Scharner zu Comeback

"Wenn's nicht läuft, werde ich unrund"

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Scharner flog via Amsterdam nach Wien. ÖSTERREICH erreichte ihn noch in London.

ÖSTERREICH: Herr Scharner, haben Sie mit so einem schnellen Comeback gerechnet?
Paul Scharner: Ganz ehrlich, nicht mehr. Es war ausgemacht, dass Jan Kocian mich im Spiel gegen Chelsea beobachten kommt. Da hätten wir alles besprechen sollen.

ÖSTERREICH: Sie haben schon mit Herzog gesprochen?
Scharner: Das war Freitag vor einer Woche. Da stand noch nicht fest, ob ich beim Ligastar dabei sein werde.

ÖSTERREICH: Im Team werden Sie sicher nicht mit offenen Armen empfangen?
Scharner: Ich weiß, es wird jetzt Hunderte Gespräche geben. Aber im Ernst: Ich sehe der Rückkehr ganz locker entgegen. Wir sind doch erwachsene Menschen, wir stehen uns nicht im Krieg gegenüber und kämpfen nicht um Leben uns Tod. Wir sind 20 Teamspieler, die vernünftig miteinander umgehen werden.

ÖSTERREICH: Werden Sie sich entschuldigen?
Scharner: Kein Kommentar, das werden wir intern klären und nachher entscheiden, ob wir damit an die Öffentlichkeit gehen werden.

ÖSTERREICH: Mit der Nicht-Berücksichtigung für die EURO sind Sie ja schon bestraft worden.
Scharner: So sehe ich das auch, ich habe genug gebüßt. Die Zukunft ist aber wichtiger als die Vergangenheit. Wir haben schwere WM-Qualifikationsspiele. Darauf sollten wir uns konzentrieren.

ÖSTERREICH: Werden Sie dem Team helfen können?
Scharner: Das denke ich schon. Ich habe mich in den letzten zwei Jahren in England etablieren können. Auch die Nationalmannschaft hat sich weiterentwickelt, ist vor allem im Fitnessbereich dem internationalen Standard näher gekommen. Jeder einzelne muss jetzt lernen, noch mehr Verantwortung zu übernehmen. Auch ich. Ich bin sehr lernfähig.

ÖSTERREICH: Sind Sie tatsächlich so ein schwieriger Typ?
Scharner: Das ist eine subjektive Meinung. Diese Frage könnte meine Frau besser beantworten. An und für sich bin ich ein sehr umgänglich. Aber wenn es nicht so erfolgreich läuft, wie ich es mir vorstelle, dann werde ich unrund und bekomme Ecken und Kanten. Darum schaut es in der Öffentlichkeit immer so aus, als ob ich ein schwieriger Typ wäre.

ÖSTERREICH: Teamchef Brückner will heute die Kapitänsfrage klären, wären Sie dazu bereit?
Scharner: Ich würde nicht Nein sagen. Bei Wigan bin ich Ersatzkapitän, habe jetzt in der Vorbereitungszeit die Schleife getragen. Das hat mir gefallen.

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Paul Scharner kehrt bereits im Rahmen des Testspiels gegen Italien am Mittwoch (20.45 Uhr/live ORF1) in den Kreis der österreichischen Fußball-Nationalmannschaft zurück. Der England-Legionär wurde am Sonntag von Teamchef Karel Brückner für das Duell mit dem Weltmeister nachnominiert, weil Rene Aufhauser wegen einer Muskelverhärtung im Oberschenkel absagen musste. Dafür wurde dessen Salzburg-Clubkollege Marc Janko zusätzlich ins Aufgebot geholt, das nun auf 20 Spieler angewachsen ist.

Scharner "froh"
Scharner zeigte sich in einer offiziellen ÖFB-Aussendung über sein Comeback erfreut. "Ich bin froh und glücklich, dass es noch geklappt hat mit der Einberufung. Ich werde mit aller Kraft versuchen, gute Leistungen für die Nationalmannschaft zu bringen und möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir ab September eine gute und erfolgreiche Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Südafrika spielen können", wurde der Niederösterreicher zitiert.

Zum bisher letzten Mal spielte der Wigan-Kicker am 16. August 2006 (1:2 gegen Ungarn in Graz) für die ÖFB-Auswahl und erklärte danach mit Hinweis auf das damalige Niveau der Mannschaft, er wolle nicht mehr für das Nationalteam spielen. Wenige Monate vor der EURO 2008 bat der Niederösterreicher um eine Rückkehr, stieß aber beim damaligen Teamchef Josef Hickersberger auf taube Ohren. Der Brückner-Vorgänger pardonierte zwar Emanuel Pogatetz nach dessen heftiger Kritik, beim zweiten Premier-League-Legionär kannte der 60-Jährige aber kein Pardon.

Wigan-Einsatz überzeugte Brückner
Ursprünglich hatte Brückner gegen Italien noch auf eine Nominierung von Scharner verzichtet, da dieser vor einigen Tagen wegen einer Bänderverletzung im Knöchel eine rund zehntägige Trainingspause hatte einlegen müssen. Zum Premier-League-Auftakt am Samstag bei West Ham United (1:2) war der 28-Jährige aber bis zur 83. Minute im Einsatz - allerdings in seiner bei Wigan gewohnten Position als Innenverteidiger, während der 15-fache Internationale diesmal im ÖFB-Team aufgrund des Ausfalls von Aufhauser wohl im zentralen defensiven Mittelfeld vorgesehen ist.

Die Frage seiner Spiel-Position war für Scharner stets eine essenzielle - so verweigerte er im Herbst 2003 bei der Austria seine Einwechslung, weil ihn der damalige Austria-Coach und nunmehrige deutsche Teamchef Joachim Löw für das rechte Mittelfeld vorgesehen hatte, während sich der dreifache Familienvater einen Einsatz im Zentrum wünschte.

Wandervogel
Seine Zeit am Wiener Verteilerkreis war mit dieser Aktion beendet. Scharner ging nach Salzburg und im Sommer 2004 zu Brann Bergen. Von Norwegen schaffte er im Dezember 2005 den Sprung zu Wigan, wo er im Jänner 2006 im Liga-Cup-Semifinal-Hinspiel gleich in seiner ersten Partie für seinen neuen Club den Siegestreffer zum 1:0 erzielte. Erst vor knapp drei Wochen verlängerte der körperlich starke, aber als eigenwillig geltende Spieler, der eng mit Mentalbetreuer Valentin Hobel zusammenarbeitet, seinen Vertrag in Wigan bis 2011.

Von den Fans der "Latics" wurde Scharner zum besten Spieler des Vereins in der vergangenen Saison gewählt. Unter den aktuellen österreichischen Teamspielern könnte er weniger Anhänger haben, schließlich dürften einige österreichische Internationale seine Aussagen beim Team-Rücktritt 2006 noch im Hinterkopf haben.

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