Tourismus in der Krise: Heuer ist "Daheimbleiben" angesagt. Deutsche urlauben lieber in der Türkei als in Österreich.
Die Reiselust der Österreicher ist gedämpft. 2008 gab es bereits einen ersten, deutlichen Rückgang. Es wird gespart. Die durchschnittliche Urlaubsdauer bleibt kurz (11 Tage). Die Urlaubsbudgets werden immer knapper. "Daheimbleiben" ist angesagt, geht aus der Umfrage "Österreichischen Tourismusanalyse 2009" des Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT) hervor. Die Deutschen reisen heuer lieber in die Türkei als zu uns. Als Reiseverkehrsmittel gewinnt das Auto an Bedeutung. Im Flugtourismus zeichnen sich Einbrüche ab.
Weiterer Rückgang
Für 2009 droht zunächst ein weiterer
Rückgang - der Anteil jener, die heuer sicher nicht verreisen wollen, ist so
groß wie nie zuvor: Jeder Dritte (34 Prozent) will heuer im Urlaub "sicher
zu Hause bleiben" - im Jahr davor betrug der Anteil nur 22 Prozent, im
10-Jahres-Durchschnitt 30 Prozent. Nur 40 Prozent (2007: 45 Prozent) sind
zur Reise "fix entschlossen".
Sparen ist angesagt
Es wird gespart. Statt fern und lang heißt es
bei den Urlaubern eher "nah und kurz". Anstelle eines Reiseverzichts wird
die Urlaubsfreude durch eine Verkürzung der Reisedauer regelrecht erkauft
und finanziell ausgeglichen. "Es wird nicht nur grundsätzlich am, sondern
vor allem auch im Urlaub gespart werden", so IFT-Leiter Peter Zellmann.
Erstmals seit vielen Jahren verreisten die Österreicher schon 2008 weniger (54 Prozent), fast die Hälfte (46 Prozent) blieben zu Hause - im Jahr davor hatte der Anteil der Nichtreisenden erst 40 Prozent betragen. Der Rückgang sei vor allem in den Urlaubssegmenten "14-Tage-Urlauber" und "Kurzreisende" feststellbar gewesen. Mindestens 14 Tage urlaubten im Vorjahr nur 23 Prozent (2007: 26 Prozent). 2 bis 4 Tage verreisten 8 Prozent (10 Prozent).
Zweitreise ist Luxus
Den Luxus einer Zweit- oder Drittreise könne
sich ohnehin nur eine - in der Öffentlichkeit oft maßlos überschätzte -
Minderheit leisten. 2007 waren es noch 16 Prozent, im abgelaufenen Jahr
leisteten sich 14 Prozent der Bevölkerung 14 Tage Sommerurlaub und eine
Woche Skifahren. Damit sei wieder annähernd der langjährige Durchschnitt
erreicht worden.
Krise und Rezession
Börsenkrise und Rezession hätten europaweit
Bremsspuren in einer erfolgsverwöhnten Wachstumsbranche hinterlassen. Für
Panik besteht laut IFT aber kein Anlass. "Wir nähern uns nur wieder langsam
dem Durchschnitt", so Zellmann. Von dem Rückgang betroffen war nicht der
Inlandstourismus (plus 2 Prozentpunkte), sondern die Reisen ins europäische
Ausland (minus 4 Prozentpunkte). Knapp zugelegt hat auch die - allerdings
eher kleine - Gruppe der Fernreisenden auf immerhin 13 Prozent
Urlauberanteil.
Die IFT-Studie beruht auf einer Umfrage unter 1.044 Personen ab 15 Jahren, die im Jänner 2009 zum 14. Mal im gesamten Bundesgebiet durchgeführt wurde.
Inlandstourismus profitiert
Der Inlandstourismus könnte vom neuen
Sparverhalten der Österreicher in gewisser Weise profitieren: Mit einem
Anteil von 21 Prozent (2007: 15 Prozent) planen so viele wie schon lange
nicht einen Österreichurlaub. Beim Haushalten mit dem Urlaubsbudget rücken
ferne Reiseziele in weite Ferne. Allerdings dürfte die Bilanzen der
heimischen Tourismusbetriebe das gleichzeitige Sparverhalten der Deutschen
trüben.
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Urlauber bleiben nur kurz
Bei den Österreichern ist Urlaub im
eigenen Land gefragt, bei dem man Zeit und Geld sparen kann. Die Formel "Kurz.Nah.Spontan"
habe aber auch Schattenseiten - die Urlauber sind schnell da, aber auch
schnell wieder weg. Das verlangt von den Betrieben steigende Flexibilität
bei Betten- und Personalmanagement.
Drittel bleibt im Land
31 Prozent der heimischen
Urlaubsreisenden hielt sich im vergangenen Jahr in Österreich auf - 2007
waren es erst 29 Prozent. Kärnten war die beliebteste Inlandsdestination (8
Prozent) vor der Steiermark (6 Prozent). Bei Auslandsreisen dominierten
Italien (13 Prozent), Kroatien (10 Prozent) und Griechenland (7 Prozent) vor
Spanien (6 Prozent) der Türkei (5 Prozent). Im Trend bleibt der Aktivurlaub
- Radeln, Wandern und Wassersport ist angesagt.
Deutsche werden weniger
Für den Erfolg des heimischen Tourismus
entscheidend ist aber das Reiseverhalten der Deutschen - sie stellen gut 40
Prozent der Nächtigungen. Der Inlandsanteil der Österreicher stellt nur
knapp 25 Prozent. Von den touristischen Boomzeiten Anfang der 80er Jahre mit
einer statistisch gesicherten zweiwöchigen Aufenthaltsdauer (1980) deutscher
Urlauber können die Ferienanbieter in Österreich heute nur noch träumen.
Türkei bevorzugt
Was sich in den vergangenen Jahren an
touristischen Bewegungen schon ankündigte, ist 2008 Wirklichkeit geworden:
Bei den beliebtesten Urlaubszielen der Deutschen überholte die Türkei (6,3
Prozent) erstmals deutlich Österreich (4,9 Prozent). Vor einem Jahrzehnt gab
es noch doppelt so viele Österreichurlauber (6 Prozent) unter den Deutschen
wie Türkeireisende (3 Prozent).
Sonne ist wichtig
Mittlerweile ist Sonnengarantie zum Synonym
für einen gelungenen Urlaub geworden. Bei den Deutschen dominieren daher
mediterrane Sommerziele wie Spanien (12,3 Prozent), Italien (7,2 Prozent)
und eben die Türkei.
Viele unentschlossen
Das Jahr 2009 droht vor allem in
Deutschland zum Jahr der touristischen Verunsicherung zu werden. Das Lager
der zur Reise "Unentschlossenen" (34,8 Prozent) ist größer als je
zuvor, geht aus der 25. Deutschen Tourismusanalyse der BAT Stiftung für
Zukunftsfragen hervor, in der 4.000 Personen ab 14 Jahren nach ihrem
Urlaubsverhalten 2008 und ihren Reiseabsichten 2009 befragt wurden.
"Urlaubsreisen finden auch zu Krisenzeiten statt", konstatierte der Leiter des Wiener Instituts für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT), Peter Zellmann. Doch: "Nichts bleibt, wie es war." Seit Monaten seien sich Tourismusexperten "einig, dass die Branche den möglichen Rückgang noch vor sich hat, das Ausmaß dieses wahrscheinlichen Einbruchs niemand wirklich vorausberechnen kann und Österreich als Gastgeberland durchaus als zumindest teilweiser Gewinner aus der - an sich nicht wegzudiskutierenden - Krise hervorgehen kann".
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