Der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) könnte auch über den Sommer noch ohne neuen Präsidenten dastehen. Interimschef Johann Gartner will bei der Suche nach einem Nachfolger behutsam vorgehen.
Parallel schloss er bei einem Medientermin am Samstag in Windischgarsten mögliche Strukturänderungen nicht aus. Frühestmöglicher Zeitpunkt für eine Neuwahl wäre Ende Juni bzw. Anfang Juli. Kandidaten haben sich bei einer Präsidiumssitzung am Freitag noch nicht aus der Deckung gewagt.
Das nächste Treffen des höchsten ÖFB-Gremiums ist für 28. April angesetzt. Eine für die Wahl notwendige Bundeshauptversammlung muss zwei Monate im Voraus einberufen werden. Dann sollte man sich aber bereits auf einen Namen verständigt haben, der im Idealfall auch mögliche neue Satzungen mittragen würde. "Ich halte es nicht für realistisch, dass wir in fünf Wochen schon soweit sind", sagte Gartner. "Ich will es auch nicht durchpressen, durchpeitschen oder durchdrücken, weil sonst wird es ein Rohrkrepierer."
Noch einige "Heimaufgaben" zu erledigen
Man hätte noch einige "Heimaufgaben" zu erfüllen, erklärte der Niederösterreicher. "Wenn Weihnachten und Ostern zusammenfällt, wäre mein Wunsch, dass wir uns jetzt überlegen, wie wir uns das intern vorstellen können mit der Struktur, uns parallel auf einen Namen einigen und dann die Anpassungen der Statuten machen, die derjenige auch mittragen kann." Erst danach solle eine Ausschreibung der Bundeshauptversammlung erfolgen. Gartner: "Wenn ich bei der noch keinen Namen habe, zerreißen mich alle in der Luft."
So weit ist man bisher aber noch nicht. Selbst wer den Wahlausschuss leite, sei noch nicht entschieden. Wie zuletzt vor der Kür von Gerhard Milletich 2021 könnt erneut der steirische Landesverbandschef Wolfgang Bartosch diese Funktion übernehmen. Stimmberechtigt sind bei der Wahl die neun Landeschefs sowie drei Vertreter der Bundesliga. Gartner hat als Vertreter des niederösterreichischen Verbandes (NÖFV) sowie aktuell geschäftsführender ÖFB-Präsident zwei Stimmen. "Mein Vorteil ist, ich will es nicht werden", betonte der 71-Jährige. "Mein Ziel ist es, alles so sauber wie möglich zu machen."
Die öffentlichen Rufe nach einem Präsidenten, der von außen kommt, werden zunehmend lauter. Gartner schloss aber auch einen Kandidaten aus dem Kreis des aktuellen Präsidiums nicht aus. "Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn jemand schnell einsteigen kann." Die Verbandsstrukturen mit allen Gremien seien nicht einfach zu durchschauen. "Man muss sich rasch einarbeiten, das ist nicht unwesentlich." Gartner führte zuletzt mit allen anderen Landesverbandschefs Vier-Augen-Gespräche. "Von dem einen oder anderen habe ich das Nein so gehört, dass es nicht absolut ist."
Eine Kampfabstimmung wie 2021 zwischen Milletich und Roland Schmid wünscht sich Gartner nicht. Dafür kann er sich mittelfristig auch ein Ende der Ehrenamtlichkeit des ÖFB-Präsidenten vorstellen. "Es gibt kein Tabuthema." Erste Voraussetzung für Satzungsänderungen - etwa das Präsidium von einem Vorstand mehr in die Richtung eines Aufsichtsrates zu entwickeln - sei der Wille dazu. "Ich werde aber nicht den Fehler machen, dass ich sie überrumple", sagte Gartner über seine Präsidiumskollegen.
"Die Wunden sind noch nicht einmal verkrustet"
Der NÖFV-Chef hatte den Vorsitz Anfang Februar nach dem Rücktritt von Milletich infolge der Vorwürfe von Inseratenkeilerei interimistisch übernommen. Die Gräben im Präsidium sind weiterhin weit weg von zugeschüttet. Gartner: "Es wäre eine Lüge, wenn ich sage, es ist alles eitel Wonne und Waschtrog. Die Wunden sind noch nicht einmal verkrustet, geschweige denn verheilt. Das braucht alles seine Zeit." Es herrsche aber Konsens darüber, dass sich etwas ändern müsse - und darüber, nun nicht voreilig zu handeln.
Über die Sommermonate würde man nicht viel verlieren, meinte Gartner. Ob man am 1. Juli oder 15. September einen neuen Präsidenten habe, mache keinen so großen Unterschied. "Ich möchte alles so übergeben, dass ich es guten Gewissens machen kann", sagte der Übergangschef. Er bezeichnete es als "Grundvoraussetzung, dass man nicht wieder mit einem Crash anfangen. Weil dann brechen die kaum verheilten Wunden gleich wieder auf."
Gartner hat in den vergangenen Wochen wahre Meeting-Marathons hinter sich. "Mir ist wichtig, ein Feeling zu bekommen", begründete der Ex-Bürgermeister von Ziersdorf im Weinviertel seine Bundesländer-Tour. Mit Menschen zu arbeiten mache ihm nach wie vor Spaß. "Aber ich bin im 72. Lebensjahr und weiß, dass ich es irgendwann fertigbringen muss."
Am Freitag hatte er in Linz Sitzungen im Eineinhalb-Stunden-Rhythmus zu absolvieren, ehe am Abend der Auftakt der EM-Qualifikation gegen Aserbaidschan anstand. "Es war ein perfekter Einstieg", sagte Gartner über den 4:1-Sieg des ÖFB-Nationalteams. "Hoffentlich können wir das am Montag bestätigen." Dann erwartet erneut in Linz Estland als Gegner.