Entsetzen“ reagiert die Ärztekammer auf die jüngsten Aussagen von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker, der den dramatischen Pflegenotstand auf der Neonatologie im Wiener AKH wörtlich als „Mikroproblem“ bezeichnet hat. „Statt endlich den konstruktiven Dialog in dieser sowohl für die Patienten als auch für die Ärzte und Pflege unangenehmen Situation zu suchen, stellt Hacker einen anerkannten Professor aus dem AKH als komplett Unwissenden hin und versucht so, von seiner eigenen politischen Verantwortung abzulenken“, kritisiert Wolfgang Weismüller, Obmann der Kurie angestellte Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien. ****
Am Wochenende hat der Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Peter Husslein, in einem Mail eindringlich auf die Missstände hingewiesen und wörtlich von „patientengefährdenden Zuständen“ an der Kinderklinik gesprochen. Man müsse bereits Mütter wegschicken. „Wir sagen den Patienten dann: Es gibt bei uns keine Ressourcen, um Ihr Kind zu versorgen“, schrieb Husslein an die AKH-Führung und die MedUni Wien.
Husslein bestätigt in seinem Mail nur das, vor dem die Ärztekammer seit Monaten eindringlich warnt. „Wir haben in allen Wiener Gemeindespitälern und im AKH einen massiven Pflegemangel und in den Gemeindespitälern zudem einen Ärztemangel“, betont Weismüller. Speziell in der neonatologischen Versorgung gebe es wienweit einen massiven Notstand. Den seitens der Stadt Wien zu ignorieren, zeuge entweder von Unwissenheit oder sei eine bewusste Falschdarstellung.
Für Weismüller besonders bezeichnend ist die Problematik rund um die neonatologische Versorgung im Krankenhaus Hietzing. Dort organisiert der Ärztefunkdienst der Ärztekammer für Wien mit Ärztinnen und Ärzten aus dem St.-Joseph-Krankenhaus die Versorgung, da der Krankenanstaltenverbund nicht in der Lage sei, die Patientenbetreuung aufrechtzuerhalten. „Wir kompensieren damit die Unfähigkeit der Stadt Wien, entsprechende Anreize zu setzen, damit genügend Personal die ärztliche und pflegerische Versorgung in einem Wiener Gemeindespital sicherstellen kann“, lautet das Fazit von Weismüller. Letztendlich gefährde die mangelnde Lösungskompetenz die Patientenversorgung.
"Völlige Inkompetenz seitens der Politik"
Auch die Forderung, dass die Ärztekammer „offene Stellen mit Menschen besetzen“ solle (O-Ton Hacker), sei an Absurdität nicht mehr zu überbieten. „Die Zurverfügungstellung von finanziellen Mitteln, um genügend Personal rekrutieren zu können, ist ja wohl Aufgabe des Dienstgebers, also der Stadt Wien“, betont Weismüller. Wenn nun Hacker fordere, dass sich die Ärztekammer um das Personal in den Gemeindespitälern zu kümmern habe, sei das in etwa so, wie wenn die Arbeiterkammer für das Personal in den städtischen Kindergärten aufkommen müsse.
Erst kürzlich hat die Ärztekammer anlässlich der Präsentation des ersten Wiener Gesundheitsstrukturreports auf die „völlige Inkompetenz seitens der Politik“ hingewiesen. Laut einer repräsentativen Befragung von Peter Hajek Public Opinion Strategies unter Managern sei laut den Befragten etwa das Problembewusstsein für den Bedarf von Gesundheitsreformen bei den entscheidenden Politikern nicht oder kaum vorhanden. Und 57 Prozent der 276 befragten Ärztinnen und Ärzte sagen, dass die finanziellen Mittel nicht oder gar nicht effizient eingesetzt würden.
Ärztinnen und Ärzte brauchten mehr Zeit für die Patienten und weniger für Bürokratie. Dazu seien 300 zusätzliche Kassenärzte und weitere 300 Mediziner in den Wiener Spitälern nötig, so die Schlussfolgerungen des Berichts.
Ähnlich argumentiert auch Weismüller: „Ich sehe quer über die Wiener Gesundheitsinfrastruktur hinweg einen deutlichen Weiterentwicklungsbedarf. Die seit Jahren existierenden Defizite bei der Planung und Strategie im Wiener Gesundheitswesen gehen zulasten des Personals und der Patienten.“
Statt gebetsmühlenartig die vorherrschenden Probleme zu bagatellisieren oder überhaupt in Abrede zu stellen sowie sich als „Makromanager“ zu gefallen, sollte Gesundheitsstadtrat Hacker endlich jene Ressourcen zur Verfügung stellen, die notwendig seien, um die kompetente „Mikroebene“ effizient und patientenzentriert arbeiten zu lassen, so Weismüller, der einmal mehr „einen Krisengipfel aller Akteure des Wiener Gesundheitswesens“ fordert.